Massentauglich inszeniert
Vor 90 Jahren verbrannten die Nazis Bücher missliebiger Autoren. Es gab wenig Widerstand. Jürgen Pelzer erinnert an das Ereignis und seinen Kontext.
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Es bleibt die Frage, wie die Bücherverbrennung historisch einzuordnen ist. Wie soll man ihrer heute gedenken? Welche Lehren lassen sich aus ihr ziehen? Besonders beschämend ist sicher auch im nachhinein die Teilnahme rechtskonservativer und faschistischer Professoren (vor allem von Germanisten), die an diesem »Stichtag der Barbarei« mitmachten, ihre Talare anlegten und zum Teil Reden im Stil von Goebbels hielten. Auch der Freiburger Universitätsrektor und Philosoph Martin Heidegger war im Juni 1933 – die Freiburger Feier hatte verschoben werden müssen – bereit, die Flamme des Scheiterhaufens zu besingen, die »uns den Weg zeigen« solle, »von dem es kein Zurück« gebe. Beschämend ist ferner der Mangel an Protest. Nur wenige Universitätsrektoren widersetzten sich den »Säuberungsmaßnahmen«, denen verdienstvolle Wissenschaftler und ganze Bibliotheksbestände zum Opfer fielen. Wie bereits 1914 sollte sich erneut zeigen, welchen niedrigen Grad an Zivilität und Toleranz an den deutschen Universitäten vorausgesetzt werden konnte. Dabei waren die Geschehnisse in Berlin nur die Spitze des Eisbergs; in den folgenden Wochen sollten noch zahlreiche weitere Bücherverbrennungen stattfinden. Obendrein sind die Opfer nicht zu vergessen, Autoren, Journalisten, Politiker, die öffentlich gedemütigt, in Konzentrationslager verschleppt, gefoltert, ermordet oder in ein höchst prekäres Exil vertrieben wurden. Die Bücherverbrennung selbst hatte natürlich die Wirkung, dass die besten Schriften der intellektuellen Elite jahrelang nicht verfügbar waren. Wer verbotene Bücher besaß, musste mit Strafen oder Schlimmerem rechnen.
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