Film / Fernsehen

Klamauk und Oberflächlichkeit: „Nacht über Berlin“ im Fernsehen

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Eine Kritik von WOLFGANG BITTNER, 21. Februar 2013 –

In Erinnerung an den Reichstagsbrand und die Machtübernahme der Nazis vor achtzig Jahren zeigte das Erste Deutsche Fernsehen den Film „Nacht über Berlin“, ein „historisches Drama“ – wie es heißt –, das der Regisseur und Mitautor des Drehbuchs, Friedemann Fromm, aufwändig in Szene gesetzt hat. Fromm erhielt viele Vorschusslorbeeren, doch entstanden ist ein problematisches TV-Event, gut gemeint und dennoch missglückt, zum Teil peinlich.

Anspruch verfehlt? Der TV-Film “Nacht über Berlin” mit Anna Loos und Jan Josef Liefers am 20. Februar in der ARD enttäuschte.  Wer dennoch die Wiederholung sehen möchte, kann das am Sa. 23.02.,  20:15-22:05 Uhr bei Einsfestival.

Hauptpersonen sind der jüdische Arzt Albert Goldmann, gespielt von Jan Josef Liefers, und die exzentrische Henny Dallgow, Chansonnière aus reichem Haus, gespielt von Anna Loos (Liefers‘ Ehefrau). Aus Dänemark kommend, treffen sie sich im Zug, und Albert Goldmann wird unter dem Verdacht verhaftet, Kurierdienste für seinen kommunistischen Bruder zu leisten. Er lässt eine in seine Mütze eingenähte Nachricht bei Henny Dallgow im Zug zurück; ganz allmählich bahnt sich eine Beziehung an, die vor dem Hintergrund des zunehmenden Nazi-Terrors und des Reichstagsbrandes spielt.

Bedauerlicherweise verfehlt der Regisseur Friedemann Fromm sowohl seinen künstlerischen wie auch seinen politischen Anspruch. Aus Tragik wird Albernheit, aus Spaß Klamauk, aus Ansätzen von Humor wird Kitsch, aus Grauen Unterhaltung; politische Ereignisse wie der Reichstagsbrand werden verwurstet. Zwar stimmen die Kulissen der Reichshauptstadt einigermaßen, hin und wieder auch die Leistungen der Schauspieler, die sich bemühen. Aber sie spielen nur, es fehlt die Tiefe. Sie spielen Nazis, Kommunisten, Juden, Arzt, Politiker, Chansonnière, sie spielen Freude, Liebe, Angst und Wut. Mehr nicht, und das ist viel zu wenig für das anspruchsvolle Thema.

Ein Teil des Problems scheint zu sein, dass Filmregisseure inzwischen ihre Drehbücher (ebenso wie Theatermitarbeiter ihre Stücke) gerne selber schreiben, obwohl sie es nicht können. Die Szene bläst sich auf, der Berg kreißt und heraus kommt eine Maus. Vergeblich versucht Friedemann Fromm seinem Streifen mit Slapstick-Einlagen, Geträller, Aufmärschen, Liebes- und Gewaltszenen Farbe zu geben.

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Auch der sonst hin und wieder überzeugende Jan Josef Liefers wirkt in seiner Opferrolle unglaubwürdig. Dass Albert Goldmann in den Reichstagsbrand verstrickt und anschließend im Gestapo-Keller gefoltert und erschossen wird, erscheint konstruiert, seltsam aufgesetzt, noch dazu wenn der Film mit der Folterszene im Gestapo-Keller beginnt. Es stimmt eigentlich kaum etwas, weder die Darstellung der historischen politischen Verhältnisse, wobei sich Fromm um „Ausgewogenheit“ bemüht, noch die Atmosphäre, in der die Hauptfiguren agieren. Alles wirkt irgendwie schräg, oberflächlich und falsch.

Sehr sinnvoll die der Ausstrahlung folgende halbstündige Dokumentation der ARD „Nacht über Deutschland“ von Jürgen Ast und Kerstin Mauersberger, in der die historischen Ereignisse konzentriert und realistisch dargestellt wurden. Das hat vieles gerade gerückt und einiges an Frust abgefangen.

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