Weltpolitik

Syrien: „Erste Effekte“ der Moskauer Waffenhilfe

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Während Russland seinen militärischen Einsatz in Syrien erhöht, werden die USA von ihren eigenen Kämpfern brüskiert –  

Von SEBASTIAN RANGE, 23. September 2015 –

Die Ausweitung der russischen Militärhilfe für die syrische Armee in ihrem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und andere Terrorgruppen zeigt erste positive Effekte. Laut Angaben syrischer Militärs kommen dabei auch kürzlich gelieferte russische Kampfjets zum Einsatz.  

„Mindestens fünf Kampfjets“ seien aus Moskau geliefert worden, zudem Aufklärungsflugzeuge, „die es uns erlauben, Ziele mit einer großen Genauigkeit zu identifizieren“, äußerte sich ein hochrangiger Militärangehöriger gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, der anonym bleiben wollte. (1)

Laut Aussagen syrischer Offiziere gegenüber dem britischen Guardian würden die Infanterieeinheiten nun mit russischen Satellitenbildern versorgt, die gezielte Schläge gegen Stellungen des „Islamischen Staates“ ermöglichten. „Die russischen Waffen zeigen ihre ersten Effekte“, so ein Offizier. (2)

Die syrische Luftwaffe setzte die neuen Kampfjets erstmals vergangene Woche bei Angriffen auf IS-Stellungen in al-Rakka ein, „Hauptstadt“ des „Islamischen Staates“ in Syrien.

Am Montag und Dienstag folgten Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz in der historischen Oasenstadt Palmyra. Dabei wurden nach Angaben der oppositionellen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 38 Dschihadisten getötet.

„Die Anzahl der Lufteinsätze steigt und die Schläge sind präziser“, kommentiert Rami Abdul Rahman, Direktor der Beobachtungsstelle, die dank der russischen Waffenhilfe gesteigerten Fähigkeiten der syrischen Luftwaffe.

US-Stellvertreter füllen al-Qaidas Waffenlager

„Die Russen mögen die Waffen liefern, aber wir werden diejenigen sein, die am Boden kämpfen“, sagte ein syrischer Offizier gegenüber dem Guardian.

Über den strategischen Vorteil der syrischen Armee, die Schläge aus der Luft mit den Truppen am Boden koordinieren zu können, verfügt die US-geführte Anti-IS-Koalition nicht.

Washingtons Versuche, sich mithilfe eines 500 Millionen US-Dollar schweren Ausbildungsprogramms eigene Bodentruppen in der Türkei heranzuzüchten, hat sich als Fiasko erwiesen.

Die Pläne, bis zum Jahresende dreitausend Kämpfer aus dem sogenannten moderaten Spektrum zu rekrutieren, muss  das Pentagon mittlerweile ad-acta legen. Die Zahl der bislang Rekrutierten dürfte nicht mehr als zweihundert betragen. Die „moderaten“ Kämpfer, die willens sind, gegen die IS-Dschihadisten ins Feld zu ziehen, lassen sich nicht auftreiben – die große Mehrheit der „Moderaten“ will lieber an der Seite der jeweiligen islamistischen Terroristen kämpfen, um den säkularen syrischen Staat zu zerschlagen.

Im Juli schickte das Pentagon erstmals die eigens ausgebildeten Kämpfer auf das Schlachtfeld. Doch die rund fünfzig Männer der „Division 30“ bekamen den eigentlichen Feind in Form des „Islamischen Staates“ gar nicht erst zu Gesicht. Nach Überqueren der türkisch-syrischen Grenze wurden sie von der sich zu al-Qaida bekennenden al-Nusra-Front aufgerieben. Rund zwei Dutzend Mitglieder der Division wurden getötet oder verwundet, mehrere gefangen genommen.

Nachdem vergangene Woche das US-Militär kleinlaut eingestehen musste, dass es derzeit in Syrien noch „vier oder fünf“ Männer gebe, die auf Geheiß der USA bereit seien, gegen den IS zu kämpfen (3), erfolgte am letzten Wochenende der zweite Anlauf des Pentagons, die eigens ausgebildeten Kämpfer in das arabische Land  zu entsenden – der ebenfalls desaströs endete.

Rund siebzig Kämpfer der „Division 30“ überquerten die Grenze nach Syrien, erneut ausgestattet mit modernen US-Waffen und Geländefahrzeugen – laut der bereits erwähnten Beobachtungsstelle handelte es sich um insgesamt zwölf mit Maschinengewehren ausgerüsteten Fahrzeugen. Wieder landeten die Waffen bei den al-Nusra-Terroristen, wie der Telegraph berichtete – doch dieses Mal ganz ohne Blutvergießen.

„Ein herber Schlag für Amerika…die neue Gruppe der Division 30, die gestern die Grenzen passierte, hat all ihre Waffen der al-Nusra übergeben, nachdem ihr freies Geleit zugesichert wurde“, zitiert die britische Zeitung aus einem al-Nusra-Tweet.

Die friedliche Übergabe sei Dank des Kommandeurs der Division, Anas Ibrahim Obaid, zustande gekommen. Dieser sei aber nicht einfach übergelaufen, sondern habe sich von vornherein nur an dem US-Programm mit der Absicht beteiligt, die Waffenlager der Aufständischen aufzufüllen. (4)

Wirklich überraschen kann diese Entwicklung nicht. Mitte August hatte die al-Nursa die zuvor gefangen genommen Mitglieder der „Division 30“ als „Geste guten Willens“ frei gelassen.

In einer Erklärung der Organisation wurden die al-Qaida-Kämpfer anschließend als „Brüder“ bezeichnet. Man befinde sich „auf einer Seite mit den heiligen Kriegern“, ließen die US-gesponserten „moderaten“ Terroristen verlauten. (5)

Auch wenn Washington die Berichte über den neuerlich Fehlschlag ihres Zöglings noch nicht bestätigt hat, so ist der Beweis dennoch praktisch erbracht, dass es in Syrien nicht ausreichend genug „moderate“ Terroristen gibt, um das Ruder in die gewünschte Richtung herumzureißen.

Entsprechend lauter werden im Washingtoner Machtestablishment und den US-Leitmedien die Stimmen, die darauf drängen, ein Bündnis mit den Aufständischen einzugehen, die mit al-Qaida liiert sind – allen voran die al-Nusra-Front und Ahrar al-Sham. (6)

Ausgerechnet mit dem Kampf gegen den Terror (des „Islamischen Staates“) wird der anvisierte Schulterschluss mit den al-Qaida-Terroristen gerechtfertigt. Er verfolgt jedoch den Zweck, den Sturz von Präsident Baschar al-Assad doch noch zu bewerkstelligen und den syrischen Staat zu zerschlagen. Jedoch hat Moskau den Preis für die „Regime Change“-Ambitionen nun in die Höhe getrieben. Hält der Westen an diesen Bemühungen fest, muss er einen politischen  Offenbarungseid leisten: Nur mit al-Qaida lässt sich dieses Ziel noch erreichen.


 

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Anmerkungen

(1) http://www.afp.com/en/news/moscow-sends-new-arms-signs-grow-shift-syria-war/
(2) http://www.theguardian.com/world/2015/sep/22/syria-confirms-receipt-russian-jets-isis
(3) http://www.nytimes.com/2015/09/17/world/middleeast/isis-isil-syrians-senate-armed-services-committee.html?_r=0
(4) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/syria/11882195/US-trained-Division-30-rebels-betrayed-US-and-hand-weapons-over-to-al-Qaedas-affiliate-in-Syria.html
(5) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/syria/11806496/US-trained-Syria-rebels-do-a-deal-with-al-Qaeda-linked-group.html
(6) http://www.heise.de/tp/artikel/46/46060/1.html
 Siehe dazu auch: http://www.hintergrund.de/201505083534/globales/kriege/schuetzenhilfe-fuer-al-qaidas-siegeszug.html

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