Kriege

Private Militärfirmen – Konflikt als Kommerz

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von ROLF UESSELER, 18. April 2009 –

Während man in vielen Ländern die Privatisierung militärischer Dienstleistungen und ihre Folgen breit diskutiert, wird in Deutschland immer noch so getan, als handele es sich bei den privaten Militär- und Sicherheitsfirmen (PMSF) um ein marginales Problem. Auch die Mehrzahl der Politiker hierzulande betrachtet Privatsoldaten und ihre Firmen als ein Randphänomen, als eine Art modernes Söldnertum, obwohl allen Fraktionen im Bundestag – liest man ihre Einlassungen zu diesem Thema – schon einmal bewusst geworden ist, dass damit auch die Frage des staatlichen Gewaltmonopols tangiert wird. Dabei ist – man braucht sich nur den afrikanischen Kontinent, Lateinamerika oder Asien anschauen – die Erosion, das Zusammenbrechen bzw. das Nicht-Vorhanden-Sein des staatlichen Gewaltmonopols das primäre Problem auf diesem Globus. Angesichts der Tatsache, dass die übergroße Mehrheit der Staaten dieser Erde über kein funktionierendes inneres und/oder äußeres Gewaltmonopol verfügt, hält sich die Anzahl der gewaltsam ausgetragenen Konflikte noch in Grenzen. Doch die Tendenz zu Krisen nimmt zu.

Dass das Problem der Kommerzialisierung des staatlichen Gewaltmonopols in Gestalt von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen hierzulande kaum gesehen wird, hat vielerlei Gründe. So wird über das Phänomen der PMSF nur selten und nur sporadisch berichtet. Es gerät nur dann über die Medien in die Öffentlichkeit, wenn mal wieder eine Firma wie „Blackwater“ irgendwo in einem krisengeschüttelten Land ein Massaker an Zivilisten verübt hat, eine Firma wie „Dyncorp“ in Prostituierten- und Drogenhandel verwickelt ist oder eine Firma wie „Kellog, Brown & Root“ den US-amerikanischen Staat um Millionen betrogen hat. Doch genauso schnell, wie diese „Skandale“ auftauchen, sind sie auch wieder aus den Schlagzeilen verschwunden.

Außerdem wissen die meisten Bürger gar nicht, dass es diese „Armeen“ von Privatsoldaten überhaupt gibt und was sie tun, und das, obwohl es weit über eine Million Personen sind, die bei den PMSF unter Vertrag stehen bzw. für sie als „free lancer“ arbeiten und jeden Tag in über sechzig Ländern tätig sind.
Auch die PMSF selbst sind nicht gerade darauf erpicht, ihre Tätigkeiten breit darzustellen. Zumeist ist es ein „schmutziges Handwerk“, das sie in den kriegs- und krisengeschüttelten Regionen dieser Erde verrichten. Ganz abgesehen davon, dass sie sich durch Privatverträge dem jeweiligen Auftraggeber – ob staatliche Regierung, War-Lord oder Wirtschaftskonzern – gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet haben.

Auch die Auftraggeber wünschen in den meisten Fällen nicht, dass bekannt wird, welche sicherheitsrelevanten oder geostrategischen Probleme sie durch welche PMSF wo und in welcher Weise lösen lassen.

Dass es sich bei den PMSF um ein reales Phänomen und Problem handelt, zeigen tagtäglich Ereignisse aus den unzähligen Krisengebieten dieser Welt. Denn überall wo es Konflikte – vor allem bewaffnete Konflikte – gibt, sind auch PMSF involviert. Denkt man nur an das aktuell für Schlagzeilen sorgende Problem der Piraterie, so ist zu konstatieren, dass auf der einen Seite PMSF ihre Dienste zur Bekämpfung der „Meeresterroristen“ Reedern, Versicherungen oder Regierungen anbieten und auch erfolgreich Verträge mit ihnen abschließen. Auf der anderen Seite werden die modernen Piraten, ob nun im Golf von Aden, im Gelben Meer oder in der Straße von Malakka ebenfalls von PMSF ausgebildet, ausgerüstet und logistisch unterstützt.
Denn anders als man aufgrund westlicher Berichterstattung vermuten würde, agieren diese privaten Militär- und Sicherheitsfirmen mit ihren angestellten „Gewaltakteuren“ nicht nur auf der Seite der „Guten“, sondern stellen ihre käuflichen Dienstleistungen auch der anderen Seite zur Verfügung. PMSF haben sich nämlich im letzten Jahrzehnt ausgehend von den angelsächsischen Ländern in einer großen Anzahl von Staaten ausgebreitet, wobei kein Kontinent mehr ausgespart ist.

Allein in den USA und Großbritannien sind über tausend PMSF angesiedelt, die in der Mehrzahl die Form von Aktiengesellschaften haben. Viele von ihnen sind an der Börse notiert und einige rangieren unter den ersten 500 Unternehmen in diesen beiden Ländern. Im Übrigen betrug der geschätzte Umsatz der Branche im Jahr 2008 weltweit rund 250 Milliarden US Dollar. Zwar haben die Steigerungsraten mit dem Ende der Bush-Ära abgenommen, dennoch bleiben die privaten Militär- und Sicherheitsfirmen die boomende Branche im tertiären Wirtschaftssektor schlechthin.

Zur Klärung sei nebenher angemerkt, dass hier – wie im internationalen Sprachgebrauch üblich – unter PMSF jene Firmen gefasst sind, die Dienstleistungen anbieten und verkaufen, die bisher den staatlichen Streitkräften vorbehalten waren. Unter die Sicherheitsfirmen bei den PMSF fällt also nicht die Masse derjenigen, die als Wach- und Schließdienste tätig sind, Geldtransporte, Betriebsanlagen, öffentliche Gebäude etc. bewachen oder Ordnungsdienste auf Flughäfen, Bahnhöfen oder in Shopping Malls verrichten. Darunter sind hingegen die verhältnismäßig wenigen Firmen gefasst, die für Auslandseinsätze in Krisen- und Konfliktgebieten bzw. in Kriegsgebieten Dienstleistungen verrichten, die völkerrechtlich dem Militär vorbehalten sind. Diese Firmen sind deshalb in die PMSF Kategorie aufgenommen (beziehungsweise die Privaten Militär Firmen um diese Sicherheitsfirmen erweitert) worden, weil sie innerhalb des Hoheitsgebiets „starker Staaten“ als Sicherheitsfirmen mit dem oben genannten Tätigkeitsspektrum arbeiten, aber in „schwachen Staaten“ als militärische Dienstleister auftreten.
Auf Deutschland bezogen heißt es, dass von über 400 registrierten Sicherheitsfirmen weniger als fünfzig diese – in den militärischen Bereich fallenden – Dienste mit (!) anbieten. Die „reinen“ Militärfirmen mit überwiegend deutschem Kapital belaufen sich auf ein paar Dutzend. Daneben sind auf deutschem Boden fast alle großen westlichen privaten Militärfirmen mit rund siebzig Niederlassungen präsent, die hier Aufträge akquirieren und deutsches Personal rekrutieren.

Was die Dienstleistungspalette der PMSF anbetrifft, so sind in Bezug auf das friedliche Zusammenleben zwischen den Völkern, wie es die UN-Charta als Auftrag vorsieht, folgende Bereiche von Bedeutung.
– Die Bereitstellung von Kampftruppen, die sowohl zur Unterstützung von regulären Streitkräften (der eigenen wie fremder Nationen) eingesetzt werden, aber auch als eigenständige Verbände
– Kämpfende (Spezial-)Einheiten zur Terroristenbekämpfung, zur Niederschlagung von Rebellenverbänden, zur Bekämpfung aufständischer Truppen bzw. Milizen
– Bewaffneter Objekt-, Anlagen- und Institutionenschutz (von der Gebäudesicherung regierungsamtlicher Stellen – z.B. die „green zone“ in Bagdad – bis hin zur Bewachung von Convoys und Pipe-Lines, Schifffahrtsrouten und Erdölfeldern etc.) sowie bewaffneter Personenschutz
– Ausbildung und Training von militärischem Personal (für alle Waffengattungen und alle Spezialtruppen) sowie von polizeilichem Personal, die in firmeneigenen Trainingscentern und Ausbildungscamps, aber bei Auslandseinsätzen auch vor Ort erfolgt
– Militärische Beratung einschließlich Ausbildung in strategischen und taktischen Fragen der Kriegsführung vor allem für das Führungspersonal ausländischer Streitkräfte
– Der gesamte Aufgabenbereich im Logistik-, Nachschub- und Wartungssektor. Dies reicht von der Erstellung ganzer Militärstützpunkte über die Versorgung der kämpfenden Truppen mit Lebensmitteln, Munition, Benzin etc. bis hin zur Wartung des Fahrzeugparks und hochkomplexer Waffensysteme
– Tätigkeiten im gesamten militärisch bedeutsamen Intelligence-Sektor. Dies umfasst beispielsweise das Bereitstellen von Verhörspezialisten ebenso wie Spionagetätigkeiten, die Beschaffung und Analyse geheimer Informationen ebenso wie die Bereitstellung von undercover-agents, die Entwicklung von deception-strategies ebenso wie Tätigkeiten der militärischen Aufklärung oder die Erstellung von Risikoanalysen.

Die Auftraggeber von PMSF sind nicht nur staatliche Regierungen – auch wenn sie gegenwärtig prozentual noch die größte Nachfragegruppe von militärischen und/oder sicherheitstechnischen Dienstleistungen darstellen. Konzerne der extrahierenden Industrie (Öl, Gas, Gold, Uran, Coltan etc.) nehmen die Dienste der PMSF ebenso in Anspruch wie solche aus der Konsumgüterbranche (von der Textil- bis zur Automobilindustrie). Die Global Players im Versicherungswesen nehmen PMSF ebenso unter Vertrag wie die internationale Hochfinanz. In steigendem Maße bedienen sich NGO’s ebenso wie humanitäre Organisationen der PMSF, um – häufig mangels Alternativen in Krisengebieten – ihre Sicherheitsbedürfnisse abzudecken.

Die Entwicklung der privaten Militärbranche

Seit den neunziger Jahren hat sich ein rasch wachsender Markt für private Militär- und Sicherheitsfirmen herausgebildet. Es entstand eine neue Dienstleistungsbranche im höchst sensiblen Bereich der Inneren und Äußeren Sicherheit, der ehemals nur staatlicher Tätigkeit vorbehalten war, der von Unternehmen mit modernsten Managementmethoden und höchstem militärischen Know-How besetzt wurde und die rein profitorientiert arbeiten. Dabei waren es vor allem die westlichen Industrienationen, die diese Entwicklung angeschoben haben. Inzwischen ist das Phänomen der PMSF, wenn auch in unterschiedlicher Ausformung, Dichte, Quantität und Qualität – wie gesagt –, über den ganzen Erdball verbreitet.

Es gab verschiedene Auslöser für diesen Trend: die Globalisierung, die veränderte geopolitische Ordnung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, die „elektronische Revolution“ im Rüstungssektor, die neoliberale Ideologie vom „schlanken Staat“. Aber vor allem waren es die neuen Formen auftretender Krisen, die nach dem Ende der Block-Zugehörigkeiten (das „kapitalistische“ bzw. „sozialistische“ Lager) auf der internationalen Bühne manifest wurden. Die Auseinandersetzungen und Konflikte – vor allem in bewaffneter Form – traten nicht mehr vereinzelt auf, waren kaum noch monokausal verursacht und fanden nicht mehr unter der Aufsicht oder Kontrolle der Führungsmächte in den Blöcken – den USA und der UdSSR – statt. Stattdessen hatten sie ihren Ursprung in einer Vielzahl von destabilisierenden Faktoren, die sich zumeist gegenseitig verstärkten und eine Vielzahl von staatlichen wie von teilweise neu auftretenden unkontrollierten nicht-staatlichen Gewaltakteuren involvierten. Die klassische, auf zwischen- oder innerstaatliche Kriege orientierte, mit militärischen Mitteln zu lösende Sicherheitspolitik war angesichts der neu auftretenden Konfliktlagen sowohl strukturell als auch aufgrund unangemessener Mittel überfordert. Viele politische Entscheidungsträger, aber auch solche in den Chefetagen global agierender Wirtschaftskonzerne, sahen eine Lösung für die neu aufgetretenen Sicherheitsprobleme im Einsetzen von PMSF.

Betrachtet man die wachsende Nachfrage nach PMSF-Dienstleistungen seitens der westlichen und anderer „starker“ Staaten zur Absicherung ihrer geostrategischen Interessen, so lässt sie sich im Wesentlichen auf vier Punkte zurückführen:
– Ein gestiegener Bedarf an militärischer Interventionskapazität außerhalb der eigenen unmittelbaren Einflusszonen (als Beispiel möge das Konzept der „extended self-defence“ stehen, mit dem die USA und ihre Verbündeten ihr Eingreifen in Afghanistan und dem Irak legitimierten)
– Die Möglichkeit, durch den Ankauf von privat angebotenen Militär- und Sicherheitsleistungen, die begrenzten Mittel des Verteidigungshaushalts zu erweitern und – als Exekutive – zusätzliche Personalkapazitäten in Friedenszeiten zur Verfügung zu haben
– Der generelle Trend im Zuge der neoliberalen Konzeption, den Staat auf „seine Kernaufgaben“ zurückzufahren und alles Übrige dem „Markt“ zu überlassen, einschließlich eines wachsenden Teils der inneren wie äußeren Sicherheitsaufgaben
– Eine Struktur- und Funktionsveränderung bei den staatlichen Streitkräften wie bei den internen Ordnungskräften. Das für zwischenstaatliche Kriege konzipierte Militär mit seinen multiplen und häufig undifferenzierten Aufgaben wurde in vielen Teilen zu ausdifferenzierten kleineren Einheiten mit spezifischen Aufgaben umgebaut, die auf Einsätze „overseas“ fokussiert wurden. Die internen Ordnungs- und Sicherheitskräfte wurden auf „Kernaufgaben“ sowie Überwachungs- und Kontrollaufgaben zurückgefahren.

Im Zuge dieser politisch gewollten Veränderung bei den militärischen und polizeilichen Sicherheitsaufgaben des Staates haben sich drei Umwandlungsformen herausgebildet: Outsourcing, Privatisierung und Kommerzialisierung.
– Beim Outsourcing handelt es sich um die kurz- oder längerfristige Auslagerung von bestimmten Aufgaben und Leistungen aus der staatlichen Befugnis auf private Anbieter von Dienstleistungen (hier PMSF). Die Formen des Outsourcing variieren vielfältigst, insbesondere was staatliche Beteiligungsrechte und Kontrollbefugnisse anbetrifft.
– Bei der Privatisierung entledigt sich der Staat bestimmter, in seiner Hoheit stehender Aufgaben im Bereich der Inneren und Äußeren Sicherheit, gliedert sie aus seiner Befugnis aus und überlässt sie vollständig dem privaten Wirtschaftsraum.
– Bei der Kommerzialisierung im militärischen bzw. polizeilichen Bereich handelt es sich darum, dass private Anbieter von Sicherheitsdienstleistungen (in Form von PMSF) in Konkurrenz (!) zum Staat bzw. zu staatlichen Anbietern treten.

Auswirkungen der Privatisierung

Diese Umwandlungen im bisher ausschließlich dem Staat vorbehaltenen Hoheitsbereich haben nicht nur in den westlichen Staaten, sondern auf dem gesamten Globus eine neue Gemengelage erzeugt. Vor allem bei gewaltsam, mit militärischen Mitteln ausgetragenen Konflikten sind die involvierten Akteure kaum noch identifizierbar, da immer häufiger und massiver PMSF zum Einsatz kommen. Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass sich nicht mehr einzelne Staaten mit ihren Militärs als Kriegsgegner oder Bürgerkriegsparteien gegenüberstehen, sondern dass in jeder der Konfliktparteien mehrere Länder mit unterschiedlichen Funktionen und Verantwortlichkeiten vertreten sind. Und in zweiter Linie hängt es mit der Struktur der PMSF zusammen. Diese haben ihre Aktivitäten und Verantwortlichkeiten häufig auf mehrere Länder verteilt; außerdem stellen sie je nach Funktion, Aufgabe und Ort unterschiedliches Personal ein, das sie in der ganzen Welt rekrutieren.

Aus der völkerrechtlichen Perspektive lassen sich mit Blick auf das Wirken und den Einsatz von PMSF folgende Unterscheidungen treffen:
– „Contracting States“ sind solche Staaten, die einen Vertrag mit PMSF abschließen, damit sie in ihrem Auftrag tätig werden und bestimmte Aufgaben erfüllen. Sie bleiben auch dann „Vertragsstaaten“, wenn die beauftragten PMSF Unterverträge an andere Firmen weitergeben.
– „Territorial States“ sind solche Staaten, auf deren Hoheitsgebiet PMSF operieren und Aufgaben, die unter des staatlichen Gewaltmonopol fallen, übernehmen.
– „Home States“ sind die Staaten, in denen die PMSF beheimatet sind. Dabei ist zu unterscheiden: 1. zwischen dem juristischen Sitz der PMSF, der nicht selten in Steuerparadiesen liegt; 2. dem Geschäftssitz der PMSF, das heißt dem Sitz, wo sich das Management befindet und die geschäftsmäßigen Vorgänge von der Akquisition bis zur Verwaltung abgewickelt werden; 3. dem operativen Sitz, d.h. die Zentrale, von der die Auftragserfüllung hinsichtlich der verschiedenen Tätigkeiten im Territorium abgewickelt wird; 4. dem Heimatland (nationale Zugehörigkeit) des zumeist bunt zusammen gewürfelten PMSF-Personals.

Für alle Staaten – und nicht nur für die „Vertragsstaaten“ – ergeben sich durch den Einsatz von PMSF daraus besondere, wenn auch jeweils unterschiedliche Zuständigkeiten und vor allem Verantwortlichkeiten, die sich aus dem allgemeinen Völkerecht, dem humanitären Völkerrecht, der Charta der Menschenrechte und dem Völkerstrafrecht ableiten. Die Verantwortlichkeit für das Handeln von PMSF-Angestellten tragen einmal die sie beschäftigenden Firmen, aber auch die jeweiligen staatlichen wie nicht-staatlichen Auftraggeber. Im Falle von Konzernen der Privatwirtschaft oder von privaten Organisationen tragen neben diesen auch die Staaten Verantwortung, in denen sie beheimatet sind sowie die Staaten, in denen sie mit den von ihnen beauftragten PMSF tätig werden. (Beispiel: Ein deutsches Wirtschaftsunternehmen beauftragt eine englische private Militärfirma, für sie in Angola tätig zu werden. Verantwortlich sind die beiden Firmen, der deutsche und der angolanische Staat, sowie die Nationen, aus denen das Personal der englischen Firma stammt.)
Es gibt auf diesem Globus keinen rechtsfreien Raum und kein Staat kann sich beim Einsatz von PMSF rechtlich aus der Verantwortung ziehen. Das große Problem sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene ist gegenwärtig die Rechtsdurchsetzung, da es sowohl an politischem Willen, dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, sowie an entsprechenden Regeln, Verfahren und Abmachungen fehlt.

Darüber hinaus gibt es eine Fülle von Problemen, die mit dem Einsatz und dem Handeln von PMSF aufgetaucht sind und die zurzeit nicht oder nur unzureichend gelöst worden sind. Diese betreffen nicht nur strafrechtliche Aspekte – wenn auch die Verletzung von Menschenrechten bis hin zum Mord häufig im Vordergrund der Berichterstattung steht – oder zivilrechtliche und vertragliche Aspekte sondern im besonderen Maße auch politische Gesichtspunkte.
Diese Probleme resultieren vor allem daraus, dass vergleichbare Standards, wie sie für das staatliche Militär oder für staatliche Ordnungskräfte (Polizei etc.) gelten, für PMSF nicht oder nur in Ansätzen vorhanden sind. Und sie resultieren zusätzlich daraus, dass es keine Abstimmung zwischen den „Vertrags-„, den „Territorial-„ und den „Heimatstaaten“ gibt, welche Regeln nun für das Handeln von PMSF und der von ihnen angestellten privaten Gewaltakteure verbindlich sein sollen. Dies führt zu
– einem Mangel an demokratischer Kontrolle
– dem Fehlen von Transparenz
– unklaren Verantwortlichkeiten
– nicht erkennbarer Zurechenbarkeit
– mangelnder Rechenschaftspflicht
sowohl auf politischer wie auf rechtlicher Ebene.

Zwei Beispiele mögen dies erläutern. PMSF sind im Allgemeinen private Dienstleistungsunternehmen, die zivilrechtliche Verträge mit dem Auftraggeber abschließen und durch das Vertragsgeheimnis geschützt sind. Dies macht eine demokratische Kontrolle sowohl der Auftragsvergabe wie der Auftragserfüllung nahezu unmöglich. Die Kontrolle durch das Parlament gestaltet sich als äußerst schwierig, da die Exekutive über die Inhalte der mit den PMSF abgeschlossenen Verträge nur bedingt auskunftspflichtig ist (Vertragsgeheimnis). Der Justiz als dritter Gewalt sind aufgrund rechtsstaatlicher Prinzipien die Hände zumeist deshalb gebunden, weil unter anderem die Vertragserfüllung nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich stattfindet. Der Rechnungshof kann nicht zuletzt mangels umfassender Kenntnisse die ordnungsgemäße Verwendung von Steuergeldern kaum überprüfen. Den Medien und der Öffentlichkeit fehlen Informationen, um die Regierung wirksam kontrollieren zu können. Dazu kommt, dass selbst die Exekutive kaum in der Lage ist, die Fülle der abgeschlossenen Verträge auf ihre qualitative wie quantitative Erfüllung zu überprüfen, da ihr einerseits nicht ausreichendes und entsprechendes Kontrollpersonal zur Verfügung steht und ihr andererseits eine adäquate Überprüfung bei Auslandseinsätzen von PMSF nur in eingeschränktem Maße gestattet ist.

Die Inanspruchnahme von PMSF birgt ein erhöhtes Risiko für die demokratische Ordnung innerhalb der Nationen, in denen sie militärisch tätig sind, sowie für die friedliche Koexistenz zwischen den Staaten in sich. Für Regierungen erscheint es häufig vorteilhaft, sich der PMSF zu bedienen, um schnell und „unbürokratisch“ auf bestimmte Konfliktsituationen reagieren zu können, um internationale Verwicklungen zu vermeiden, um Partikularinteressen im eigenen Land inoffiziell besser verfolgen zu können. Auf diese Weise können sie u.a. Debatten im Parlament – insbesondere mit der Opposition – vermeiden, müssen sie sich nicht der Öffentlichkeit stellen – speziell, wenn es darum geht, den Verlust von Menschenleben zu erklären -, müssen sich nicht den Fragen internationaler Gremien stellen oder ihnen gegenüber ihre Handlungsweise legitimieren. Die Folge ist, dass der Parlamentsvorbehalt beim Einsatz militärischer Gewalt ausgehebelt wird. Das Parlament kann so nicht nur nicht entscheiden, sondern ist häufig noch nicht einmal darüber unterrichtet, was „im Namen des Volkes“ geschieht. Dazu kommt, dass bei Einsätzen von PMSF immer häufiger zu beobachten ist, dass militärische und polizeiliche Zuständigkeiten nahtlos ineinander übergehen. Dies hat zur Folge, dass das Trennungsgebot zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit tendenziell aufgehoben und damit Grundsätze der Verfassungen missachtet werden. Im Extremfall führt dies – wie immer wieder Beispiele belegen – zu einer Militarisierung der Gesellschaft.

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Der Autor: Rolf Uesseler, Jahrgang 1943, studierte Ökonomie, Psychologie und Publizistik und lebt seit 1979 als freier Publizist und Wissenschaftler in Rom. Er war über ein Jahrzehnt in der italienischen Anti-Mafia-Bewegung tätig. Darüber hinaus beschäftigt er
sich mit illegalen Trends in der Weltwirtschaft, Schattenökonomie, Privatisierung und Entdemokratisierung.

Der Artikel erschien zuerst in Hintergrund – Das Nachrichtenmagazin, Heft 2/2009

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