"Autos zu Panzern" statt "Schwerter zu Pflugscharen"
Die Transformation der Autoindustrie verläuft anders als gedacht.
Foto: MurrrPhoto; Quelle: Pixabay; LizenzDie Lage der Automobilindustrie ist derzeit alles andere als rosig. Binnen eines Jahres sind allein in Deutschland 50.000 Arbeitsplätze weggefallen, auf dem wichtigen US-Geschäft lasten künftig hohe Zölle, und bei den Elektro-Autos graben Konzerne aus China den hiesigen Herstellern schon lange das Wasser ab. Ganz anders die Rüstungsindustrie. Hier suchen die Unternehmen dank „Zeitenwende“ und Fünf-Prozent-Haushaltsziel händeringend nach neuen Kapazitäten. Nicht mehr „Schwerter zu Pflugscharen“, sondern „Autos zu Rüstung“ ist nun das Motto, wie der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) jüngst in einer Pressemitteilung verlautbarte. 1
Wie weit dieser Prozess bereits vorangeschritten ist, wurde einer breiteren Öffentlichkeit erstmals im März dieses Jahres vor Augen geführt, als eine Delegation des Rüstungskonzerns Rheinmetall das VW-Werk in Osnabrück besichtigte. 2 Mit dabei waren der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall, Armin Papperger, der Chef der VW-Tochter MAN Truck and Bus, Alexander Vlaskamp, und der inzwischen ausgeschiedene VW-Konzernvorstand Gunnar Kilian, der seinerzeit noch das Lkw-Geschäft verantwortete. Man habe vor Ort die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit „ergebnisoffen diskutiert“, hieß es. Konkret soll es um eine mögliche Übernahme des Osnabrücker VW-Werks durch Rheinmetall gegangen sein. Derzeit ist die Zukunft des Standorts mit seinen 2.300 Beschäftigten offen, weil 2027 die Produktion des Modells T-Roc Cabrio ausläuft und VW ohnehin Stellen abbauen will.
Die Marktführer VW und Rheinmetall
Sowohl Volkswagen als auch Rheinmetall sind in ihrer Branche Marktführer, es gibt also keine anderen Unternehmen, die den Zustand der jeweiligen Branche besser verkörpern als diese beiden. Hier Volkswagen, der schwerfällige Autoriese, der in den vergangenen drei Jahren rund 30 Prozent seines Börsenwertes verloren und im ersten Halbjahr 2025 einen stagnierenden Umsatz von knapp 160 Milliarden Euro und einen nahezu halbierten Vorsteuergewinn von gut sechs Milliarden Euro ausgewiesen hat. 3
Auf der anderen Seite der Senkrechtstarter Rheinmetall, bei dem sich der Aktienkurs in den zurückliegenden drei Jahren mehr als verzehnfachte. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres sprang der Umsatz bei dem Düsseldorfer Konzern um 24 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro in die Höhe, das operative Ergebnis um 18 Prozent auf 475 Millionen Euro. „Rheinmetall ist erfolgreich auf seinem Weg, ein globaler Rüstungschampion zu werden“, sagte Konzernchef Armin Papperger. 4
Dass die Rüstungsindustrie ausgerechnet in der Autobranche nach neuen Kapazitäten sucht, liegt auf der Hand. Viele Produkte lassen sich sowohl zivil als auch militärisch nutzen (Dual Use), vor allem im Nutzfahrzeugbereich. Beispiele sind Motoren, Antriebssysteme, Kugellager und Elektronikbauteile. Kooperationen zwischen beiden Branchen gibt es dementsprechend schon lange. Rheinmetall und MAN etwa betreiben seit 15 Jahren das Gemeinschaftsunternehmen Rheinmetall MAN Military Vehicles, das Lastwagen für das Militär herstellt. Erst Anfang des Jahres erhielt das Unternehmen einen Großauftrag der Bundeswehr über knapp 600 Fahrzeuge im Wert von 330 Millionen Euro. Umgekehrt ist Rheinmetall nicht nur ein Rüstungsproduzent, der Kampf- und Schützenpanzer, Flugabwehrsysteme und Munition herstellt, sondern auch ein Autozulieferer. An den Standorten Neuss und Berlin produziert das Unternehmen nach wie vor Autoteile. Diese Werke sollen aber nun „umgewandelt“ oder verkauft werden, Mitarbeiteraus dem „zivilen Geschäft“ in den Rüstungsbereich wechseln.
Lage der Zulieferer prekär
Noch prekärer als bei den großen Autoherstellern ist die Lage der Autozulieferer, denen durch das geplante Verbrenner-Aus gleich ganze Geschäftsfelder wegzubrechen drohen. Der Elektro-Antrieb besteht nämlich aus deutlich weniger Komponenten als der herkömmliche Verbrennermotor. Deswegen ist unter den Zulieferern die Bereitschaft nun besonders hoch, mit der Rüstungsindustrie anzubandeln. Der Hannoveraner Zulieferkonzern Conti etwa hat nach der Werksschließung im hessischen Wetzlar gleich ein ganzes Mitarbeiterteam an den Radarspezialisten Hensoldt vermittelt. 5 Ein weiteres Beispiel ist der ebenfalls in Hannover ansässige mittelständische Zulieferer Hanomag Lohnhärterei. Dieser härtet inzwischen in seinen Öfen auch die Stahlhüllen für die 120-Milimeter-Flugabwehrgeschosse von Rheinmetall. Wegen der Krise der Autoindustrie hat Hanomag derzeit Kapazitäten frei. 6
In der Zusammenarbeit zwischen Automobil- und Rüstungsbranche geht es bislang vornehmlich darum, Produktionskapazitäten und Mitarbeiter für den Hochlauf der Rüstungsindustrie bereitzustellen. Schon jetzt jedoch ist abzusehen, dass es dabei nicht bleiben wird. Einem Bericht des Handelsblatt zufolge haben bereits erste Gespräche zwischen Rüstungsfirmen und Vertretern von BMW, Mercedes und Volkswagen über einen möglichen Technologietransfer stattgefunden, also darüber, wie die Autokonzerne die Rüstungsindustrie bei der Entwicklung neuer Produkte und Technologien unterstützen könnten. 7
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THOMAS TRARES ist Diplom-Volkswirt. Er hat an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz studiert. Danach war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur „vwd“. Seit 2004 arbeitet er als freier Wirtschaftsjournalist in Berlin.
1 www.bdsv.eu/aktuelles/pressemitteilungen/bdsv-zum-joint-white-paper-for-european-defence-readiness-2030.html
2 www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/ruestungsproduktion-rheinmetall-denkt-ueber-die-uebernahme-eines-vw-werks-nach-110386497.html
3 www.boersen-zeitung.de/unternehmen-branchen/vw-kappt-umsatz-und-margenziel
4 www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2025-08/ruestungsindustrie-rheinmetall-zahlen-umsatz-gewinn-rekord-2025
5 www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/autozulieferer-hensoldt-bietet-continental-mitarbeitern-die-uebernahme-an-01/100104661.html
6 www.aktiv-online.de/news/ruestung-statt-autobranche-warum-die-hanomag-lohnhaerterei-jetzt-auch-geschosse-bearbeitet-20026
7 www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/vw-bmw-mercedes-sprechen-mit-ruestungskonzernen-ueber-technologietransfer-zu-autonomem-fahren-01/100136829.html