Wenn das Öl knapp wird
Drastische Veränderungen der Lebensweise auf der Erde werden im Namen des Klimaschutzes gefordert. Dahinter könnte aber ein anderer Grund stecken, über den nicht mehr offen geredet wird: Das verfügbare Erdöl wird immer weniger. Das wird Folgen haben, die auch das politische und das Wirtschaftssystem betreffen.

Vicki Hollub, Geschäftsführerin von Occidental Petroleum, war im Januar 2024 Gast des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos. Sie sprach dort von einer Angebotsverknappung auf dem Ölmarkt. 2025 würde das erste Jahr werden, wo das Angebot die Nachfrage nicht mehr decken kann. 1
Das ist Peak-Oil oder der Hubbert-Peak. Der amerikanische Geologe M. King Hubbert hatte 1956 vorausgesagt, dass die Erdölproduktion der zentralen 48 US-Staaten (ohne Alaska und Hawaii) im Jahre 1970 einen Höchststand (Hubbert-Peak) erreichen und danach kontinuierlich zurückgehen wird. Die Produktion hat sich tatsächlich überraschend genau gemäß dieser Prognose entwickelt. Der Geologe hatte beim zeitlichen Verlauf der Fördermengen verschiedener Ölfelder ein typisches Muster festgestellt: Nach ersten Bohrerfolgen setzt eine stürmische Entwicklung mit einem exponentiellen Förderwachstum ein. Sobald sich erste Sättigungserscheinungen einstellen, verlangsamt sich das Wachstum, bis ein oder mehrere Fördermaxima erreicht sind. Danach geht die Produktion kontinuierlich zurück. Dieser Verlauf ist typisch für die Ausbeutung von beschränkten Ressourcen. 2
Es gibt Dokumentarfilme über das drohende Ende des Öl-Zeitalters, von denen die meisten kurz nach der Jahrtausendwende entstanden sind. Es gibt auch Spielfilme, die eine Endzeit mit immer weniger oder ohne Öl zeigen. Zum Beispiel Mad Max, bei dem durchgedrehte Freaks die ganze Zeit sinnlos mit fantasievoll aufgemotzten Vehikeln durch die Wüste rasen. Immerhin der einzige Science-Fiction-Film, dessen Bilder bereits Realität geworden sind, wie die Videos von den Schlachtfeldern im Irak und Syrien zeigen. Aber es gibt keine Fiktion, die uns den Vorgang an sich präsentiert. Wie läuft das eigentlich ab, wenn uns eine Ressource von zentraler Bedeutung ausgeht?
Die Ölförderung unterliegt einem Erntefaktor. Das heißt vereinfacht gesagt, man muss Energie investieren, um Energie in Form von Öl zu gewinnen. Die Industrie hat zuerst jene Ölfelder abgeerntet, die gut zu erreichen waren und den Rohstoff in guter Qualität boten. Waren diese Quellen erschöpft, zog man weiter zum nächsten Feld mit etwas geringerer Qualität. Dadurch ist der Aufwand der Förderung stetig gestiegen, während die Qualität des Öls stetig abnahm.
Irgendwann kommt der Punkt, an dem mehr Energie investiert werden muss, als das gewonnene Öl enthält. 3 Spätestens ab diesem Punkt wird die Masse der Bevölkerung nicht mehr versorgt. Es wird dann zwar immer noch Öl gefördert, aber nur, um einer speziellen unverzichtbaren Anwendung zugeführt zu werden. Das Ende der Versorgung hängt also nicht davon ab, wie viel Öl noch im Boden vorhanden ist, sondern von den Förderbedingungen. Peak-Oil markiert deshalb nicht etwa die Halbzeit, sondern eher den Endspurt.
Um Öl überhaupt nutzen zu können, mussten die entsprechenden Bedingungen geschaffen werden. Zum Beispiel mussten Straßen gebaut werden, wozu wieder Öl eingesetzt wurde. Die meisten Straßen wurden gebaut, als Rohöl noch billig war. Ihre Instandhaltung wird mit der Zeit immer teurer, was zu einem schleichenden Ruin führt. Bröckelnde Infrastruktur dürfte ein sicheres Zeichen der finalen Ölkrise sein, die nicht überall gleichzeitig beginnt. Ganz sicher werden die ölfördernden Länder nicht all ihr Öl auf den Markt werfen. Sie werden sich strategische Reserven zurückhalten. Das bedeutet, dass das Ende der Ölexporte dem tatsächlichen Ende des Öls um Jahre vorausgehen wird. 4
Es wird also eine Übergangszeit mit extremer Ungleichheit unter den Nationen geben, und nirgends wird dabei das Elend größer sein als im EU-Raum, da sich hier die großen Verbraucher ohne eigene Ressourcen konzentrieren. »Die Ersten werden die Letzten sein« gilt also besonders für Deutschland, weil Deutschland innerhalb der EU den größten Bedarf hat, keinerlei eigene Quellen besitzt und auch nicht über ein Militär verfügt, mit dem man eine Versorgung erzwingen könnte.
Jede Regierung der Welt hat eine primäre Aufgabe, von der ihre Legitimierung ganz wesentlich abhängt: nämlich die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Angesichts der Tatsache, dass weltweit eine Infrastruktur geschaffen wurde, die praktisch alternativlos von der Versorgung mit Öl abhängig ist, stellt Peak-Oil also wegen der Gefahr einer Subsistenzkrise eine existenzielle Bedrohung für jede Regierung dar. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten an, auf diese Bedrohung zu reagieren.
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MARCUS PÜSCHEL arbeitet als Illustrator und in der ambulanten Alltagshilfe. Im Jahr 2000 war er auf der Weltausstellung in Hannover als Host angestellt und gab Führungen durch den Themenpark, insbesondere der Ausstellung „Energie“. Die mangelhafte Objektivität dieser ziemlich teuren Ausstellung und der folgende Krieg im Irak bewirkten, dass der Autor dieses, seiner Meinung nach spannendste und folgenreichste Thema bis heute verfolgt.
1 https://de.tradingview.com/news/reuters.com,2024:newsml_L8N3E647K:0/ 2 https://www.ag.ch/umwelt-aargau/pdf/UAG_26_27.pdf
3 ETP-Modell der Hills Group
siehe u.a.: https://www.peak-oil.com/2015/11/das-etp-modell-der-hillsgroup-eroi-des-oelfoerdersystems/
4 siehe auch Jeffrey J. Browns Export Land Model (ELM), u.a. hier: https://www.resilience.org/
stories/2007-10-02/export-land-model-elm-goes-mainstream/