Umwelt

Palmöl – Die indonesische Tragödie

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von CHRISTIANE ZANDER und KLAUS SCHENCK, 31. MAI 2011 –

Im größten Inselstaat der Welt fallen Urwaldriesen für Ölpalmen – Tag für Tag. Auf neun Millionen Hektar bedecken gewaltige Monokulturen inzwischen das Land – das entspricht einem Viertel der Fläche Deutschlands. Indonesien ist Weltmeister im Palmölexport, weil die reichen Länder des Nordens nach immer mehr billigem Pflanzenöl verlangen: für die Nahrungsmittel- und Chemie-Industrie, zum Heizen, Stromerzeugen oder Autofahren. Den Preis zahlen die Menschen, Tiere und Pflanzen in einem der artenreichsten Regenwaldgebiete der Erde.

Der Morgen nach der Feuernacht enthüllt ein Schreckensbild: dichter Qualm wabert über Ödnis, die gestern ein Wald voller Leben war. Hardi Baktiantoro tritt auf die Bremse und springt aus dem Wagen. Die Flammen haben ganze Arbeit geleistet, Arbeit zugunsten eines Palmölkonzerns. „Immer wieder brennen unsere Wälder“, sagt Hardi und zweifelt keine Sekunde an einem Verbrechen. Zu oft hat er sein Land in Flammen gesehen. Als Orang-Utan-Retter bei COP, dem Centre for Orangutan Protection, eilen Hardi und seine Kollegen auf Borneo seit Jahren von Brandherd zu Brandherd. „Viele dieser Feuer werden gelegt, um Land für Ölpalmenplantagen zu gewinnen. Das ist in Indonesien verboten. Deshalb brennt der Regenwald nachts.“ Wieder sind ungezählte Tiere in den Flammen verbrannt; wieder ist es ein schwarzer Tag im Leben von Hardi Baktiantoro, der die Organisation COP im März 2007 gründete.

„Wir sind dabei, das Symbol unseres Landes auszulöschen, den einzigen Menschenaffen Asiens“, klagt der Orang-Utan-Retter. „Jedes Jahr sterben bis zu 2.000 Orang-Utans durch Rodung, Wilderei und Tierhandel. Nur noch auf Borneo und Sumatra konnten sie überleben. Wir schätzen ihre Zahl auf höchstens 60.000 Tiere.“ Für Hardi Baktiantoro ist die Palmölindustrie die schlimmste Natur zerstörende Industrie der Welt – weil die ganze Welt dieses Öl begehrt.


Die Ölpalme


Die bis zu 30 Meter hohe Ölpalme (Elaeis guineensis) stammt ursprünglich aus dem afrikanischen Regenwald. Heutzutage wachsen Ölpalmen auf etwa 15 Millionen Hektar industriellen Plantagen rund um den Äquator. Zum Gedeihen brauchen Ölpalmen Tropenwaldklima, das heißt ständig hohe Feuchtigkeit und Temperaturen sowie volles Sonnenlicht. Für die Plantagen wird deshalb die ursprüngliche Vegetation vollständig abgeholzt und die Ölpalmen in endlosen Reihen gepflanzt. Gegen die häufigen Schädlingsplagen und um störenden Bewuchs zu unterdrücken, werden große Mengen an Pestiziden und Herbiziden auf den Monokulturen versprüht. Die Ernte erfolgt per Hand vom Boden aus. Die Palme produziert Fruchtstände mit einem Gewicht von bis zu 50 Kilogramm, die mehrere Tausend Früchte enthalten.

Eine Palme erobert die Welt

Die Kolonialmächte brachten das ursprünglich aus Afrika stammende Gewächs nach Asien und Lateinamerika. Europäische Handelshäuser waren es auch, die in Indonesien und Malaysia bereits vor 100 Jahren die ersten Plantagen anlegten und dafür den Regenwald rodeten. Die Ölpalmen gediehen gut im Tropenklima Südostasiens und deren ovale rote Früchte waren schon damals äußerst ergiebig. Viele Jahre führte Malaysia die Palmölproduktion weltweit an. Erst 70 Jahre später bahnte sich die Katastrophe an, die ökologisch und kulturell auch das Nachbarland Indonesien beschädigen sollte: 1985 verfügte der damalige indonesische Diktator Suharto die Industrialisierung der Palmölproduktion – mithilfe ihm verbundener Konzerne und ausländischer Investoren. Der Staat vergab riesige Holz- und Ölpalmkonzessionen in den Regenwaldgebieten. Der Einschlag tropischer Edelhölzer spielt eine sehr wichtige Rolle im Plantagengeschäft. Denn der Verkauf der begehrten Hölzer finanziert die Investitionskosten für die Ölpalmenplantagen. Die restliche Urwaldvegetation, die sich nicht vermarkten lässt, wird niedergebrannt, um Platz für die Ölpalmen zu schaffen.

Agrosprit-Boom

Mit Beginn des dritten Jahrtausends wird das Palmöl für Indonesien und die großen Konzerne zum neuen Gold, denn das Pflanzenöl ist nicht länger nur für die Lebensmittel- und chemische Produktion interessant: In Europa wird die Trendwende zu erneuerbaren Energien eingeläutet; die reichen Länder des Nordens wollen und können sich nicht länger auf die begrenzten fossilen Ressourcen der Erde verlassen. Agrosprit soll Fahrzeuge und Kraftwerke antreiben.

Die Pflanzenenergie ermöglicht es Politik und Wirtschaft, am ungeheuren Energiekonsum der westlichen Welt festzuhalten. Zudem lässt sie


Palmöl

Mit einer Jahresproduktion von 43 Millionen Tonnen (2009) ist Palmöl vor Soja- und Rapsöl das mengenmäßig am meisten produzierte Pflanzenöl der Welt. Palmöl ist das billigste Pflanzenöl und aufgrund seiner chemischen Eigenschaften vielseitig einsetzbar. Es hat einen hohen Schmelzpunkt und ist deshalb auch bei Raumtemperatur geschmeidig und streichfähig. In Ölmühlen wird das Palmöl unter Hitze und Druck aus den Früchten gelöst. Aus den orangefarbenen Früchten wird Palmöl, aus den Kernen Palmkernöl gewonnen.

Das billige tropische Öl steckt fast überall drin: In Lebensmitteln von Margarine, Tiefkühlpizza, Fertigsuppen, Speiseeis, Keksen bis Schokoriegeln; in Waschpulvern, Seifen, Reinigern und Kosmetikprodukten; im Dieseltank und Heizkraftwerk. Wegen der Regenwaldrodung versuchen die meisten Firmen, das Palmöl in ihren Produkten zu verschleiern und schreiben von „pflanzlichen Ölen und Fetten“. Nur wenige Hersteller kennzeichnen Palmöl und Palmfett auf der Verpackung. Einige Firmen haben verkündet, weitgehend auf Palmöl zu verzichten oder ihre Produktion umzustellen.

sich als klimafreundlich verkaufen, weil es sich um nachwachsende Rohstoffe handelt. Mit Vokabeln wie „Bio“-Strom und „Bio“-Sprit wird den Konsumenten ein gutes Gewissen eingeredet. Bilder von Autos zwischen blühenden Rapsfeldern und Fotomontagen von Sonnenblumenblüten als Steckdose suggerieren die Herkunft von deutschen Äckern. Doch seit zwei Jahren ist die hiesige Pflanzenöl- und Biodieselindustrie weitgehend zusammengebrochen. Billige Palm- und Sojaölimporte aus Übersee sind stattdessen auf dem Vormarsch.

Und so wird Indonesien zum Weltmeister im Palmölexport – und zu einem der größten Handelspartner für Agro-Energie. Zusammen mit Malaysia hat der Inselstaat einen Anteil von knapp 90 Prozent an der Weltproduktion von Palmöl. Sein Export betrug 2008 immerhin sechs Prozent des indonesischen Bruttoinlandsproduktes.

Im selben Jahr importierte Deutschland gut eine Million Tonnen Palmöl – eine Hälfte davon verbrauchten die Lebensmittel- und Chemieindustrie, die andere verbrennt dank üppiger Subventionen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in unseren Blockheizkraftwerken und Autos. Konzerne wie der amerikanische ADM-Konzern importieren große Mengen davon nach Deutschland. ADM ist über eine Allianz mit dem Wilmar-Konzern verbunden. Wilmar International ist vom Handelsvolumen her der größte Palmölkonzern der Welt – ein indonesisch-malaysisch-US-amerikanischer Multi mit Sitz in Singapur. Im Hamburger Hafen betreibt ADM die größte deutsche Ölmühle.

Inzwischen ist klar: Die Stromgewinnung durch Palmöl trägt nicht zum Klimaschutz bei – im Gegenteil. Durch den Verlust der Wälder als grüne Lunge, durch Brandrodung und Trockenlegung der Torfmoore entweichen weitaus mehr klimaschädliche Gase, als eingespart werden. Dennoch wird für unser steigendes Verlangen nach „sauberem“ Strom immer weiter abgeholzt und abgebrannt. Indonesien ist aufgrund seiner Waldzerstörung nach China und den USA drittgrößter Treibhausgas-Emittent der Welt.

Eigene Gutachter ignoriert

Politik und Wirtschaft aber reden die Probleme klein oder ignorieren sie ganz. Bereits im Dezember 2008 legte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) das umfangreiche Gutachten „Welt im Wandel – Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung” vor. Die Empfehlung der Wissenschaftler ist eindeutig: der rasche Ausstieg aus der Förderung von Biokraftstoffen und die Rücknahme der Beimischungsquoten. Doch gegen die Empfehlungen der eigenen Gutachter setzt die Bundesregierung weiter auf Agrosprit. Damit liegt sie auch voll im Einklang mit der EU-Kommission. Die plante Anfang 2010 gar, Ölpalmenplantagen mit Wäldern gleichzusetzen. Internationale Proteste brachten den skandalösen Vorschlag zu Fall, doch Konsequenzen will die Politik aus dem Debakel immer noch nicht ziehen.


Palmöl aus der Steckdose – das EEG

Deutschland sieht sich weltweit als Trendsetter bei den sogenannten erneuerbaren Energien: Im März 2000 brachte die damalige rot-grüne Regierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf den Weg. Sonnen-, Wind- und Wasserkraft werden staatlich gefördert und auch die Energiegewinnung aus Pflanzen. Im August 2004 beschloss die Regierung, die Subventionen für Pflanzenöle kräftig zu erhöhen: bis zu 0,19 Euro Vergütung pro Kilowattstunde (kWh) erhält ein Energieerzeuger für seinen ins Netz gespeisten „grünen Strom“. Das Ergebnis: die Zahl der Blockheizkraftwerke (BHKW), die mit Pflanzenöl betrieben werden, schnellte in die Höhe – auf 1.400 Anlagen jeder Größenordnung im Jahr 2008. Damit wuchs auch die Nachfrage nach Palmöl, das billiger ist als alle anderen Öle. 2008 wurden 450.000 Tonnen Palmöl in den deutschen Blockheizkraftwerken verfeuert, das entspricht 47 Prozent des bei uns verbrauchten Palmöls. Da der dort erzeugte Strom ins Netz geht, ist jeder Kunde gezwungen, bei der Zerstörung der Regenwälder mitzumachen. Denn die Vergütungen aus dem EEG finanziert er mit einer Umlage von aktuell 0,02 Euro pro verbrauchter Kilowattstunde, die mit der monatlichen Stromrechnung erhoben wird. Ein 3-Personen-Haushalt mit einem Stromverbrauch von durchschnittlich 4.000 Kilowatt Strom unterstützt die verheerenden Folgen der Palmölgewinnung mit 87,50 Euro pro Jahr. Im Gegensatz dazu wurden die 565 größten Stromverbraucher aus Industrie und Verkehr von dieser Umlage befreit. Über eine Milliarde Euro wird so den übrigen Stromkunden zusätzlich aufgebürdet.

Wer Borneo aus der Luft betrachtet, wird die Tragödie Indonesiens mit einem Blick begreifen: Riesenhafte Rechtecke aus Ölpalmen bedecken einheitsgrün die Insel – landesweit sind es neun Millionen Hektar. Dazwischen die furchtbaren Narben, die Feuer und Kahlschläge hinterlassen haben. Denn die Palmölindustrie besitzt bereits Landrechte für nahezu 30 Millionen Hektar, von denen 20 schon gerodet wurden.

Guntur Gregorius erlitt einen Schock, als er zum ersten Mal im Leben seine Heimat aus einem Flugzeugfenster sah: Ölpalmen und verwundete Erde bis zum Horizont. In diesem Moment wusste Guntur, dass keine Zeit mehr zu verlieren ist. Aus dem kleinen Dorf Tanah Putih im Herzen der Insel Borneo war Guntur unterwegs nach Jakarta, um sich mit internationalen Menschenrechtsgruppen zu beraten. Eine Reise zum Mond hätte für diesen Mann nicht weltumspannender sein können. Guntur gehört zum hundertstämmigen Volk der Dayak, der Ureinwohner Borneos; die Indonesier nennen ihren Teil der Insel Kalimantan.

Tanah Putih hat weder Straßen noch Laternen, doch fehlte den Menschen nichts. Der Regenwald schenkte den Dayak seit Jahrtausenden alles, was sie zum Leben brauchen. Bis vor sieben Jahren.

Damals erschienen die ersten Bulldozer der Konzerne Wilmar und Musimas. „Erst fällten sie die wertvollen Bäume, dann brannten sie den Wald ab“, erzählt Guntur. „Sie sagten, sie hätten die Genehmigung von der Regierung. Doch das ist unser Land, und wir haben uns gewehrt. Dann kamen die Unterhändler. Sie bestachen Bauern aus unserem Dorf und zogen sie auf ihre Seite; andere wurden überredet, Land zu verkaufen, und man versprach ihnen Arbeit auf den Plantagen. Doch es sind nur Gelegenheitsjobs für 28.000 Rupien am Tag (2,40 Euro). So haben die Konzerne unsere Dorfgemeinschaft zerrissen und auch viele Familien. Die meisten von uns haben kaum genug Geld zum Überleben. Denn den Wald, der uns Fleisch, Früchte, Pilze, Bambussprossen, Rattan und Holz schenkte, fast alles, was wir brauchten – diesen Wald gibt es nicht mehr.”

Tanah Putih ist heute eine Insel in einem Palmenmeer, dessen Gewaltigkeit alle Vorstellungen sprengt: 100 Kilometer lang und bis 8 Kilometer breit. Jedes Mal, wenn die Bewohner ihr Dorf verlassen wollen, irren sie durch ein Labyrinth aus staubigen Wegen. Stickig brütet die Luft über den Plantagen und aus den Entwässerungsgräben steigen giftige Dämpfe.

Nur ein kleiner Wald ist den Menschen von Tanah Putih noch geblieben. Er riecht nach Pilzen und ewigem Grün. Dschungelpflanzen und Bäume wachsen so dicht zusammen, dass man glauben könnte, sie würden sich umarmen. Eine Gruppe aus riesenhaften Meranti-Bäumen steht im Mittelpunkt. „Sie sind uns heilig“, sagt Guntur, „denn in ihren Kronen wohnen unsere Schutzgeister. Auch ihretwegen werden wir den Kampf um unseren letzten Wald niemals aufgeben.“

Die Dayak haben mächtige Gegner

Die Gegner jedoch sind mächtig. Denn der indonesische Staat beansprucht den Wald für sich und die Regierung vergibt Konzessionen an die Holz- und Palmölfirmen. Auf der Strecke bleiben die Menschen, die seit Generationen vom Wald gelebt haben, ihn nutzten und bewirtschafteten, ohne ihn zu zerstören. Ihre traditionellen Landrechte werden von Behörden und multinationalen Konzernen mit Füßen getreten.

Wie sehr, zeigt ein Besuch in der Zentrale von Wilmar, dessen Plantagen das Dorf Tanah Putih im Würgegriff halten. Wilmar-Manager Leng gibt sich natur- und menschenfreundlich, spricht voll Stolz vom High Conservation Forest auf seiner Konzession und meint damit die Waldinseln inmitten der Ölpalmen, die der Konzern stehen gelassen hat, weil das Land unbrauchbar war für Ölpalmen. Die Karte, auf die er zum Beweis pocht, offenbart, wie winzig dieser Waldrest ist im Vergleich zu den gigantischen Plantagen.

Das soziale Engagement seines Konzerns formuliert Wilmar-Manager Leng so: „Wir bauen für die Dayaks Schulen, geben ihnen Bildung und beschäftigen sie auf unseren Plantagen. Allerdings können wir sie oft nur als Tagelöhner beschäftigen, für höhere Posten sind sie kaum geeignet.“ Mr. Leng nennt das eine Win-Win-Situation.

Wilmar hat das RSPO-Label beantragt, das „Gütesiegel“ des runden Tisches für nachhaltiges


Hydriertes Palmöl für Biodiesel

Bisher wird Palmöl aus technischen Gründen nur in geringen Mengen dem fossilen Diesel beigemischt. Doch das soll sich sehr bald ändern. Durch chemische Behandlung – die sogenannte Hydrierung von Palmöl – kann man dessen Eigenschaften verändern. Der finnische Konzern Neste Oil besitzt ein patentiertes Verfahren dazu. Ziel ist es, den europäischen Markt mit billigem Palmöldiesel zu überschwemmen. Dafür entstehen drei riesige Palmölraffinerien in Singapur, Rotterdam und Helsinki, die 2011 in Betrieb gehen sollen. Testprojekte mit Neste Oils Palmöl laufen bereits beim Logistikkonzern DHL und Bussen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Mit dabei ist der Daimler-Konzern, der die LKWs und Busse der Marke Mercedes-Benz liefert.

Palmöl – trotz massiver Verletzungen von Menschenrechten und Umweltschutz. Nachhaltigkeit ist das Zauber- oder besser Unwort, das europäische Märkte öffnen soll. Aber die Regenwälder und die Lebensräume von Millionen Menschen, Tieren und Pflanzen schützt man mit diesem Siegel nicht.

Jetzt plant die Weltbank-Tochter IFC, dem Wilmar-Konzern mit drei Investitionsprojekten erneut unter die Arme zu greifen – dieses Mal für angeblich nachhaltig erzeugtes Palmöl. Erst 2009 hatte die IFC nach weltweiten Protesten sämtliche Investitionen in die Palmölindustrie vorübergehend gestoppt.

Die Weltbank wollte nach eigenen Angaben zur Armutsbekämpfung beitragen – und hat das Gegenteil erreicht: Durch die Kapitalspritzen für Palmölmultis wurde die Bevölkerung noch ärmer.

Überall dort, wo Waldbewohner und Umweltgruppen auf Abholzung und Plantagenbau stoßen, erleben sie Lug und Betrug. „Es gibt keine umweltverträgliche Produktion von Palmöl“, sagt Orang-Utan-Retter Hardi Baktiantoro. „Wer das behauptet, will sein blutiges Geschäft grünwaschen. Mit ihren sogenannten Nachhaltigkeitssiegeln hängen sich die Palmölfirmen grüne Mäntel um, damit die Geschäfte weiterhin blühen. Und in den Regierungen der Welt finden sie willige Geschäftspartner, die sie letztendlich zu ihren Komplizen machen.“ Der COP-Chef bleibt dabei: „Ob mit oder ohne Siegel: Palmölplantagen bedeuten den Tod für unsere Urwälder mit ihren Elefanten, Tigern und Orang-Utans. Und Elend für unzählige Menschen.“


Palmölsiegel sind Etikettenschwindel

Die großen Palmölerzeuger und -verbraucher haben zusammen mit dem WWF den „Runden Tisch für Nachhaltiges Palmöl“ („Roundtable on Sustainable Palm Oil“, RSPO) gegründet. Ziel ist es, dem in Verruf geratenen Palmöl unter dem Deckmantel eines „Siegels“ zu neuer Akzeptanz zu verhelfen und immer mehr Palmölplantagen anzulegen. Für die Kritiker ist das Siegel eine Farce. 256 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt lehnen RSPO als Etikettenschwindel und reine Industrieveranstaltung ab. Denn am RundenTisch sitzen 336 Wirtschaftskonzerne. Und mit dem Siegel ist Regenwaldrodung keineswegs verboten. Soziale Aspekte und der Klimaschutz sind darin überhaupt nicht berücksichtigt. Gleich der erste RSPO-„zertifizierte“ Konzern, United Plantations in Malaysia, erwies sich als übler Regenwaldvernichter und ist in Landkonflikte verwickelt.

Auch Bundesregierung und EU setzen auf bürokratische „Nachhaltigkeitsverordnungen“ und neu gegründete „Siegel“. Doch europäische Richtlinien und deutsche Gesetze sind im  Regenwald von Indonesien, Malaysia, Papua-Neuguinea und Kolumbien wirkungslos. Außerdem: Industrielle Monokulturen können niemals nachhaltig sein. Für sämtliche Plantagen wurde der Regenwald gerodet, die Artenvielfalt vernichtet und massiv Kohlendioxid durch Brandrodung und Torfzersetzung freigesetzt. Und wer überprüft die sozialen Kriterien? Wer bezeugt, wie die Menschen von ihrem Land vertrieben werden, das ihnen seit Jahrtausenden gehört? Wer dokumentiert die Ausbeutung der Plantagenarbeiter?

„Die Regierung wirft Umweltschützern vor, die nationale Einheit zu stören und die indonesische Wirtschaftsentwicklung zu schädigen“, sagt Marianne Klute von der Organisation „Watch Indonesia!“, die sich für Demokratie, Menschenrechte und Umweltschutz einsetzt und den Menschen aus Indonesien in der westlichen Welt eine Stimme gibt. „Erst in der letzten Legislaturperiode hat sich die Regierung dazu durchgerungen, selbst eine Reihe von Umweltproblemen zu identifizieren. Ganz oben auf der Liste stehen die Verschlechterung des Zustandes des Waldes, die Zerstörung der Wasserschutzgebiete als Folge des illegalen Holzeinschlags und der Umwandlung von Wald in Plantagen bzw. Agrarflächen bis hin zu Wasser- und Luftverschmutzung.“

Im Oktober 2009 hat die indonesische Regierung deshalb ein neues „Gesetz über Schutz und Nutzung der Umwelt“ verabschiedet.

„Zum ersten Mal“, so Klute, „steht die Umwelt nicht mehr (allein) im Dienst der Wirtschaft, vielmehr sind Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung die Leitgedanken des neuen Gesetzes. Jetzt müssen für alle Raum-, Landschafts- und Wirtschaftsplanungen Umweltgutachten erstellt werden. Erst auf der Grundlage dieses Gutachtens soll in Zukunft Regionalplanung erfolgen. Wenn sich dieses Konzept in der Praxis bewährt, wäre das neue Umweltgesetz ein Meilenstein. Schützenswerte Ökoregionen werden theoretisch nicht mehr dem Wirtschaftswachstum geopfert; ökologische Dienstleistungen, die etwa ein intakter Wald liefert, sollen entsprechend honoriert werden. Ein Hintergedanke dabei ist, die globalen Modelle der Finanzierung von Walderhalt oder Kohlenstoffsenken auf nationaler Ebene legislativ zu begleiten und lokal in der Praxis zu verankern.“  

Doch die Indonesien-Expertin Marianne Klute kennt das Land und seine Regierungsbeamten zu genau, um in Euphorie zu verfallen. „Es gibt erstens das Gesetz und zweitens die Realität“, sagt sie. „Indonesien ist zwar schon ein Stück gegangen auf dem Weg zur Demokratie, doch das Gesetz kann scheitern an der Korruption und Machtgier in Politik und Wirtschaft.“ Und die Anerkennung der Menschenrechte, fügt Marianne Klute hinzu, fehlten in der indonesischen Gesetzgebung völlig – auf wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Ebene. „Die Vertreibungen der Menschen von ihrem Land, die Klärung der Landrechte überhaupt – diese Probleme sind noch nicht gelöst.“

Die Insel Sumatra, auf der die Entwicklung der industriellen Palmölgewinnung in Indonesien vor hundert Jahren begann, war der erste Hotspot der Regenwaldvernichtung. In der Provinz Jambi ist vom großen Urwald nichts mehr geblieben – 15 Prozent macht er noch aus, verteilt auf kleine Schutzinseln. Jambi ist fest in der Hand der Palmölkonzerne. „Es gibt hier nicht mehr genug Land, um Nahrungsmittel anzubauen“, sagt Feri Irawan von der Umweltschutzorganisation Walhi. Sie ist der indonesische Zweig von „Friends of the Earth“. „Früchte sieht man kaum noch auf den Märkten, das meiste wird importiert. Ein Kilo Litschis kostet mehr als ein Drittel eines Tageslohns. Und auch das Palmöl zum Kochen kann sich hier kaum noch jemand leisten. Der Weltmarkt hat die Preise in die Höhe getrieben.“


Palmöl macht krank

Palmöl besteht fast zur Hälfte aus gesättigten Fettsäuren, die hohe Cholesterinwerte und Herzkrankheiten verursachen können und als „Dickmacher “ verschrien sind. Daneben enthält Palmöl sogenannte Fettsäureester (3-MCPD- und Glycidol-Fettsäureester), die als krebserregend gelten. Vor allem bei raffiniertem Palmöl, einem Bestandteil von Säuglingsmilchnahrung, sind die Schadstoffkonzentrationen hoch. Auch die beliebten Nuss-Nougat- und Schokobrotaufstriche enthalten meist sehr viel Palmöl. Da die Gesundheitsgefahr von der aufgenommenen Menge und dem Körpergewicht abhängt, sind Kinder besonders gefährdet.

Die Tragödie in seiner Heimatprovinz hat den Ingenieur und Landvermesser Feri Irawan zum Aktivisten gemacht. Er wurde zur Schlüsselfigur im Kampf um die Landrechte und den Wald der Bevölkerung sowie gegen die Korruption, die den Regenwaldvernichtern die Türen öffnet.

„Erst wenn die Dörfer und Gemeinden Urkunden für ihr Land besitzen, das ihnen nach uralter Tradition sowieso gehört, können sie sich gegen den Diebstahl ihrer Wälder erfolgreich zur Wehr setzen“, sagt Feri. Und weil eine Landrechtsreform der Schlüssel ist, die letzten Urwälder zu bewahren, arbeiten die Walhi-Aktivisten für ein großes Ziel: Es soll in ganz Indonesien endlich Karten geben, in denen das Land aller Dörfer und Gemeinden verbindlich eingetragen und der Besitz durch Urkunden besiegelt wird. Der Weg dorthin ist steinig, doch das hält die Menschenrechtler nicht zurück: Vor einem Jahr erkämpften sie für die 5.000 Bewohner von Keluru erstmals eine Urkunde über den Bergwald, den das Dorf erfolgreich gegen alle Holzkonzerne verteidigt hatte. Keluru liegt ganz im Westen von Jambi, an der Grenze zum Kerinci-Nationalpark. „Es ist unser Musterdorf“, sagt Feri stolz, „und sein Beispiel soll Kreise ziehen.“

Die Regenwaldkämpfer riskieren ihre Gesundheit, ihre Freiheit und oft auch ihr Leben. Doch sie geben nicht auf, denn sie wissen: „Ohne Wald haben wir auch kein Leben.“


Der Artikel erschien zuerst in Hintergrund, Heft 1 – 2011.


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Christiane Zander lebt als freie Journalistin in Hamburg und schreibt für verschiedene Magazine und Kindermedien. Ihre Schwerpunkte sind Themen über die Natur(zerstörung) und die sozialen Lebensbedingungen der Menschen rund um den Globus – vor allem in den südlichen Ländern der Erde. Auf Borneo und Sumatra hat sie die Tragödie der Regenwaldbewohner miterlebt – und war tief beeindruckt von dem Einfallsreichtum, der Ausdauer und dem Mut, mit dem diese Menschen Tag für Tag um ihre Lebensgrundlage kämpfen.

Klaus Schenck, gelernter Tischler und studierter Diplom-Holzwirt, arbeitet seit 1999 als Wald- und Energiereferent für den Verein „Rettet den Regenwald“. Neun Jahre hat er in Südamerika gelebt und gearbeitet, davon fünf Jahre als Entwicklungshelfer im Regenwald bei Indianern in Ecuador, die von Holz- und Palmölplantagenfirmen bedroht sind.

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