Attac-Bankentribunal: Schröder und Merkel haben Demokratie untergraben
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Von REDAKTION, 12. April 2010 –
Die Finanzkrise ist nicht wie eine Naturgewalt über die deutsche Wirtschaft hereingebrochen. Durch ihre Arbeitsmarkt-, Sozial- und Finanzpolitik haben die Regierungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Angela Merkel dazu beigetragen, dass sich die Finanzmärkte von der Realwirtschaft ablösen konnten und hochriskante Spekulationsgeschäfte möglich wurden. So lautet der Urteilsspruch des Bankentribunals, das am Samstag vor weit über 800 Menschen in der ausverkauften Berliner Volksbühne stattgefunden hat.
Die Jury stellte fest, dass die verantwortlichen Politiker die öffentlichen Interessen wiederholt an Private ausgeliefert und dadurch die Demokratie untergraben haben. Weiter heißt es: „Sie haben die Gläubiger geschont und nicht für die Kosten der Bankenrettung herangezogen. Sie haben die Milliardensummen den öffentlichen Haushalten aufgebürdet. Sie setzen sich nicht entschieden für die überfällige Regulierung der Finanzmärkte ein. Sie lassen es ferner geschehen, dass Milliarden von Menschen im globalen Süden noch tiefer in Armut gestützt werden. Die Jury widerspricht den Banken, hier vertreten durch Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, sie seien nur ‚Getriebene der Märkte’. Vielmehr haben sie durch ihr bedenkenloses Gewinnstreben den Grundsatz grob verletzt, dass ‚Eigentum verpflichtet’ und auch dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen hat.” (1)
Wissenschaftler, Gewerkschafter, Politiker . Journalisten und viele interessierte Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung von Attac gefolgt, um über die Ursachen, Hintergründe und gesellschaftlichen Folgen der Bankenrettungsmaßnahmen zu debattieren. Unter den teils prominenten Diskutanten waren der Politologe Emar Altvater, Lucas Zeise (Kolumnist für die Financial Times Deutschland) der Jesuit Friedhelm Hengsbach, Sven Giegold (Grüne) und Jürgen Borchert (Richter am hessischen Landessozialgericht).
Das Bankentribunal war kein Gerichtsverfahren im juristischen Sinne, sondern ein symbolischer Akt, der an die Tradition des „Russell-Tribunals“ von 1966 anknüpfte. Damals standen die Kriegsverbrechen der USA im Vietnamkrieg zur Debatte. Heute saßen die aktuelle Bundesregierung, ihre zwei Vorgängerinnen sowie Josef Ackermann (Deutsche Bank) und Hans Tietmeyer (HRE, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) auf der Anklagebank. Die Kabarettisten Urban Priol und Georg Schramm bestritten das Unterhaltungsprogramm.
Ein erstes Resümee der Veranstaltung zog der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian am Montag im Gespräch mit der jungen Welt: „Das Bankentribunal hat zu einer Entzauberung des angeblich vorbildlichen Krisenmanagements von Merkel und Steinbrück beigetragen. Es ist deutlich geworden, wie dilettantisch die Politiker agiert haben und dass Kontrollmöglichkeiten nicht ausgeschöpft wurden. Zudem wurde auch die krisenverursachende Rolle der Deutschen Bank beleuchtet.“ Der Aktivist Grottian hofft, dass das Bankentribunal in den Reihen von Attac ein „Türöffner für mehr Radikalität“ sein wird.
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Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es Unstimmigkeiten unter den Organisatoren gegeben. Einer der Initiatoren, der Publizist Werner Rügemer, zog sich aus dem Team zurück. Gegenüber der jungen Welt sagte er am 08.04.2010: „Der Hauptgrund war, dass die staatliche Bankenrettung innerhalb von Attac nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.“ (2) Er habe für eine kontrollierte Insolvenz plädiert, da die Banken keineswegs systemrelevant für die gesamte Volkswirtschaft seien, so Rügemer. Attac-Sprecherin Jutta Sundermann sagte dagegen: „Viele Argumente, die Rügemer vertritt, sind in die Planung eingeflossen.“ Für sie handelt es sich daher nicht um einen grundsätzlichen Konflikt.
(1) http://www.Attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/casino/Aktionen/Bankentribunal/Urteil.pdf
(2) http://www.jungewelt.de/2010/04-08/048.php