Zweiter Weltkrieg

Der 8. Mai 1945 war die Konsequenz des 22. Juni 1941

Der Sieg über den deutschen Faschismus vor 80 Jahren ist nicht zu verstehen ohne die Vorgeschichte des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion. Und er hat Folgen, die bis heute nachwirken.

1745153431

Sowjetisches Ehrenmal in Berlin
Foto: Rumen Milkow, Mehr Infos

Der 8. Mai, der „Tag der Befreiung“, war in der BRD oft ein umstrittenes Datum. Das ist in gewissem Sinne auch nach der
deutschen Vereinigung von 1990 so geblieben. Dabei ist die historische Bewertung oft auf die jeweilige geistige und politische Lage in Deutschland, letztlich den aktuellen Geisteszustand und die Ambitionen der sogenannten politischen Klasse zu beziehen.

So hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 75. Jahrestag, am 8. Mai 2020 eine eher geschäftsmäßige Rede zur aktuellen Politik gehalten. Das Wort „Befreiung“ hatte er insgesamt neunmal benutzt. Am Anfang der Rede der Satz: „Der 8. Mai war das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, das Ende von Bombennächten und Todesmärschen, das Ende beispielloser deutscher Verbrechen und des Zivilisationsbruches der Schoah.“ Damit hatte er scheinbar erst einmal alles aufgezählt, was zum derzeitigen Katechismus offizieller deutscher Geschichtsanrufung gehört. Aber wie hat er das gesagt? Steinmeier stellte die Naziherrschaft und ihre Ergebnisse gleichrangig nebeneinander. Zur Entstehung der Naziherrschaft sagte er nichts.

Bei Steinmeier wurde nur von „nationalsozialistischer Gewaltherrschaft“ geredet, ohne sie in den Zusammenhang des Krieges zu stellen. Zugleich steht sie auf einer Ebene mit den „Bombennächten“, unter denen die deutsche Zivilbevölkerung litt, und den „Todesmärschen“, zu denen die verbliebenen KZ-Häftlinge auf Befehl deutscher Militärs und Polizisten befohlen wurden. Ursachen und Folgen, Opfer und Täter sind anonymisiert vermischt. Das verstärkt Steinmeier nochmals, wenn er den Deutschen ihre Opferrolle zuweist: „Hunger, Flucht, Gewalt, Vertreibung“ – nun losgelöst von den Ursachen, die von dem 30. Januar 1933 kommen, und den vorn genannten „beispiellosen deutschen Verbrechen und des Zivilisationsbruches“. Reduziert sich der Zivilisationsbruch eigentlich auf die Schoah, oder gilt er ebenso für die Ermordung von Millionen slawischer Menschen, Russen, Polen, Weißrussen und anderen? Was ist mit den 1,4 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die die Deutschen bereits 1941/42 absichtsvoll verhungern ließen? Nach dem auch damals geltenden Kriegsvölkerrecht hätten sie Anspruch auf lebenserhaltende Unterbringung und Ernährung gehabt.

Von der Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai 1985 wird heute noch gesprochen, als einem Meilenstein im Selbstverständnis deutscher Geschichte. Weizsäcker hatte ausdrücklich betont: „Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.“

Zur Vorgeschichte

Zum 22. Juni 1941, dem Tag, an dem Hitlerdeutschland und seine Satelliten die Sowjetunion überfielen, hatten die Deutschen alles an Truppen zusammengezogen, was sie nicht für Besatzungszwecke in anderen Teilen Europas, die sie zuvor erobert hatten, für unabkömmlich hielten. Zum Überfall waren 5,5 Millionen Mann, über 47.000 Geschütze und Granatwerfer, 4.300 Panzer und Sturmgeschütze und etwa 5.000 Kampfflugzeuge bereitgestellt worden. Die 153 deutschen Divisionen wurden von größeren Verbänden Italiens, Rumäniens, Finnlands, Ungarns und der Slowakei unterstützt. Das war die größte Aggressionsarmee, die es bis dahin in der Weltgeschichte gegeben hatte. Militärhistoriker haben die Zahlen und Fakten mehrfach hin- und hergewendet, Kriegsplanungen und -verläufe analysiert. Im Hintergrund steht allerdings die Frage, wie die Deutschen überhaupt auf die Idee kommen konnten, Russland oder die Sowjetunion besiegen zu können.

Den vollständigen Text lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 5/6 2025 unseres Magazins, das im Bahnhofsbuchhandel, im gut sortierten Zeitungschriftenhandel und in ausgewählten Lebensmittelgeschäften erhältlich ist. Sie können das Heft auch auf dieser Website (Abo oder Einzelheft) bestellen.

ERHARD CROME (Jg. 1951) hat am Institut für Internationale Beziehungen in Potsdam-Babelsberg studiert. 1987 Habilitation. Von 2002 bis 2016 Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Geschäftsführender Direktor des Welt-Trends-Instituts für Internationale Politik, Potsdam. Der Politikwissenschaftler publizierte in Verlagen der Eulenspiegel-Verlagsgruppe mehrere Bücher.

Newsletter

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Der Hintergrund-Newsletter

Wir informieren künftig einmal in der Woche über neue Beiträge.

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Abo oder Einzelheft hier bestellen

Seit Juli 2023 erscheint das Nachrichtenmagazin Hintergrund nach dreijähriger Pause wieder als Print-Ausgabe. Und zwar alle zwei Monate.

Hintergrund abonnieren

Drucken

Drucken

Teilen

Voriger Artikel Interview Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wachhalten
Nächster Artikel Kriegsspiele Sowjetunion im Visier: Planspiele nach dem Zweiten Weltkrieg