Kriege

Krieg gegen Palästina

Israel und seine "strategischen Partner" auf (imperialistischem) Beutezug

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Foto: hosnysalah; Quelle: pixabay; Lizenz
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„Die Barbaren sind zurück“

In seinem Text „Die Barbaren sind zurück“ erinnerte Abu Sitta an die Geschichte des einstigen Europas. Ende des 12. Jahrhunderts hatte der damalige Papst Urban II. europäische Könige, Prinzen und Fürsten ermahnt, ihre Streitigkeiten zu vergessen und besser ins Heilige Land zu ziehen. „Macht Euch auf den Weg zum Heiligen Grab in Jerusalem, nehmt das Land von den bösartigen Menschen und nehmt es in Euren Besitz“, soll Papst Urban II . gesagt haben. Also machten die Ritter sich auf, um im Zeichen des Kreuzes die Heimat der Muslime zu besetzen. Zehntausende wurden getötet.

Zwar seien die Kreuzritter lange schon wieder abgezogen, doch ihr blutiges Erbe sei unvergessen, so Abu Sitta. In scharfen Worten arbeitete der Autor heraus, wie europäische Politiker sich geradezu überschlagen hätten, um dem zionistischen Israel Waffen, Kampfjets und Kampfschiffe anzubieten. Die westlichen Medien hätten „schwarze Propaganda“ verbreitet – Behauptungen ohne Quellenangabe, die angeblich aus den Kreisen des Gegners stammten –, um die Palästinenser zu entmenschlichen, die ihre Heimat verteidigten, schrieb Abu Sitta. 3 Kurz zuvor hatte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant die Palästinenser als „menschliche Tiere“ bezeichnet. 4 Damit, so Abu Sitta, sei es „akzeptabler“ geworden, sie abzuschlachten.

Er erinnerte an die koloniale Vergangenheit der Länder, die das Morden Israels nach dem 7. Oktober 2023 rechtfertigten: die Briten, die mehr als 300 Jahre Brutalität gegen die Bevölkerung in ihren ehemaligen Kolonien unter den Teppich kehrten, die die Palästinenser verraten hätten, als sie mit der Balfour-Deklaration 1917 der Errichtung einer „jüdischen Heimstatt“ in Palästina durch die zionistische Nationalbewegung zustimmten. Zuvor hatten sie der arabischen Nationalbewegung zugesagt, ihre Unabhängigkeit und die Bildung unabhängiger Staaten zu unterstützen. Frankreich sei für den Tod von Hunderttausenden Algeriern verantwortlich. Er erinnerte an die blutige Kolonialherrschaft der Belgier in Afrika, an die Entwicklung des Apartheidsystems in Südafrika durch die Niederländer. Ein System, dass Israel für die Unterdrückung der Palästinenser übernommen habe. Er erinnerte an Kriege der Vereinigten Staaten von Amerika, mit denen Länder und Territorien der US-Fahne unterworfen werden sollten: Vietnam, Irak, Afghanistan, um nur einige zu nennen.

Sei mutig und geh!

Lang ist die Liste der mutigen Männer und Frauen Palästinas, die vorangingen und gehen, um das Unrecht an ihrem Volk bekannt zu machen und dagegen Widerstand zu leisten. Israel gibt sich nicht zufrieden mit dem Tod bewaffneter Widerstandskämpfer. Im Laufe seiner Geschichte (seit 1948) haben die israelische Armee und israelische Geheimdienste Schriftsteller und Journalisten, Politiker, Ärzte, Geistliche, Künstler, Lehrer und viele andere getötet. 5

Erinnert sei an Fatma Hassouna. Die Fotografin war 25 Jahre alt, als sie bei einem gezielten Angriff der israelischen Armee am 16. April 2025 im Kreis ihrer Familie getötet wurde. 6 Der Angriff galt dem Haus der Familie Hassouna im Al-Touffah-Viertel in Gaza- Stadt. In wenigen Tagen sollte Fatma heiraten, mit ihr starben ihre fünf Schwestern, eine von ihnen war hochschwanger. Am Tag vor ihrem gewaltsamen Tod hatte sie erfahren, dass der Dokumentarfilm, den die iranische Regisseurin Sepideh Farsi mit ihr über ihre Arbeit gemacht hatte, beim Filmfestival von Cannes gezeigt werden solle. 7

Die Dokumentation trägt den Titel Lege deine Seele in deine Hand und geh und zeigt Gespräche zwischen der Regisseurin und der Fotografin. Die Regisseurin ist außerhalb des Gazastreifens, weil Israel internationalen Journalisten den Zutritt verwehrt. Doch sie begleitet die Fotografin durch eine Videokamera, die sie bei deren Arbeit zeigt und die Aufnahmen zur Regisseurin überträgt.

18 Monate lang hatte Hassouna dem Krieg gegen Gaza ein Gesicht gegeben. Das Gesicht der Menschen, die dort lebten, die flohen, die starben. Hassouna dokumentierte die Verwüstungen der israelischen Angriffe. Man sieht sie inmitten verbrannter, verwüsteter Häuser, die eigene Kamera fest in der Hand. Sie dokumentierte die Flucht der Menschen und die Rückkehr von Hunderttausenden in den Norden, als am 19. Januar 2025 eine Waffenruhe begann. Sie fotografierte Frauen, die trotz aller Schrecken im Hof ihrer Notunterkünfte Brot zubereiteten. Sie zeigte Kinder, die spielten, und Kinder, die trauerten. Sie er- haschte mit der Kamera auch ein junges Paar in einem Moment des Glücks, als sie lächelnd an der Fotografin vorbeigingen. Der junge Mann hatte seinen Arm fest um seine Begleiterin gelegt. 8

Die Leitung des Filmfestivals von Cannes erklärte, man sei entsetzt und zutiefst traurig angesichts des tragischen Todes der Fotografin und ihrer Familie. Ein Film sei nicht viel angesichts des Grauens, doch man werde den Film zu Ehren und zur Erinnerung von Fatma Hassouna zeigen, die „wie so viele andere dem Krieg zum Opfer gefallen“ sei. 9

Einen sicheren Platz gibt es nicht

Weder die menschlichen Schicksale noch die verheerende humanitäre Situation der Bevölkerung im Gazastreifen interessieren Politiker, Medien oder das Heer der „Experten“ in der westlichen Welt, die für die Öffentlichkeit das Geschehen zwischen Israel und den Palästinensern „einordnen“. Der Begriff bedeutet, dass eine Auswahl von Informationen in einen Rahmen eingefügt wird, der redaktionell oder politisch vorgegeben ist. 10 Dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) bleibt nichts, als wöchentliche Berichte über das ungebremste Grauen zu veröffentlichen. 11 Im Bericht mit der Nummer 284 über den Gazastreifen heißt es am 1. Mai 2025, das Gesundheitssystem stehe vor dem Kollaps. Die massenhaften Opfer könnten nicht mehr versorgt werden, zumal die „vollständige Blockade“ des Küstenstreifens verhindere, dass notwendige Medikamente, Impfstoffe, medizinische Geräte die Kliniken erreichten. Verantwortlich für die anhaltende Abriegelung des Kriegsgebietes seit dem 2. März ist Israel.

Den vollständigen Text lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 7/8 2025 unseres Magazins, das im Bahnhofsbuchhandel, im gut sortierten Zeitungschriftenhandel und in ausgewählten Lebensmittelgeschäften erhältlich ist. Sie können das Heft auch auf dieser Website (Abo oder Einzelheft) bestellen.

KARIN LEUKEFELD, geboren 1954, studierte Ethnologie, Islam- und Politikwissenschaften, absolvierte eine Ausbildung zur Buchhändlerin und arbeitete in der Organisations- und Öffentlichkeitsarbeit u. a. beim Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und bei den Grünen (Bundespartei). Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet sie als freiberufliche Korrespondentin im Nahen und Mittleren Osten für Printmedien und Hörfunk. Sie hat kürzlich das Buch „Krieg in Nahost – Geopolitik, Verwüstung, Widerstand und Aufbruch einer Region“ in der Reihe WISSEN KOMPAKT von Hintergrund veröffentlicht.

1 Amin Maalouf, Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber, Verlag Diederichs, 2. Auflage, 1997, http://www.humanist.de/kultur/ literatur/religion/maalouf.html
2 Salman Abu Sitta, 17. Oktober 2023, www.middleeastmonitor.com/20231017-the- barbarians-are-back/
3 Propaganda als Kriegswaffe, https://digital.nls.uk/propaganda/black/index.html
4 Yoav Gallant, Pressekonferenz, 9. Oktober 2023, https://youtu.be/ZbPdR3E4hCk
5 https://english.almayadeen.net/articles/analysis/muzzling-out-palestinian-
intellectuals–photojournalists-and
6 https://religionnews.com/2025/04/25/a-loud-death-remembering-gaza-
photojournalist-fatima-hassouna/
7 Amy Goodman im Gespräch mit Sepidh Farsi, in: Democracy Now, 18. April 2025,

8 www.instagram.com/fatma_hassona2/
9 www.festival-cannes.com/en/press/press-releases/tribute-to-fatma-hassona/
10 ZDF-Morgenmagazin, 18. Oktober 2023, www.youtube.com/
watch?v=pNjzF6T67aQ
11 https://reliefweb.int/report/occupied-palestinian-territory/humanitarian-situation-update-284-gaza-strip

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