Kriege

Hetz-Kampagnen gegen Russland

Die Beispiele Odessa und Butscha

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Friedens-Demo am 2. August 2025 in Berlin; Foto: Rumen Milkow
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Die Schuld am Ukraine-Konflikt und dem daraus entstandenen Krieg wird ausschließlich Russland, namentlich dessen Staatspräsident Wladimir Putin angelastet. Kein Wort zu den jahrelangen Umsturzbemühungen westlicher Geheimdienste, Regierungsstellen und NGOs, obwohl deren subversive Tätigkeit erwiesen ist. In Umkehrung der Fakten war aus Washington und Berlin zu hören, Putin breche ständig internationales Recht, er belüge die Weltöffentlichkeit und provoziere den Westen. Spätestens seit dem Maidan-Putsch wurde die sogenannte Vierte Gewalt zum Sprachrohr der Kriegsrhetorik der USA und der NATO mit einer verheerenden Wirkung. Zwei Beispiele mögen das verdeutlichen.

Odessa 2014

Nachdem in Kiew im Februar 2014 der von auswärtigen Kräften lange vorbereitete Regime Change stattgefunden hatte und dort Nationalisten und Bandera-Faschisten an die Macht gekommen waren, fanden in mehreren ukrainischen Städten antirussische Aufmärsche statt, die vom Kiewer Regime und deren Anhängern als „Marsch der Einheit“ organisiert wurden, so auch Anfang Mai 2014 in Odessa. Dagegen wandten sich prorussische Demonstranten, die sich ihre Muttersprache nicht verbieten lassen wollten, und dabei kam es mit den aufmarschierten Nationalisten und Faschisten zu Straßenschlachten mit zahlreichen Verletzten. Als sich ein Teil der Demonstranten in das Gewerkschaftshaus flüchtete, zündeten die Verfolger das Gebäude an, wobei 42 Menschen verbrannten oder aus den Fenstern sprangen und totgeschlagen wurden. Die Polizei griff nicht ein, und die Feuerwehr begann erst 40 Minuten nach dem Brandbeginn mit dem Löschen, obwohl die Station nur wenige hundert Meter entfernt ist. Insgesamt starben bei den Auseinandersetzungen 48 Menschen, mehr als 250 wurden verletzt. 1

Über die Morde wurde in den westlichen Medien eher beiläufig und zumeist heuchlerisch berichtet, und die Kiewer Regierung spielte das Geschehen herunter. Bis auf einen Täter, der einen Demonstranten erschossen hatte, wurde niemand zur Verantwortung gezogen, denn die Führungspositionen von Polizei, Geheimdienst und Innenministerium waren gleich nach dem Putsch mit Nationalisten, Faschisten und Mördern besetzt worden, die jegliche Aufklärung verhinderten, so auch die Morde auf dem Maidan-Platz. Polizeichef von Kiew wurde Wadim Trojan, ehemaliger Kommandeur des faschistischen Asow-Bataillons, dessen Kämpfer zum Teil SS-Runen oder Hakenkreuze an den Stahlhelmen trugen.

In Odessa hatte sich gezeigt, wie die Situation in der Ukraine nach dem gewaltsamen Sturz des gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch wirklich aussah. Während sich westliche Politiker und Medien mit Lobeshymnen für die neuen Kiewer Machthaber übertrafen, hatten Nationalisten und Extremisten, die in Verbindung mit Geheimdiensten und NGOs standen, in wenigen Wochen die gesamte Ukraine, ausgenommen die Krim und die Oblasten Donezk und Lugansk, unter ihre Kontrolle gebracht. Faschistische Schlägertrupps und Milizen terrorisierten die Bevölkerung, viele Oppositionelle wurden ermordet oder flüchteten ins Ausland. 2 Zwar waren an dem Maidan-Aufstand anfangs viele Menschen beteiligt, die einen Anschluss an die Europäische Union wollten, aber von denen hatten sich die meisten wegen der zunehmenden Gewalt schon bald zurückgezogen.

In Odessa, wie überhaupt in der Süd- und Ostukraine, sprechen viele Menschen Russisch. Die Grenze zu Russland war offen, oft verlief sie mitten durch Ortschaften, und zwischen Ukrainern und Russen wurde nicht unterschieden. Dieser Teil der Bevölkerung wurde durch das Massaker von Odessa in Angst und Schrecken versetzt. Aber darüber berichteten die westlichen Medien nicht, das passte nicht zur Propaganda, wonach das Kiewer Regime für Demokratie und westliche Werte einträte.

Insofern ist die Berichterstattung über die Morde in Odessa ein Beispiel dafür, wie von voreingenommenen Politikern und Journalisten durch Verschweigen, Verfälschungen und Lügen Meinungen manipuliert und antirussische Propaganda verbreitet wurde. Die Hintergründe wurden nicht erwähnt. Dutzende Menschen starben bei einem Feuer, hieß es zumeist in den Medien; wer den Brand gelegt hatte, blieb im Dunkeln. Ein bedauerlicher Einzelfall sei es gewesen, eine Tragödie, eigentlich verursacht von prorussischen Separatisten, die aus Russland gesteuert wurden.

Auf die Frage, was 2014 in Odessa geschah, lautet bei Wikipedia elf Jahre danach immer noch die Antwort entsprechend der zunehmenden geschichtlichen Umdeutung: „Die Kämpfe begannen mit einem Angriff prorussischer Aktivisten auf einen pro-ukrainischen ‚Marsch der Einheit‘ und endeten tragisch, als ein Gewerkschaftshaus, in welchem sich prorussische Personen versteckt hatten, in Brand geriet.“ 3

Nach dem Odessa-Massaker wurde die antirussische Propaganda der Kiewer Machthaber und ihrer westlichen Unterstützer immer hemmungsloser. Die Inszenierung des neuen Ost-West-Konflikts und der Ukraine-Krise durch die USA wurde verschwiegen, und sie wird auch nach der Übernahme der US-Präsidentschaft durch Donald Trump nicht thematisiert.

Am 13. März 2025 hat nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein seit Jahren anhängiges Verfahren zu den Vorfällen in Odessa am 2. Mai 2014 durch Urteil abgeschlossen. Darin wird ein Fehlverhalten der Behörden festgestellt, das „über eine bloße Fehleinschätzung oder Nachlässigkeit“ hinausgegangen sei. 4 Feuerwehr, Polizei und andere Stellen hätten gegen Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, weil sie nicht alles getan hätten, die Gewalt vor dem Gewerkschaftshaus, die von „Aktivisten für die Einheit der Ukraine“ verübt worden sei, zu verhindern und die Menschen aus dem brennenden Gebäude zu retten. 5

Des Weiteren äußerte das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass ernsthafte Anstrengungen unternommen wurden, um alle Täter zu identifizieren, obwohl umfangreiche Foto- und Videoaufnahmen von dem Geschehen vorlagen. Doch das dürfte folgenlos bleiben. Die ukrainische Regierung wurde lediglich verurteilt, die Angehörigen der Opfer sowie drei Überlebende des Brandanschlags auf das Gewerkschaftshaus mit verhältnismäßig geringfügigen Beträgen zu entschädigen.

Dass der EGMR in politischer Hinsicht festgelegt ist, zeigte sich, indem die Richter davon ausgingen, dass der „Welle der Gewalt“ eine fortgesetzte „aggressive und emotionale Desinformation und Propaganda“ durch Russland über die neue ukrainische Regierung vorausgegangen sei. Außerdem findet sich in der Urteilsbegründung ein Hinweis der ukrainischen Regierung auf die Bedrohung und eine mögliche Destabilisierung der Ukraine durch die Russische Föderation und die besondere strategische Bedeutung Odessas. Zudem seien die massiven russischen Aktivitäten hinsichtlich der Ereignisse auf der Krim und in der östlichen Ukraine zu bedenken gewesen.

So gesehen, folgt das Gericht implizit der von den USA und der EU in der Ukraine-Krise verbreiteten Darstellung einer unprovozierten russischen Aggression. Zwar geht es in seinem Urteil auf den Tatbestand, also auf die Fakten des Massakers von Odessa, ein und sieht die Schuld bei den ukrainischen Behörden; was aber zu diesem Ausbruch an Gewalt geführt hat, also die willkürlich herbeigeführte, desaströse antirussische Situation in der Ukraine, bleibt außer Betracht.

Butscha 2022

Wenn eine Lüge nur oft genug wiederholt wird, gilt sie nach einer Weile als Tatsache. Das geschah mit Berichten über ein unfassbares Kriegsverbrechen, das angeblich vom russischen Militär, das seit dem 24. Februar 2022 auf Kiew vorgerückt war, in der ukrainischen Stadt Butscha verübt worden sein soll. Nachdem sich die Russen am 30. März 2022 aufgrund von vielversprechenden Friedensverhandlungen in Istanbul aus dem Gebiet um Kiew zurückgezogen hatten 6, tauchten Anfang April auf einmal die Welt erschütternde Bilder von einem Massaker auf. Sofort wurden die Russen dafür verantwortlich gemacht, und die Friedensverhandlungen liefen ins Leere.

An den folgenden Tagen wurden 458 Leichen gefunden, von denen die meisten erschossen, misshandelt und gefoltert worden waren. 7 Sie waren über die Straßen verteilt, viele waren gefesselt. Noch bevor irgendwelche Untersuchungsergebnisse vorlagen, gab es einen Sturm der Entrüstung, der immer mehr angeheizt wurde und in hemmungslose Kriegspropaganda gegen Russland ausartete. Die Sanktionen wurden verstärkt, zahlreiche russische Diplomaten ausgewiesen, die Isolation Russlands intensiviert, die Militärhilfe für die Ukraine wurde ausgeweitet.

Am 4. April erschien in der britischen Times ein Artikel, in dem Premier Boris Johnson forderte: „No settlement with Russia until Ukraine holds whip hand“ (Kein Übereinkommen mit Russland, bis die Ukraine die Oberhand hat). 8 Am 9. April reiste Johnson nach Kiew, um Wolodomyr Selenskyj mit maßlosen Versprechungen davon abzuhalten, ein in Istanbul von einer ukrainischen und russischen Delegation ausgearbeitetes Kommuniqué für einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Der mörderische Krieg mit weiteren Ungeheuerlichkeiten nahm seinen Lauf. Die Weltöffentlichkeit wurde ständig konfrontiert mit vorgespielter Empörung westlicher Politiker und Journalisten auf der Grundlage fragwürdiger Angaben aus Kiew und von US-„Serviceagenturen“ über russische Gräueltaten.

Im Deutschen Bundestag fand am 6. April eine Aktuelle Stunde zu Butscha statt. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zuvor von den „entsetzlichen Bildern tief erschüttert“ und behauptete, obwohl keinerlei Beweise vorlagen: „Russische Soldaten haben dort vor ihrem Rückzug ein Massaker an ukrainischen Zivilisten verübt, darunter Kinder, Frauen und alte Menschen.“ 9

Die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stand dem in nichts nach. „Putin nimmt diese grauenvollen, diese grausamen Taten in Kauf“, verkündete sie. „Wer so handelt wie Putin, dem ist es egal, ob die Leichen auf den Straßen von Butscha oder von Tiflis, Vilnius oder Berlin sind.“ Eine „Entmenschlichung, die alle Grenzen überschritten hat […] Wir sehen im grellen Licht die Grausamkeit des System Putins“, ein System, „das nationalistischem Großmachtwahn alles unterordnet, das keine Grenzen kennt und keine Hemmung, ein System, das Recht und Menschlichkeit mit Füßen tritt […]“ 10

Ganz im Sinne Washingtons forderte die Ministerin: „Das System Putin darf nicht gewinnen, darf sich nicht durchsetzen, denn sonst können wir uns alle nicht mehr sicher sein. Und daher müssen wir auch in Deutschland lernen, ja, viel wehrhafter zu sein, sehr viel wehrhafter zu sein. Und dieser Gedanke steht hinter der sicherheitspolitischen Zeitenwende, die der Bundeskanzler verkündet hat.“

Die Juristin Lambrecht hätte ebenso wie der Jurist Scholz wissen müssen, dass die Unschuldsvermutung gilt, solange ein Fall nicht aufgeklärt und ein Urteil gesprochen wurde. Sie berief sich auf die Regierungserklärung von Scholz, der am 27. Februar 2022 eine „Zeitenwende“ ausgerufen und dem russischen Präsidenten Putin, der „kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen“ habe, Skrupellosigkeit und einen Angriff „auf die Friedensordnung in Europa und der Welt“ vorgeworfen hatte. 11 Es ist eine skandalöse, schwer erträgliche Rede, mit der Scholz die Hetze gegen Russland, insbesondere gegen dessen Präsidenten („Dieser Krieg ist Putins Krieg“) auf unverantwortliche Weise angeheizt hat.

Butscha, etwa 25 Kilometer nordwestlich von Kiew gelegen, wurde zu einer Pilgerstätte der Kriegseiferer. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, EU-Präsidentin Ursula von der Leyen, der EU- Außenbeauftragte Josep Borrell und andere führende Politiker reisten unverzüglich in die Ukraine, um den Tatort der angeblichen russischen Gräueltaten zu besuchen und ihre Anteilnahme zu bekunden. Wolodymyr Selenskij warf Russland Völkermord vor, die USA und Großbritannien verlangten einen Ausschluss Russlands aus dem Menschenrechtsrat. 12

Aber es gab von vornherein Zweifel an der Version der Kiewer Machthaber, die von den westlichen Politikern und Medien ohne genauere Recherche übernommen worden war. Der Abzug des russischen Militärs war am 30. März 2022 abgeschlossen, aber erst am 1. und 2. April tauchten die ersten Bilder von den Ermordeten auf. Zwischendurch, am 31. März, hatte der Bürgermeister von Butscha, Anatolij Fjodoruk, in einer Videobotschaft den Rückzug der russischen Truppen bestätigt, ohne von Massentötungen oder Leichen zu berichten. 13 Auch ukrainische Soldaten und Abgeordnete, die zur gleichen Zeit vor Ort waren, hatten keine Leichen gesehen. Damit lag schon zu Beginn die Vermutung nahe, dass ukrainische Kräfte prorussische Zivilisten ermordet hatten. Viele der Toten trugen weiße Armbinden (ein Zeichen derjenigen, die mit der russischen Armee kooperieren), zum Teil wiesen sie Schüsse in den Hinterkopf auf, und ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt.

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WOLFGANG BITTNER ist promovierter Jurist und lebt als Schriftsteller und Publizist in Göttingen. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen gehören u. a. Der neue West-Ost-Konflikt. Inszenierung einer Krise (2019), Deutschland – verraten und verkauft (2021) und Ausnahmezustand. Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts (2023).

1 Vgl. Eike Fesefeldt, »Tragödie von Odessa am
2. Mai 2014. Bis heute nicht aufgeklärt«, in: LTO,
2. Mai 2020, www.lto.de/recht/hintergruende/ h/2014-odessa-42-tote-buergerkreig-brand-ukraine- russland-un-europarat-ermittlungen-emrk/ [abgerufen 2. April 2025]
2 Dazu ausführlich Wolfgang Bittner, Der neue West- Ost-Konflikt, S. 197–215
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_ Odessa_am_2._Mai_2014 [abgerufen 2. April 2025]
4 Zit. n. Judgment Vyacheslavova and Others v. Ukraine – State negligence in clashes between Maidan supporters and opponents in Odesa in May 2014.pdf
5 Ebenda
6 Vgl. https://www.interfax.ru/russia/831942
7 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_
Butscha [abgerufen 1. April 2025]
8 Zit. n. www.thetimes.com/world/russia-ukraine-
war/article/no-settlement-russia-ukraine-nato-
boris-johnson-pxfkbr27g?region=global
9 Zit. n. Deutschlandfunk Kultur, 6. April 2022, www.
deutschlandfunkkultur.de/aktuelle-stunde-zum- massaker-in-butscha-im-bundestag-dlf-kultur- 1dab7f3e-100.html
10 Zit. n. www.youtube.com/watch?v=wV1ks1a4Z0U [abgerufen 7. April 2025]
11 Redetext: www.bundesregierung.de/breg-de/suche/ regierungserklaerung-von-bundeskanzler-olaf- scholz-am-27-februar-2022-2008356
12 Vgl. Tagesschau, 6. April 2022, www.tagesschau. de/ausland/europa/selenskyj-ukraine- sicherheitsrat-101.html
13 Vgl. www.pravda.com.ua/rus/ news/2022/04/1/7336396/. Sowie: www.kommersant. ru/doc/5293082

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