Probten US-Regierung und Militär den Ernstfall?

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Spezielles Kommunikationssystem wurde einen Tag vor den 11. September-Anschlägen in Betrieb genommen –

Von REDAKTION, 11. Januar 2011 –

Ein spezielles Backup-Netzwerk, das die Kommunikation zwischen Regierungsbehörden und dem Militär während eines Katastrophenfalls ermöglichen soll, war „wundersamerweise“ einen Tag vor dem 11.September 2001 in Betrieb genommen worden und somit schon funktionsbereit, als sich die Terror-Attacken in New York und am Pentagon ereigneten. Aus unbekannten Gründen wurde der Special Routing Arrangement Service (SRAS) am 10. September in den „Übungsmodus“ (exercise mode) gesetzt und konnte daher am folgenden Tag genutzt werden, als der nationale Notstand eintrat, für den der Dienst konzipiert worden war.

Der SRAS liegt in der Verantwortung einer wenig bekannten Behörde namens National Communications System (NCS), welche daran arbeitet, wichtige Telekommunikation während eines Notfalls aufrecht zu erhalten. Die Behörde spielte eine entscheidende Rolle bei der Reaktion der Regierung auf die Attacken, indem sie behilflich war, die Kommunikationsnetzwerke wieder herzustellen und in Betrieb zu halten. Außerdem steht der SRAS in Verbindung mit dem  Continuity of Government-Programm, welches erstmals während der Angriffe aktiviert wurde.

SRAS am 10. September in den „Übungsmodus“ gesetzt

Brenton Greene, damals Direktor des NCS, sagte gegenüber der 9/11-Kommission, dass am 10. September 2001 „das SRAS-System auf wundersame Weise auf den Übungsmodus gestellt wurde und daher am 11. September einsatzbereit war“. Als das NCS  zur Unterstützung der Regierung angefordert wurde, war der „SRAS bereits im Übungsmodus und betriebsbereit“. (1)

Der SRAS unterstützt das höchst geheime Continuity of Government (COG)-Programm, welches errichtet wurde, um die Regierung im Falles eines Angriffs auf die USA funktionsfähig zu halten. (2) Die Einbindung des NCS in das COG-Programm war einer der drei Schwerpunkte der Behörde. Wie Greene gegenüber der 9/11-Kommission sagte, „müssen die Hauptkommunikationssysteme des Landes funktionieren oder niemand kann kommunizieren.“ (3) Der SRAS stellt „einen Behelf zur Kontinuität der Operationen dar, indem er überlebensfähige Kommunikations-Verknüpfungen zwischen Endnutzern aus Regierung und Militär über öffentliche Netzwerke bereitstellt“, heißt es in einer Veröffentlichung des Heimatschutzministeriums. (4)

Greene beschrieb offenbar den SRAS, als er gegenüber der 9/11-Kommission angab: „Es gibt ein separates Netzwerk, welches das National Coordinating Center und die wichtigsten Betreiber und Netzwerke als Backup verlinkt.“ (Das National Coordinating Center in Airlington, Virginia, ist der „operative Arm“ des NCS.) Dieses Netzwerk „bewies am 11.9. seinen Nutzen als separates Bindeglied, welches den Gebrauch der Netzwerke zwischen den Operationszentren koordinierte, als die (Telekommunikations-)Netzwerke ausgelastet waren“. Außerdem sagte Greene, „für eine Situation, in der das Continuity of Government-Programm ins Spiel kommt“, wie es am 11. September der Fall war, „gibt es ein Kommunikationssystem, bei dem niemand die Lage der Gesprächsteilnehmer zurückverfolgen kann“. (5)

War das NCS in die Übungsmanöver am 11. September eingebunden?

Offenbar gab Greene gegenüber der 9/11-Kommission nicht an, warum der SRAS am 10. September in den „Übungsmodus“ versetzt wurde. Aber eine mögliche Erklärung, die untersucht werden sollte, ist die, dass das NCS planmäßig am 11. September an Übungsmanövern teilnehmen sollte. Wir wissen, dass im Jahr 2001 das NCS dem Verteidigungsministerium unterstellt war. (6) Und von verschiedenen US-Militär-Dienststellen ist bekannt, dass sie am Morgen des 11. September Manöver durchführten. Beispielsweise führte das North American Aerospace Defense Command (NORAD) eine jährliche Übung namens „Vigilant Guardian“ durch. (7) Und das United States Strategic Command (Stratcom) hielt seine jährliche Übung mit dem Namen „Global Guardian“ ab. (8) Hat das NCS möglicherweise an einer dieser Übungen oder einer anderen  teilgenommen?

Außerdem ist es bemerkenswert, dass die CIA am 11. September um 8 Uhr morgens in einer „sicheren Anlage außerhalb Washingtons“ eine Lagebesprechung durchführte, in der die terroristische Bedrohung für Amerikas Telekommunikations-Infrastruktur diskutiert wurde. Neben Brenton Greene nahmen an der Besprechung Repräsentanten von sieben anderen Bundesbehörden und von mehr als 40 Technologie- und Kommunikationsunternehmen teil. Bei den Repräsentanten aus dem privaten Sektor handelte es sich ausschließlich um „leitende Angestellte ihrer Unternehmen, die alle über eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Regierung verfügten, die  ihnen Zugang zu den sensibelsten Geheimdienstdaten“ in Bezug auf die Bedrohung der nationalen Telekommunikations-Infrastruktur  gewährte, so der Journalist und Autor  Dan Verton. Die während der Besprechung diskutierten Themen umfassten die wachsende terroristische Bedrohung für die Telekommunikations-Infrastruktur, die Fähigkeit zur Informations-Kriegsführung anderer  Nationen und die Möglichkeit eines strategischen Cyber-Angriffs durch eine andere Nation oder eine terroristische Gruppe auf entscheidende Stellen der Infrastruktur der USA. (9)

Wenn man bedenkt, dass der Special Routing Arrangement Service des NCS am 10. September in den „Übungsmodus“ gesetzt wurde und die diskutierten Themen berücksichtigt, könnte es dann sein, dass die Lagebesprechung als Einführung in ein Trainingsmanöver diente und sich die Teilnehmer möglicherweise auf ein Szenario vorbereiteten, welches einen Angriff auf die Telekommunikations-Netzwerke simulierte?

Am 11. September wurde zum ersten mal das Continuity of Government-Programm aktiviert

Continuity of Government ist ein Programm, welches auf den kalten Krieg zurückgeht und zum  Ziel hat, das Funktionieren der Regierung im Fall eines Angriffs auf die Vereinigten Staaten zu gewährleisten. Während der 1980er Jahre bereitete man sich auf einen möglichen atomaren Angriff der Sowjetunion vor, aber während der 1990er Jahre wurde der Schwerpunkt stattdessen auf die Möglichkeit eines terroristischen Angriffs auf die USA gelegt.

Angesichts dessen, dass der SRAS das COG-Programm unterstützt, indem er „überlebensfähige Kommunikations-Verknüpfungen zwischen Endnutzern aus Regierung und Militär“ bereitstellt,  ist es beachtenswert, dass hochentwickelte Kommunikationsmethoden eine wichtige Rolle im COG-Programm spielten. In den 1980er Jahren wurde beispielsweise ein Großteil des mehrere hundert Millionen US-Dollar großen Budgets „in fortgeschrittene Kommunikationsausrüstung gesteckt, welche es den (ins COG-Programm eingebundenen) Teams erlaubt, mit Befehlshabern der US-Armee sicher zu kommunizieren,“ so der Journalist und Autor James Mann.

Hinzu kommt, dass drei der Schlüsselfiguren des COG-Programms während der 1980er und 1990er Jahre am 11. September entscheidende Positionen in der US-Regierung besetzten. Diese Individuen – Dick Cheney, Donald Rumsfeld und Richard Clarke – waren der Vizepräsident,  der Verteidigungsminister sowie der Anti-Terror-Berater des Weißen Hauses während der Anschläge. (10) David Addington, Cheneys Rechtsberater im Jahr 2001, war ebenfalls in das COG-Programm involviert. (11)

Es ist des Weiteren bemerkenswert, dass das COG-Programm während der 9/11-Attacken offenbar zum ersten mal überhaupt in Kraft gesetzt wurde . Richard Clarke sagte, dass er ungefähr um 9.45 Uhr oder kurz darauf den Befehl zur Aktivierung des Programms gab. (12) Gegenüber ABC News sagte er: „Am Morgen des 11. September wurde das gesamte Continuity of Government-Programm in Kraft gesetzt. Jede Bundesbehörde wurde angewiesen, einen alternativen Befehlsstand, ein alternatives Hauptquartier außerhalb Washingtons einzurichten und so schnell wie möglich zu besetzen.“ (13)

Angesichts dessen, dass der SRAS als Unterstützung des COG-Programms vorgesehen war, war es – gelinde gesagt – äußerst zweckdienlich, dass der Dienst bereits am 11. September einsatzbereit war und unverzüglich von denen genutzt werden konnte, die in das COG-Programm eingebunden waren, als es aktiviert wurde.

Die Reaktion des NCS auf die 9/11-Attacke

Das National Communications System, welches für den Special Routing Arrangement Service verantwortlich ist, ist eine relativ kleine Behörde, die 1963 gegründet wurde. (14) Während der Zeit der 9/11-Attacke bestand sie aus 22 Bundesbehörden, 100 zivilen Vollzeit-Angestellten und 10 Angestellten aus dem Militär. (15)

Das NCS spielte eine entscheidende Rolle in Folge der 9/11-Attacken, als die durch die Angriffe  verursachten Schäden laut Brenton Greene „zur größten Herausforderung für das nationale Kommunikationssystem führten, die es jemals erlebt hat“. (16) In Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen stellte es „schnell Ressourcen auf nationaler, staatlicher und lokaler Ebene in einem nie zuvor dagewesenen Ausmaß zusammen, um die Reaktion (auf die Anschläge) zu unterstützen“.
Es ist davon auszugehen, dass die Notfallbemühungen des NCS davon profitierten, dass der SRAS bereits einsatzbereit war, als sich die Attacken ereigneten. Wie bereits angemerkt, ist der SRAS in das COG-Programm eingebunden. In Reaktion auf die Attacke operierte das National Coordinating Center des NCS an vier Standorten. (17) Greene sagte, dass er sich zum Continuity of Government-Standort begab, wo das Personal rund um die Uhr den Status der Telekommunikations-Netzwerke überwachte und Prioritäten und Reparaturen koordinierte. (18)

Regierungsbehörden erlebten am 11. September Kommunikationsprobleme

Es wurde so wenig über das National Communications System und den  Special Routing Arrangement Service und deren Rolle am 11. September berichtet, dass viele wichtige Fragen unbeantwortet bleiben. Zum Beispiel, welche Fähigkeiten hat der SRAS ermöglicht? Und wie wurden diese vor, während und nach den Attacken des 11. Septembers genutzt? Warum wurde der SRAS einen Tag vor 9/11 in den Übungsmodus gesetzt?

Der Bedarf einer Untersuchung der Rolle des NCS und der SRAS erscheint um so dringlicher angesichts der Tatsache, dass Kommunikationsschwierigkeiten ein signifikantes Problem für die Regierungsbehörden in ihrer Reaktion auf die 9/11-Attacke darstellten. Tatsächlich „malt ein als geheim eingestufter Bericht kein gutes Bild von den Krisenmanagement-Fähigkeiten der Regierung (am 11. September)“, so Dan Verton. Ein Regierungsbeamter sagte, „die Nation war über weite Teile des schrecklichen Tages im September ‘taub, stumm und blind’“. (19)


Der Artikel erschien im Original am 10. Januar 2011 unter dem Titel Backup Communications System Was ‘Miraculously’ Switched on for ‘Exercise Mode’ and Ready for Use on 9/11 bei 911blogger.com.

Übersetzung: Hintergrund


Anmerkungen

(1) “Memorandum for the Record: Interview of Brenton C. Greene.” 9/11 Commission, 16.März 2004; http://media.nara.gov/9-11/MFR/t-0148-911MFR-00590.pdf

(2) House Select Committee on Homeland Security, The Department of Homeland Security’s Information Analysis and Infrastructure Protection Budget Proposal for Fiscal Year 2005: Prepared Opening Statement of General Frank Libutti, Under Secretary for Information Analysis and Infrastructure Protection, Department of Homeland Security. 108th Cong., 2nd sess., 4. März 2004.  http://ftp.resource.org/gpo.gov/hearings/108h/22589.txt

(3) “Memorandum for the Record: Interview of Brenton C. Greene.”
http://media.nara.gov/9-11/MFR/t-0148-911MFR-00590.pdf

(4) David M. Barron, J. M. Hickey, and Dan Bart, Communications: Critical Infrastructure and Key Resources Sector-Specific Plan as Input to the National Infrastructure Protection Plan. Washington, DC: Department of Homeland Security, Mai 2007, S. 106.  http://www.dhs.gov/xlibrary/assets/nipp-ssp-communications.pdf

(5) “Memorandum for the Record: Interview of Brenton C. Greene.”
http://media.nara.gov/9-11/MFR/t-0148-911MFR-00590.pdf

(6) Ebd.

(7) “Conversation With Major General Larry Arnold, Commander, 1st Air Force, Tyndall AFB, Florida.” Code One, January 2002; 9/11 Commission, The 9/11 Commission Report: Final Report of the National Commission on Terrorist Attacks Upon the United States. New York: W. W. Norton & Company, 2004, S. 458; William M. Arkin, Code Names: Deciphering U.S. Military Plans, Programs, and Operations in the 9/11 World. Hanover, NH: Steerforth Press, 2005, S. 545.
http://web.archive.org/web/20031121154045/http:/www.codeonemagazine.com/archives/2002/articles/jan_02/defense/

(8) Joe Dejka, “Inside Stratcom on Sept. 11 Offutt Exercise Took Real-Life Twist.” Omaha World-Herald, 27. Februar 2002; Joe Dejka, “When Bush Arrived, Offutt Sensed History in the Making.” Omaha World-Herald, 8. September 2002.
http://web.archive.org/web/20050206084541/http:/close.batcave.net/GlobalGuardian.html

(9) Dan Verton, Black Ice: The Invisible Threat of Cyber-Terrorism. Emeryville, CA: McGraw-Hill/Osborne, 2003, S. 135-139.
http://www.mhprofessional.com/downloads/products/0072227877/0072227877_ch07.pdf

(10) CBS News, 11. September 2001; http://www.youtube.com/watch?v=sMfjZVJK_x0

James Mann, “The Armageddon Plan.” The Atlantic, March 2004; http://www.theatlantic.com/doc/200403/mann

Howard Kurtz, “‘Armageddon’ Plan Was Put Into Action on 9/11, Clarke Says.” Washington Post, 7. April 2004;  http://www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn/A55877-2004Apr6

“Worst Case Scenario: Secret Plan to Control U.S. Government After an Attack Went Into Motion on 9/11.” ABC News, 25. April 25 2004;
http://web.archive.org/web/20040429063810/http:/abcnews.go.com/sections/Nightline/Politics/armageddon_plan_040425.html

Andrew Cockburn, Rumsfeld: His Rise, Fall, and Catastrophic Legacy. New York: Scribner, 2007, S. 84-88.
http://web.archive.org/web/20040429063810/http:/abcnews.go.com/sections/Nightline/Politics/armageddon_plan_040425.html

(11) Jane Mayer, “The Hidden Power.” New Yorker, 3. Juli 2006; Jane Mayer, The Dark Side: The Inside Story of How the War on Terror Turned Into a War on American Ideals. New York: Doubleday, 2008, S. 49.
http://www.newyorker.com/archive/2006/07/03/060703fa_fact1?printable=true

(12) Richard Clarke, Against All Enemies: Inside America’s War on Terror. New York: Free Press, 2004, S. 8; 9/11 Commission, The 9/11 Commission Report, S. 38.

(13) “Worst Case Scenario: Secret Plan to Control U.S. Government After an Attack Went Into Motion on 9/11.”
http://web.archive.org/web/20040429063810/http:/abcnews.go.com/sections/Nightline/Politics/armageddon_plan_040425.html

(14) Dan Verton, Black Ice, S. 136;
http://www.mhprofessional.com/downloads/products/0072227877/0072227877_ch07.pdf
“Background and History of the NCS.” National Communications System, n.d., http://www.ncs.gov/about.html

(15) Dan Verton, “At NCS, the Focus is on Telecom Preparedness.” Computerworld, 7. November 2002.
http://www.computerworld.com/s/article/print/75699/At_NCS_the_focus_is_on_telecom_preparedness?taxonomyName=Networking&taxonomyId=16

(16) Dan Verton, Black Ice, S. 151.
http://www.mhprofessional.com/downloads/products/0072227877/0072227877_ch07.pdf

(17) 40th Anniversary: Forty Years of Service to the Nation: 1963-2003. National Communications System, 2004, S. 56.
http://www.ncs.gov/library/pubs/40Anniversary/NCS_40th_Anniversary_Book%20-%20Final.pdf

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(18) “Memorandum for the Record: Interview of Brenton C. Greene.”
http://media.nara.gov/9-11/MFR/t-0148-911MFR-00590.pdf

(19) Dan Verton, Black Ice,  S. 150-151; siehe auch “‘Deaf, Dumb, and Blind’: Were Communications Sabotaged on 9/11?” Shoestring 9/11, 19. Oktober 2007.
http://shoestring911.blogspot.com/2007/10/deaf-dumb-and-blind-were-communications.html

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