Kriege

Ist ein US-Triumph in einem drogenabhängigen Krieg möglich?

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Afghanistan: Opium, die CIA und die Regierung Karzai

Von PETER DALE SCOTT, 11. Januar 2010 –

Laut Peter Dale Scott hat es keinen Sinn, die Ausweitung der Drogenproduktion in Afghanistan und die Heroin-Epidemie, die große Teile der Welt erfasst hat, zu beklagen. Schlussfolgerungen sollten aus den erwiesenen Tatsachen gezogen werden: die Taliban merzten den Mohnanbau aus; die NATO beförderte ihn; Drogengelder korrumpieren die Karzai-Regierung, aber insbesondere in den US-Institutionen grassiert die Drogen-Korruption. Daher liegt die Lösung des Problems nicht in Kabul, sondern in Washington.

In Afghanistan bekämpft die NATO den Mohnanbau der Aufständischen, während sie den ihrer Verbündeten beschützt.

Alfred McCoys wichtiger neuer Artikel (1) hätte es verdient, den Kongress zu einer Neueinschätzung des unüberlegten militärischen Wagnisses in Afghanistan zu bewegen. Wie seine Abhandlung eindrucksvoll zeigt, muss die Antwort auf die Frage, die er in dem Titel stellt („Kann irgendjemand den weltgrößten Drogenstaat befrieden?“), klar „nein“ lauten. Zumindest solange, bis es zu einer fundamentalen Änderung der Ziele und Strategien in Washington und Kabul kommt.

McCoy (ein US-amerikanischer Professor für südostasiatische Geschichte an der University of Wisconsin, der sich seit über 30 Jahren mit der Verwicklung US-amerikanischer Regierungsstellen in den internationalen Drogenhandel beschäftigt, Anm. Red.) zeigt umfangreich auf:

–> der afghanische Staat von Hamid Karzai ist ein korrupter Drogenstaat, an den die Afghanen jährlich 2,5 Milliarden US-Dollar Schmiergelder zahlen müssen, ein Viertel der nationalen Wirtschaftsleistung;

–> die afghanische Wirtschaft ist eine Drogenwirtschaft: 2007 produzierte Afghanistan 8.200 Tonnen Opium und somit beachtliche 53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 93 Prozent der weltweiten Heroinangebots;

–> militärische Optionen sind bestenfalls ineffektiv und schlimmstenfalls kontraproduktiv: Laut McCoy besteht die größte Hoffnung darin, die ländlichen Gegenden so weit wieder aufzubauen, bis der Anbau von Nahrungspflanzen eine existenzfähige Alternative zum Opium darstellt. Ein Prozess, der zehn, fünfzehn Jahre oder länger dauern könnte. (Ich argumentiere später für eine Interims-Lösung: Afghanistan sollte eine Lizenz des Internationalen Suchtstoffkontrollrats der Vereinten Nationen (INCB) erhalten und sein Opium legal verkaufen).

McCoys aufschlussreichstes Argument liegt vielleicht darin, dass Kokain in Kolumbien zu Spitzenzeiten gerade mal 3 Prozent der nationalen Wirtschaft ausmachte. Dennoch können dort sowohl die FARC-Guerilla als auch die rechtsextremen Todesschwadrone, beide üppig durch Drogenhandel finanziert, weiterhin blühen und gedeihen. Drogen einfach auszuradieren, ohne zuvor einen Ersatz für die afghanische Landwirtschaft zu schaffen, würde eine unerträgliche Belastung für die ohnehin schon [sozialen] Verwüstungen ausgesetzte ländliche Gesellschaft bedeuten, deren einziges signifikantes Einkommen aus dem Opium stammt. Man muss sich nur den Zusammenbruch unter den Taliban 2001 anschauen, als das Land einem leeren Gerippe glich, nachdem die Taliban mit drakonischen Maßnahmen die Drogenproduktion reduziert hatten (von 4.600 auf 185 Tonnen).

McCoys Argumente erscheinen unstrittig und sollten in einer rationalen Gesellschaft zu einer ernsthaften Debatte führen, gefolgt von einem bedeutendem Wandel der gegenwärtigen amerikanischen Militärpolitik. Um ein solches Ergebnis zu befördern, hat McCoy seinen Fall diplomatisch und mit bemerkenswertem Feingefühl vorgetragen.

Die historische Verantwortung der CIA für den globalen Drogenhandel

Bedauerlicherweise gibt es wichtige Gründe, die ein solches positives Ergebnis in nächster Zeit als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Darunter sind einige unerfreuliche Realitäten, die McCoy in seiner ansonsten brillanten Abhandlung entweder gemieden oder heruntergespielt hat. Realitäten, denen wir uns aber stellen müssen, wenn wir jemals damit beginnen wollen, in Afghanistan vernünftige Strategien  umzusetzen.

Die erste Realität ist die, dass das Ausmaß der Verwicklung und Verantwortung der CIA in den weltweiten Drogenhandel ein Thema ist, welches in den politischen Zirkeln, den Wahlkampfkampagnen und den Mainstream-Medien tabu ist. Wer sich – wie der Journalist Gary Webb – nicht an dieses Tabu hält, muss als Konsequenz das Ende seiner Karriere befürchten.

Da sich Alfred McCoy mehr als jeder andere dafür eingesetzt hat, das öffentliche Bewusstsein auf die Verantwortung der CIA beim Drogenhandel in US-amerikanischen Kriegsgebieten zu lenken, fühle ich mich unbehaglich dabei, ihm zu unterstellen, dass er  diese in seinem Artikel herunterspielt. Er gesteht zwar ein, dass „Opium erstmals als Schlüsselfaktor in der afghanischen Politik während des verdeckten Krieges der CIA gegen die Sowjets auftrat“, und fügt hinzu, dass „der verdeckte Krieg der CIA als Katalysator  fungierte, der das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet in die Region mit der weltgrößten Heroinproduktion transformierte.“

Aber in einem seltsamen Satz legt McCoy nahe, dass die CIA während des Kampfes gegen die sowjetischen Kräfte in Afghanistan in den Jahren 1979-88 passiv in die Drogenallianzen hinein gezogen wurde, während sie diese tatsächlich selbst erschufen, um die Sowjets zu bekämpfen: „In einem ironischen geschichtlichen Zufall verlief der südliche Einflussbereich des kommunistischen China und der Sowjetunion entlang derselben Gebirgsregion, in der Asiens Opiumzentrum lag und wo die CIA in zweifelhafte Allianzen mit den Warlords dieser Hochlandregion gezogen wurde.“

In Afghanistan gab es so etwas wie einen „Zufall“ nicht. Die ersten lokalen Drogenlords, die in internationalem Ausmaß agierten – Gulbuddin Hekmatyar und Abu Rasul Sayyaf – erlangten erst durch eine massive und unbedachte Unterstützung seitens der CIA in Zusammenarbeit mit den Regierungen Pakistans und Saudi-Arabiens internationale Größe.

Während andere lokale Widerstandskräfte als zweitklassig betrachtet wurden, waren diese beiden Klienten Pakistans und Saudi-Arabiens die Vorreiter darin, mittels Opium und Heroin die finanziellen Ressourcen auszubauen und die Kampfkraft zu steigern. (2)  

Darüber hinaus wurden sie zu Vertretern des salafistischen Extremismus, der den einheimischen, vom Sufismus beeinflussten Islam in Afghanistan bekämpfte. Und letztlich finanzierten beide Al-Qaeda.(3)

Die Verwicklung der CIA in den Drogenhandel begann nicht mit dem Einwirken in den Sowjet-Afghanischen Krieg. Bis zu einem bestimmten Grad ist die gegenwärtige dominante Rolle Afghanistans im globalen Heroinhandel lediglich eine Wiederholung dessen, was sich zuvor in Burma, Thailand und Laos zwischen den späten 1940er und den 70er Jahren ereignete. Auch diese Länder wurden erst als Resultat der CIA-Unterstützung zu gewichtigen Faktoren im internationalen Drogenhandel, während sie sonst nur eine lokale Rolle gespielt hätten.  

Auch in diesen Fällen lässt sich nicht von „ironischen Zufällen“ sprechen. McCoy selbst hat bezüglich all dieser Länder aufgezeigt, wie die CIA den wachsenden Einfluss antikommunistischer und sich durch Drogen finanzierender Verbündeter, die die Gefahr des Eindringens des kommunistischen China nach Südostasien eindämmen sollten, nicht nur toleriert, sondern gefördert hat.

Wie heutzutage Afghanistan verwandelte sich das „Goldene Dreieck“ zwischen den 1940er und 70er Jahren dank des Beistands der CIA in die führende Quelle für den Weltbedarf an Opium.

Während dieser Zeit rekrutierte die CIA Aktivposten entlang den asiatischen Opium-Schmuggelrouten, ebenso in Ländern wie der Türkei, Libanon, Italien, Frankreich, Kuba, Honduras und Mexiko. Unter den Aktivposten befanden sich auch Regierungsbeamte wie Manuel Noriega in Panama oder Vladimoro Montesinos in Peru, und oftmals hochrangige Personen aus Polizei und Geheimdiensten, die die CIA unterstützen. Unter den Aktivposten befanden sich aber auch aufständische Bewegungen, angefangen von den Contras in Nicaragua in den 1980er Jahren bis hin zu der mit Al-Qaeda verbundenen Jundullah (4), die gegenwärtig im Iran und Balutschistan operiert. (5)

Nicht die Taliban, die Karzai-Regierung dominiert die afghanische Drogenwirtschaft

CIA-Karte der Routen des Opiumhandels von Afghanistan nach Europa, 1998. „Der Großteil des südwest-asiatischen Heroins kommt durch den Iran und die Türkei über den Balkan nach Europa“, so die CIA in einer 2008 aktualisierten Aussage. Aber tatsächlich strömen die Drogen auch durch die Staaten der ehemaligen Sowjetunion und durch Pakistan und Dubai.

Das beste Beispiel für den gegenwärtigen Einfluss der CIA über die Drogenhändler ist vielleicht in Afghanistan selbst zu finden. Dort befinden sich unter den des Drogenhandels Beschuldigten der Bruder des Präsidenten Karzai, Ahmed Wali Karzai (einem aktiven CIA-Agenten), und Abdul Rashid Dostum (einem ehemaligen CIA-Agenten). (6) Die Drogenkorruption in der afghanischen Regierung ist zumindest teilweise auf die Entscheidung der US-Regierung und der CIA zurückzuführen, die Invasion 2001 mit der Unterstützung der Nordallianz durchzuführen, von der Washington wusste, dass sie durch Drogen korrumpiert ist. (7)

Auf diese Weise haben die USA in Afghanistan in vollem Bewusstsein dieselbe Situation kreiert, die sie früher in Vietnam schufen. Auch dort (wie Ahmed Wali Karzai ein halbes Jahrhundert später) finanzierte der Bruder des Präsidenten, Ngo dinh Nhu, durch Drogen ein privates Netzwerk, welches eingesetzt wurde, um die Wahlen zugunsten Ngo dinh Diems zu manipulieren. (8) Thomas H. Johnson, Koordinator für anthropologische Studien an der Naval Postgraduate School, hat herausgearbeitet, wie unwahrscheinlich es ist, dass ein Aufstandsbekämpfungsprogramm erfolgreich ist, wenn das Programm eine lokale Regierung unterstützt, die nicht funktionsfähig und schamlos korrupt ist. (9)

Daher bin ich nicht einverstanden, wenn McCoy die Sichtweise der US-Mainstream Medien wiedergibt, nach der die afghanische Drogenwirtschaft von den Taliban dominiert werden würde. (In McCoys Worten: „Wenn sich die Aufständischen dieser illegalen Wirtschaft bemächtigen, so wie die Taliban es getan haben, dann wird der Auftrag fast unerreichbar.“) Der Anteil der Taliban an der afghanischen Opiumwirtschaft  wird von verschiedener Seite auf 90 bis 400 Millionen US-Dollar geschätzt. Aber das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung  (UNODC) schätzt, dass die jährlichen Gesamt-Einnahmen aus Opium und Heroin in Afghanistan 2,8 bis 3,4 Milliarden US-Dollar betragen. (10)

Offensichtlich haben die Taliban nicht die Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht, von der der größte Anteil von den Unterstützern der Karzai-Regierung kontrolliert wird. In einem Bericht der Weltbank von 2006 heißt es: „Ungefähr 25-30 Drogenhändler, die meisten von ihnen im südlichen Afghanistan, kontrollieren auf der höchsten Ebene die wichtigsten Transaktionen und Transfers und arbeiten dabei eng zusammen mit Förderern in der Regierung und in höchsten politischen Positionen.“ (11) 2007 berichtete die London Daily Mail, dass „die vier größten Spieler im Heroingeschäft allesamt Senior-Mitglieder der afghanischen Regierung sind.“ (12)

Die US-amerikanischen Medien haben sich weder dieser grundlegenden Tatsache gestellt, noch sich deren Auswirkungen auf die amerikanische Drogen- und Kriegspolitik in Afghanistan gewidmet. Es hat den Anschein, als habe sich die Obama-Administration von den unklugen (Drogen-) Vernichtungsprogrammen aus der Bush-Ära getrennt, durch welche die Herzen und Köpfe der Landbevölkerung ganz sicher nicht zu gewinnen sind. Stattdessen ist sie zu einer Politik der selektiven Handels-Verbote übergegangen, welche explizit auf diejenigen Drogenhändler beschränkt bleibt, die die Aufständischen unterstützen. (13)

Diese Politik mag darin effektiv sein, die Taliban zu schwächen. Aber Afghanistans Status als weltweitem Drogenstaat Nummer eins wird sicherlich kein Ende gesetzt, wenn nur ungefähr zehn Prozent des gesamten Handels ins Visier genommen werden. Auch wird sie der gegenwärtigen globalen Heroin-Epidemie, die fünf Millionen Abhängige in Pakistan, über zwei Millionen in Russland, achthunderttausend in Amerika, über fünfzehn Millionen in der Welt und eine Million in Afghanistan selbst hervorgebracht hat, nicht begegnen können.  

Das selektive Vorgehen der Obama-Regierung hilft zu verstehen, warum es einen solchen Widerwillen gibt, die vernünftigste und humanste Lösung für die afghanische Heroin-Epedemie in Erwägung zu ziehen, welche die „Mohn für Medikamente“ (“poppy for medicine”) -Initiative des International Council on Security and Development (ICOS) darstellt. Diese sieht vor, ein Programm mit Test-Lizenzen zu installieren, welche es den Bauern erlauben, ihr Opium für die Produktion stark benötigter Arzneimittel wie Morphin oder Codein zu verkaufen. (14)

Dieser Vorschlag erhielt die Unterstützung des kanadischen und europäischen Parlaments, aber er geriet unter schweren Beschuss durch die USA. Hauptsächlich, weil diese ein Ansteigen der Opiumproduktion befürchten. Das Programm würde jedoch eine kurzfristige Antwort auf die Heroin-Epedemie darstellen, die in Russland und Europa wütet – etwas, was sich durch McCoys Langzeit-Alternative des Pflanzenaustauchs über zehn oder fünfzehn Jahre nicht erreichen ließe. Und es ließe sich schon gar nicht durch das gegenwärtige Programm der selektiven Vernichtung des Opium-Vorrats seitens der Obama-Administration erreichen.  

Eine unausgesprochene Konsequenz der „Mohn für Medikamente“-Initiative wäre das Schrumpfen der illegalen Drogen-Einnahmen, aus denen die Karzai-Regierung gefördert wird. Ob aus diesem Grund oder weil in Washington einfach alles, was von dem Geruch der Legalisierung von Drogen  umgeben ist,  als Tabuthema gilt, die „Mohn für Medikamente“-Initiative wird wahrscheinlich nicht von der Obama-Administration gebilligt werden.

Afghanisches Heroin und die globalen Drogenverbindungen der CIA

Es gibt einen weiteren wichtigen Absatz, in dem McCoy – meiner Ansicht nach irreführend – den Schwerpunkt des Problems in Afghanistan verortet, statt in den USA selbst: Auf einer Drogenkonferenz in Afghanistan im Dezember 2010 schätzte der Präsident von Russlands  Federal Narcotics Service den Wert der aktuellen afghanischen Opium-Ernte auf 65 Milliarden US-Dollar. Nur 500 Millionen dieser riesigen Summe gehen an die afghanischen Bauern, 300 Millionen an die Taliban und 64 Milliarden an die „Drogenmafia“. Woraus sich üppige Geldmittel ergeben, mit der die Karzai-Regierung korrumpiert werden kann – in einer Nation, deren Bruttoinlandsprodukt nur 10 Milliarden US-Dollar beträgt.

Was der besagt Absatz auslässt, ist die einschlägige Tatsache, dass laut dem UNODC nur 5 bis 6 Prozent dieser 65 Milliarden US-Dollar, also 2,8 bis 3,4 Milliarden, in Afghanistan verbleiben. (15) Geschätzte 80 Prozent der Erlöse aus dem Drogenhandel fließen in die Konsum-Länder – in diesem Fall Russland, Europa und die USA. Daher sollten wir nicht für einen Moment davon ausgehen, dass die Regierung des Herkunftslandes die einzige wäre, die durch den afghanischen Drogenhandel korrumpiert wird. Überall, wo der Handel substanzielle Ausmaße angenommen hat, selbst wenn es sich nur um Transit handelt, hat er durch Protektion überlebt. Was nichts anderes als Korruption bedeutet.  

Es gibt keine Beweise für die Behauptung, dass mit den Drogengeldern der mit der CIA verbündeten Drogenhändler die Kasse der CIA selbst oder die ihrer Beamten aufgebessert wird. Aber die CIA profitiert indirekt vom Drogenhandel und ging über die Jahre eine enge Verbindung mit ihm ein. Der Krieg der CIA in Laos war ein extremer Fall, wo sich die Behörde mit  der Royal Laotian Army von General Ouane Rattikone und der Hmong Army von General Vang Pao verbündete, welche sich beide größtenteils aus Drogen finanzierten. Die massiven Operationen der CIA in Afghanistan in den 1980ern sind ein anderes Beispiel für einen Krieg, der zum Teil durch Drogen finanziert wurde.

Protektion des Drogenhandels in Amerika

Daher ist es nicht überraschend, dass die US-Regierung der CIA Folge leistete und sich im Laufe der Jahre zu einem Protégé von Drogenhändlern gegenüber der Strafverfolgung in den USA entwickelte. So intervenierten beispielsweise die CIA und das FBI 1981, um eine Anklage (aufgrund von Autodiebstählen) gegen den mit Drogen handelnden mexikanischen Geheimdienst-Zar Miguel Nazar Haro mit der Behauptung zu Fall zu bringen, dass es sich bei diesem um „einen essentiellen Kontakt für die CIA-Niederlassung in Mexiko City“ in Fragen von „Terrorismus, Geheimdiensten und Gegenaufklärung“  handeln würde. (16)  Als sich der stellvertretende  Generalstaatsanwalt Lowell Jensen weigerte, die Anklage gegen Nazar aufrecht zu halten, gab William Kennedy, Staatsanwalt aus San Diego, dessen Intervention zugunsten Nazars der Öffentlichkeit preis. Kennedy wurde umgehend gefeuert.

Ein jüngeres spektakuläres Beispiel für die Drogen-Verwicklung der CIA liefert der Fall des venezuelanischen CIA-Agenten General Ramon Guillén Davila. In meinem bald erscheinenden Buch Fueling America’s War Machine (17) schreibe ich dazu: General Ramon Guillén Davila, Chef einer von der CIA aufgebauten Anti-Drogen-Einheit in Venezuela, wurde in Miami angeklagt, eine Tonne Kokain in die USA geschmuggelt zu haben. „Die CIA hat trotz der Einwände der DEA die Versendung von einer Tonne reinstem Kokain zum Miami International Airport genehmigt, um so Informationen über das kolumbianische Drogenkartell sammeln zu können“, schrieb die New York Times. Laut dem Wall Street Journal betrug die gesamte von General Guillén geschmuggelte Menge an Drogen wohl mehr als 22 Tonnen. (18)

Aber ein Antrag auf Guillens Auslieferung aus Venezuela, um ihn vor Gericht stellen zu können, wurde von den Vereinigten Staaten nie gestellt. Und als er 2007 wegen seiner Beteiligung an einem Plot zur Ermordung des Präsidenten Hugo Chavez verhaftet wurde, lag seine Anklage in Miami noch immer unter Verschluss. (19) Unterdessen wurde auch der CIA-Beamte Mark McFarlin, [der die örtliche CIA-Niederlassung leitete], trotz des Wunsches des DEA-Chefs Bonner nicht angeklagt. Er trat lediglich zurück. (20)

Den Auftraggebern geschah in diesem Fall nichts. Dass der Fall es überhaupt in die Medien schaffte, ist wahrscheinlich der gesellschaftlichen Unruhe zu verdanken, die zu dieser Zeit Gary Webb mit seinen Artikeln über die CIA, Contras und Kokain im San Jose Mercury ausgelöst hatte.

Banken und die Wäsche von Drogengeldern

Andere Institutionen mit einem direkten Anteil am internationalen Drogenhandel umfassen Großbanken, welche Ländern wie Kolumbien oder Mexiko Kredite in vollem Bewusstsein darüber gewähren, dass die Rückzahlungen auch durch den Geldfluss aus den Drogengeschäften abgesichert sind. Eine Reihe unserer größten Banken, darunter die Citibank, die Bank of New York und die Bank of Boston, wurden als Geldwäsche-Kanäle identifiziert, aber niemals mit solch ernsthaften Strafen belegt, dass sie ihre Praxis ändern würden. (21) Kurz gesagt: die Verwicklung der Vereinigten Staaten in den Drogenhandel verbindet die CIA mit wichtigen finanziellen und kriminellen Interessen hierzulande und im Ausland.

Antonio Maria Costa, Chef des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, sagte, dass „Drogengelder in Milliardenhöhe das Finanzsystem auf dem Höhepunkt der globalen Krise liquide hielten“. Laut dem London Observer habe Costa Beweise dafür gesehen, dass auf dem Höhepunkt der Krise für einige Banken die Erlöse aus dem organisierten Verbrechen „die einzigen liquiden Investitionsmittel“ darstellten. Als Resultat seien der Großteil der sich auf 325 Milliarden US-Dollar belaufenden Drogenprofite vom Finanzsystem absorbiert worden.

„In vielen Fällen machten die Drogengelder die einzigen liquiden Investitionsmittel aus. Im zweiten Halbjahr 2008 war Liquidität das Hauptproblem im Banksystem und daher wurde flüssiges Kapital zu einem wichtigen Faktor“, so Costa. (22)

Ein frappierendes Beispiel für den großen Einfluss von Drogen in Washington lieferte das Geldwäsche-Unternehmen Bank of Credit and Commerce International (BCCI). Wie ich in meinem Buch berichte, befanden sich unter den Empfängern großzügiger Zuwendungen seitens der BCCI und deren Besitzer und Geschäftspartner Ronald Reagans Finanzminister James Baker, der eine Untersuchung der BCCI ablehnte (23); der demokratische Senator Joseph Biden und der republikanische Senator Orrin Hatch,  hochrangige Mitglieder des Senate Judiciary Committee, welches ebenfalls eine Untersuchung der BCCI ablehnte. (24)

Am Ende war es nicht Washington, welches sich in Bewegung setzte, um den Aktivitäten der BCCI und deren illegaler US-Tochtergesellschaften in Amerika ein Ende zu bereiten; es war den zielstrebigen Aktivitäten zweier Außenseiter zu verdanken – dem Washingtoner Anwalt Jack Blum und Manhattans Bezirksstaatsanwalt Robert Morgenthau. (25)

Schlussfolgerung: Die Wurzel des globalen Drogenproblems liegt nicht in Kabul, sondern in Washington

Ich verstehe, warum McCoy in seinem Bestreben, einen Wandel der unvernünftigen Politik herbeizuführen, zurückhaltender agiert als ich, wenn es um das Eingeständnis geht, in welchem Ausmaß nicht nur die Karzai-Regierung, sondern auch einflussreiche amerikanische Institutionen – Regierung, Geheimdienste und Finanzwesen – durch den internationalen Drogenhandel korrumpiert sind. Aber ich glaube, dass sich sein taktisches Feingefühl als kontraproduktiv herausstellen wird. Der Hauptursprung für das globale Drogenproblem ist nicht in Kabul, sondern in Washington zu finden. Um eine Änderung dieses Skandals herbeizuführen, müssen diejenigen Fakten das Licht der Öffentlichkeit erblicken, die McCoy in seiner Abhandlung nicht thematisieren will.

In seiner Magister-Arbeit The Politics of Heroin erzählt McCoy die Geschichte von David Musto, Carters Drogenberater im Weißen Haus. 1980 sagte Musto gegenüber dem Strategy Council on Drug Abuse des Weißen Hauses, dass „wir nach Afghanistan gingen, um die Opium-Anbauer in ihrer Rebellion gegen die Sowjets zu unterstützen. Sollten wir aber nicht möglichst vermeiden, was wir in Laos getan haben?“ (26) Nachdem ihm der gesetzlich zustehende Zugang zu Daten durch die CIA verweigert wurde, ging Musto mit seinen Bedenken im Mai 1980 an die Öffentlichkeit. In einer Kolumne der New York Times merkte er an, dass Heroin bereits eine medizinische Krise in New York hervorgebracht habe. Und er warnte in Voraussicht, dass „diese Krise sich verschlimmern wird.“(27)

Musto hoffte, wenn er mit einer vernünftigen Warnung über das desaströse afghanische Drogenabenteuer an die Öffentlichkeit geht, einen Politikwandel herbeiführen zu können. Aber seine weisen Worte waren machtlos gegenüber der unnachgiebigen Entschlossenheit der US-Kriegsmaschinerie in unserer Regierung und politischen Ökonomie. Ich befürchte, dass McCoys vernünftige Botschaft dasselbe Schicksal ereilen wird, weil sie zu zurückhaltend bleibt, wo es notwendig wäre, offen und geradeheraus zu sprechen.

Der Autor:
Peter Dale Scott, früherer kanadischer Diplomat und Professor an der University of California, Berkeley, ist der Autor von The War Conspiracy: JFK, 9/11, and the Deep Politics of War (erschienen im August 2008).

Der Artikel erschien zuerst am 13. Dezember 2010 bei voltairenet.org unter dem Titel Is US Triumph in Drug-Addicted War possible? Afghanistan: Opium, the CIA and the Karzai Administration.

Übersetzung: Hintergrund


Weitere Artikel von Peter Dale Scott bei Hintergrund:

Amerikanische Tiefenereignisse und das weltweite Drogennetzwerk der CIA Teil 1 – 3

Teil 1, Teil 2, Teil 3

Der 11. September 2001, fingierte Ereignisse und die Einschränkung der US-Bürgerrechte
Eine Rede, gehalten auf der New England-Antikriegskonferenz am 30. Januar 2010 im Massachusetts Institute of Technology / MIT

Über Hegel, Geheimdienste und Drogenhandel
Ein Hintergrund-Gespräch mit Peter Dale Scott – Teil I.

Über den 11. September, politische Macht und die Kraft der Poesie
Ein Hintergrund-Gespräch mit Peter Dale Scott – Teil II.

Krieg, Kriegsrecht und das Finanzrettungspaket
Eine Prognose künftiger US-amerikanischer Politik


Anmerkungen

(1) Alfred W. McCoy,  Can Anyone Pacify the World’s Number One Narco-State? The Opium Wars in Afghanistan

(2) Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten gaben schließlich Waffen im Wert von einer Milliarde US-Dollar an Hekmaytar, der eine Zeit lang wohl der führende Drogenhändler der Welt war. Kein anderer CIA-Klient hat jemals zuvor oder danach eine solch hohe Summe erhalten.

(3) Scott, The Road to 9/11, S. 74-75: „Khalid Shaikh Mohammed, von dem die 9/11-Kommission sagt, dass er der wahre Urheber der 9/11-Anschläge sei, ersann diese, als er mit Abdul Sayyaf zusammen war – einem Führer, mit dem bin Laden noch immer im Streit lag.[9/11 Commission Report, S. 145-50]. Währenddessen hatten einige der Männer, die für den Anschlag auf das World Trade Center 1993 und den darauf folgenden „Tag des Terrors-“Plot in New York 1995 verurteilt wurden waren, für Gulbuddin Hekmatyar Gelder gesammelt oder mit ihm zusammen trainiert und gekämpft.

(4) Jundallah terrorists trained in Pakistan, Voltaire Network, 20. Oktober 2009

(5) Seymour Hersh, New Yorker, 7. Juli 2008

(6) New York Times, 27. Oktober 2009

(7) Steve Coll, Ghost Wars: The Secret History of the CIA, Afghanistan, and Bin Laden, from the Soviet Invasion to September 10, 2001, S. 536. „Das Pentagon verfügte [zu Beginn der US-Offensive 2001] über eine Liste mit 25 oder mehr Drogenlaboren und Lagerhäusern in Afghanistan. Aber sie weigerte sich, diese zu bombardieren, da einige zu der Nordallianz gehörten, den neuen Verbündeten der CIA,“ so Ahmed Rashid. (Ahmed Rashid, Descent into Chaos: The United States and the Failure of Nation Building in Pakistan, Afghanistan, and Central Asia, S. 320).

(8) Stanley Karnow, Vietnam: A History, S. 239

(9) Thomas H. Johnson und M. Chris Mason, Refighting the Last War: Afghanistan and the Vietnam Template, Military Review, November-Dezember 2009

(10) Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass selbst die 3,4 Milliarden US-Dollar weniger als 53 Prozent der 10 Milliarden US-Dollar ausmachen, die im vorhergehenden Absatz als Bruttoinlandsprodukt angegeben sind. Diese Schätzungen diverser Quellen sind nicht präzise und  stimmen selten perfekt überein.

(11) Afghanistan: Drug Industry and Counter-Narcotics Policy, Bericht der Weltbank, 28.  November 2006

(12) London Daily Mail; 21. Juli 2007. Im Dezember 2009 veröffentlichte Harper’s eine detaillierte Abhandlung über Colonel Abdul Razik,  „dem Herrscher von Spin Boldak“ [Stadt in Afghanistan]. Razik ist ein Drogenhändler und Verbündeter Karzais, dessen Aufstieg „begünstigt wurde von einem Ring betrügerischer Beamter in Kabul und Kandahar sowie überlasteten NATO-Befehlshabern, die seine Kontrolle über eine wichtige Grenzstadt als nützlich im Krieg gegen die Taliban betrachteten.“ (Matthieu Aikins, The Master of Spin Boldak, Harper’s Magazine, Dezember 2009).

(13) James Risen, U.S. to Hunt Down Afghan Lords Tied to Taliban, New York Times,  10. August 2009: ”Befehlshaber der US-Armee haben gegenüber dem Kongress angegeben, dass nur diejenigen [Drogenhändler] zum Ziel werden, die den Austand unterstützen“.

(14) Corey Flintoff, Combating Afghanistan’s Opium Problem Through Legalization, NPR, 22. Dezember 2005

(15) CBS News, 1. April 2010

(16) Schriftverkehr von Mexico City FBI Legal Attaché Gordon McGinley ans Justizministerium,   in Scott and Marshall, Cocaine Politics, S. 36.

(17) Scott, Deep Politics, S. 105; zitiert aus San Diego Union, 26. März 1982.

(18) Wall Street Journal, 22. November 1996. Ich habe den Verdacht, dass die CIA den Import nicht deshalb genehmigte, um Informationen zu sammeln, sondern um den Marktanteil des Kokainhandels im Ursprungsland Kolumbien zu beeinflussen. In den 1990er Jahren war das CIA und das JSOC (Joint Special Operations Command) an der Elimination des kolumbianischen Drogenkönigs Pablo Escobar beteiligt, die mit der Unterstützung des kolumbianischen Cali- Kartells und der AUC-Todesschwadrone von Carlos Castaño durchgeführt wurde.  Peter Dale Scott, Drugs, Oil, and War, S. 86-88.

(19) Chris Carlson, Is The CIA Trying to Kill Venezuela’s Hugo Chávez?, Global Research, 19. April 2007

(20) Douglas Valentine, The Strength of the Pack: The People, Politics and Espionage Intrigues that Shaped the DEA, S. 400; Time, 23. November 1993. McFarlin arbeitete in den 1980er Jahren mit den Anti-Guerilla-Einheiten in El Salvador zusammen. Auch der Chef der CIA-Station in Venezuela, Jim Campbell, trat zurück.

(21) Die Bank of Boston wusch 2 Millionen US-Dollar des Drogenhändlers Gennaro Angiulo und zahlte schließlich eine Geldstrafe in Höhe von 500 000 US-Dollar. (New York Times, 22. Februar 1985; Eduardo Varela-Cid, Hidden Fortunes: Drug Money, Cartels and the Elite Banks). Cf. Asad Ismi, The Canadian Connection: Drugs, Money Laundering and Canadian Banks: „91 Prozent der 197 Milliarden US-Dollar, die in den Vereinigten Staaten für Kokain ausgegeben werden, bleiben im Land. Amerikanische Banken waschen jedes Jahr Drogengelder in der Höhe von 100 Milliarden US-Dollar. Als Geldwäschekanäle identifiziert wurden die Bank of Boston, die Republic National Bank of New York, die Landmark First National Bank, die Great American Bank, die People’s Liberty Bank and Trust Co. of Kentucky und die Riggs National Bank of Washington. Die Citibank half Raul Salinas (Bruder des ehemaligen mexikanischen Präsidenten Carlos Salinas), Millionen an Dollar unter falschem Namen von Mexiko auf geheime Schweizer Konten zu transferieren.“

(22) Rajeev Syal, Drug money saved banks in global crisis, claims UN advisor, Observer, 13. Dezember 2009

(23) Jonathan Beaty and S.C. Gwynne, The Outlaw Bank: A Wild Ride into the Secret Heart of BCCI (New York: Random House, 1993), S. 357

(24) Peter Truell and Larry Gurwin, False Profits:  The Inside Story of BCCI, the World’s Most Corrupt Financial Empire, S. 373-77.

(25) Truell and Gurwin, False Profits, S. 449.

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(26) Alfred W. McCoy, The Politics of Heroin, S. 461; zitiert nach einem Interview mit Dr. David Musto.

(27) David Musto, New York Times, 22. Mai 1980; zitiert in McCoy, Politics of Heroin, S. 462

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