Kriege

"Für eine solche Regierung will ich nicht kämpfen"

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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In der Ukraine flammen die Kämpfe erneut auf, der Unmut in der Bevölkerung über den Krieg wächst –

Von SEBASTIAN RANGE, 26. Juni 2015 –

Während die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor einer Verschärfung der Lage in der umkämpften Ostukraine warnt, trafen sich am Dienstag die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine in Paris, um ein endgültiges Scheitern des Minsker Friedensabkommens zu verhindern. „Wir rufen zu einer schnellen Deeskalation und zu einem sofortigen Waffenstillstand auf“, zitiert die Deutsche-Presse-Agentur (dpa) den französischen Außenminister Laurent Fabius nach dem Treffen. Frank-Walter Steinmeier äußerte seine Hoffnung, dass die Gespräche den Weg zu einem lokalen Waffenstillstand im ostukrainischen Ort Schirokine, wo die Kämpfe besonders schwer toben, geebnet haben. „Wir müssen jetzt sehen, ob das tatsächlich vor Ort auch akzeptiert wird“, sagte der deutsche Außenminister. „Wir können das nicht alleine auf politischer Ebene, wir brauchen dazu jetzt die militärischen Experten der OSZE.“ Wenn dies gelinge, könne es auch ein Beispiel sein für andere Regionen, in denen der im Februar in Minsk vereinbarte Waffenstillstand zwischen den ukrainischen Truppen und den Milizen der abtrünnigen „Volksrepubliken“ zuletzt verletzt wurde. Ein Plan zur Deeskalation in Schirokine wäre ein erster Schritt auf dem Weg zu einer größeren Demilitarisierung, notierte Fabius laut dpa als Ergebnis des Treffens.

Schirokine liegt östlich von Mariupol und grenzt an das Territorium der „Volksrepublik“ Donezk. Im Februar wurde die Ortschaft von Kämpfern des neonazistischen Asow-Regiments erobert. Das sich ebenfalls aus nationalistisch gesinnten Freiwilligen zusammensetzende Donbass-Bataillon rückte anschließend zur Verstärkung ein. Seitdem kommt es dort immer wieder zu Kämpfen zwischen den verfeindeten Parteien. Bemühungen der OSZE, beide Seiten zu einem Rückzug aus der mittlerweile weitgehend zerstörten und von ihren Einwohnern verlassenen Ortschaft zu bewegen, scheiterten am Widerstand der ukrainischen Kräfte, „die trotz einer vorläufigen Vereinbarung nicht die Absicht haben, ihre Waffen von der Frontlinie zurückzuziehen“, wie die Kyiv Post im April berichtete. (1) Neben Schirokine ist einem aktuellen OSZE-Bericht zufolge besonders der Flughafen von Donezk heftig umkämpft. Innerhalb von sechs Stunden seien dort am Dienstag 139 Explosionen durch Artilleriebeschuss und Mörsergranaten gezählt worden. (2)

Der Flughafen liegt auf dem Territorium der „Volksrepublik“ Donezk. Das erste Minsker Abkommen von September 2014 sah einen Rückzug der ukrainischen Truppen vor, die sich dort verschanzt hatten. Kiew lehnte das ab. Nach schweren Kämpfen war es den Kämpfern der „Volksrepublik“ im Frühjahr schließlich gelungen, das völlig zerstörte Areal einzunehmen.  Mit den Worten „das ist unser Land“ kündigte Präsident Petro Poroschenko im Mai die „Befreiung“ des Flughafens an – ein klarer Verstoß gegen das Minsker Abkommen.

Seit Ende April nehmen die Spannungen zwischen den ukrainischen Kampfverbänden und den Milizen der „Volksrepubliken“ insgesamt wieder zu, erklärte der stellvertretende Leiter der OSZE-Beobachtermission, Alexander Hug, gegenüber dpa. „Wir registrieren eine größere Anzahl von Verletzten und Toten unter der Zivilbevölkerung.“ Auch die Zahl der getöteten Kämpfer steige auf beiden Seiten. Bei den Kämpfen würden wieder verstärkt schwere Waffen benutzt, weshalb auch die Zerstörung der Infrastruktur zunehme. Laut Angaben von Behörden der „Volksrepublik“ Lugansk wurden über fünfhundert Zivilisten seit dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes Mitte Februar 2015 getötet. (3) Gänzlich eingestellt wurde der willkürliche Beschuss von Ortschaften und Städten im Donbass durch ukrainische Armeekräfte ohnehin fast zu keinem Zeitpunkt – worüber die westlichen Partner Kiews jedoch geflissentlich hinwegsehen.

Wachsende Kriegsmüdigkeit

In der ukrainischen Armee wächst allerdings der Unmut angesichts der von so manchem Vertreter der ukrainischen Regierung in den vergangenen Monaten formulierten Absicht, den Donbass mit militärischer Gewalt zurückzuerobern. Vor einigen Tagen lief Generalmajor Alexander Kolomijez zu den Milizen der „Volksrepublik“ Donezk über. Kolomijez, der dem früheren Verteidigungsminister Dmitir Salamatin (bis 2012 im Amt) als Assistent diente, begründete seinen Schritt damit, sein „Heimatland Donbass“ verteidigen zu wollen. „Hunderte Soldaten und Offiziere“, die aus dem Donbass stammen, hätten sich seit  Ausbruch der Kämpfe den dortigen „Volksmilizen“ angeschlossen, um dort ihre Familien zu schützen. „Jetzt verteidigen sie mit Waffen in der Hand ihre Häuser.“

„Ich habe mit vielen Generälen der ukrainischen Streitkräfte gesprochen. Alle sind gegen diesen Krieg. Niemand will kämpfen“, so der Generalmajor während einer am Montag, den 22. Juni, abgehaltenen Pressekonferenz.  Viele Angehörige der ukrainischen Armee hielten den Krieg für „verbrecherisch“, die Kampfmoral sei entsprechend, nur die Freiwilligenbataillone würden noch bereitwillig in die Schlacht ziehen.

Allein die Angst vor Repressalien gegen sich selbst und ihre Familienangehörigen halte viele Soldaten davon ab, ebenfalls zu desertieren, so Kolomijez, dessen Familie Kiew aus Sicherheitsgründen verlassen hat. (4) Wie schlecht es um die Truppenmoral bestellt ist, verdeutlichte vor zwei Monaten ein Bericht der Washington Post. Die US-Zeitung bezifferte die Zahl der Deserteure auf dreizehntausend. (5) Hinzu kommt eine etwa gleich große Anzahl ukrainischer Soldaten, die auf der Krim stationiert waren und zur russischen Armee überwechselten. Zudem haben sich hunderttausende Männer ins Ausland abgesetzt oder halten sich bei Freunden oder Verwandten versteckt, um der Einziehung zum Militär zu entgehen. Vor Tagen lief die sechste Mobilisierungswelle innerhalb eines Jahres an. Die Anzahl derer, die ihrem Einberufungsbescheid freiwillig Folge leisten, ist mit jeder neuen Rekrutierungskampagne gesunken. Laut ukrainischen Medienberichten habe sich nicht einmal jeder Zehnte während der im April begonnenen fünften Mobilisierungswelle freiwillig  bei den zuständigen Militärstellen eingefunden – und viele dieser „Freiwilligen“ seien in einem schlechten gesundheitlichen Zustand, weshalb sie auf eine Ausmusterung hofften. (6)

Inzwischen greift Kiew zu drastischen Mitteln, um seinen Truppen das nötige Kanonenfutter zur Verfügung zu stellen: Polizei und Militär führen regelrechte Razzien in öffentlichen Verkehrsmitteln, Supermärkten und an öffentlichen Plätzen durch, um die Unwilligen aufzuspüren und in die Kasernen zu befördern.  Wer seinem Einberufungsbescheid nicht Folge leistet, dem drohen drei Jahre Gefängnis. „Lieber sitze ich drei Jahre im Gefängnis – und bin sicher und bekomme was zu essen – als zu dienen“, zitiert die Washington Post einen 26-jährigen Arbeiter. „Ein Jahr nach Antritt der neuen Regierung müssen wir immer noch zwei Tage arbeiten, um uns einen Laib Brot leisten zu können. Für eine solche Regierung will ich nicht kämpfen.“ (7)

Sie wollen die Fortsetzung des Krieges unbedingt: Kämpfer des neonazistischen “Regiment Asow”

Die Aussage ist Ausdruck einer allgemeinen Stimmung, wie eine jüngst vom ukrainischen Zentrum für soziologische Studien durchgeführte Umfrage bescheinigt. Mit weitem Abstand (48,5 Prozent) wird die Beendigung des Krieges im Donbass als oberste Priorität genannt, der sich die Regierung verschreiben sollte. 48,5 Prozent werfen dieser vor, „nicht genug“ für den Frieden zu tun, während 33,5 Prozent gar der Meinung sind, Kiew tue „gar nichts“ für dieses Ziel. Die Verbesserung der ökonomischen Lage folgt an zweiter Stelle (15,6 Prozent) der genannten Prioritäten – nahezu neunzig Prozent machen die Regierung für die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage „vollständig“ oder „teilweise“ verantwortlich. Nur ein Viertel der Befragten meint, das Land entwickle sich seit dem Sturz des Präsidenten Janukowitsch in die richtige Richtung. Obwohl eine große Mehrheit eine Anerkennung der beiden „Volksrepubliken“ im Donbass als unakzeptabel betrachtet, sprechen sich gleichzeitig 61,8 Prozent dafür aus, den Krieg im Donbass auch unter dem Preis der Aufgabe des „okkupierten Gebiets“ zu beenden. Die Umfrage schloss Bewohner der Krim ein, jedoch nicht die der beiden „Volksrepubliken“. (8)

Laut einer ebenfalls aktuellen Umfrage, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut „Rating“, sinkt auch der Wunsch der Ukrainer nach einem Beitritt ihres Landes zur NATO. Demnach sprechen sich nur noch vierzig Prozent der Befragten dafür aus, im vergangenen November war noch eine knappe Mehrheit von 51 Prozent für diesen Schritt. (9) Neben der miserablen wirtschaftlichen und sozialen Lage ist es die nach wie vor grassierende Korruption, die zu einem massiven Vertrauensverlust in die Regierungsparteien geführt hat.

Eine vor zwei Monaten veröffentlichte Studie des schweizerischen Organized Crime Observatory (OCO), die sich mit den Auswüchsen der Korruption vor und nach dem Sturz von Janukowitsch beschäftigt, kommt zu einem für die neuen Machthaber wenig schmeichelhaften Urteil.  „Nach dem Zusammenbruch des alten Regimes“ sei die Korruption innerhalb der Behörden „völlig außer Kontrolle“ geraten. „Staatliche Korruption und Interessenskonflikte bleiben ein erhebliches Problem für die Ukraine, damals wie heute.“ Wer sich im Land engagieren wolle, müsse „mit Gruppen zusammenarbeiten, die in die oligarchischen Strukturen eingebunden sind“. Der größte Unterschied zwischen damals und heute bestehe in der Einnahmequelle: Unter Janukowitsch seien vor allem die einheimische Industrie und die staatlichen Töpfe geschröpft worden, während sich jetzt vor allem an den aus dem Ausland einfließenden Geldern bedient werde. (10)

Und diese sollen nach dem Willen des Internationalen Währungsfond (IWF) weiter fließen, obwohl das ukrainische Parlament vor einem Monat die Regierung mit der Vollmacht ausstatte, ein Schulden-Moratorium gegenüber privaten Gläubigern zu verhängen. Auch wenn Kiew deren Ansprüche nicht mehr bedienen könne, werde das Finanzinstitut dem Land weiterhin Kredite zur Verfügung stellen, erklärte IWF-Chefin Christine Lagarde nach der Entscheidung der Rada. (11) Vergleicht man die großzügige Haltung des IWF mit der Position, die der Währungsfond gegenüber Griechenland einnimmt, lässt sich der Eindruck kaum vermeiden, dass der IWF seine Politik nicht nach wirtschaftlichen Grundsätzen ausrichtet, sondern nach den geopolitischen Interessen des US-geführten Westens.

In den Augen der Financial Times seien die privaten Kreditgeber „moralisch verpflichtet“, einen umfassenden Schuldenschnitt mitzutragen, da „das bloße Überleben der Ukraine als Staat“ auf dem Spiel stehe. „Wenn das Land aufhört, in seiner gegenwärtigen Form zu existieren, werden die Gläubiger gar nichts bekommen,“ so das Finanzblatt, das einen Schuldenschnitt für unbedingt nötig hält, damit Kiew „die Konfrontation mit der russischen Aggression im Osten des Landes“ fortsetzen kann. (12)

Tauziehen in Washington – Machtkampf in Kiew

Möglicherweise aus Rücksichtnahme auf die der andauernden Konfrontation müde gewordenen Bevölkerung schlug Präsident Poroschenko derweil ganz ungewohnte Töne an. Gegenüber einem ukrainischen Radiosender sagte er in der vergangenen Woche, die Völker der Ukraine und Russlands seien Teil eines gemeinsamen „slawischen Volkes“, und sollten „unter keinen Umständen gegeneinander kämpfen“. Er verfolge das Ziel, die Differenzen zwischen den „brüderlichen Nationen“ auszuräumen – noch im April sprach er hingegen davon, der Krieg werde erst enden, wenn sich sowohl der Donbass als auch die Krim wieder unter ukrainischer Kontrolle befinden. (13)

Die neue Tonlage des Prädienten könnte auch Äußerungen des US-Außenministers John Kerry geschuldet sein, der Poroschenko während seiner Visite Mitte Mai in Sotchi, wo er mit seinem russischen Amtskollegen zusammentraf, in ungewohnter Weise öffentlich maßregelte, nachdem Poroschenko zuvor die Rückeroberung des Donezker Flughafens angekündigt hatte. Kerry empfahl Poroschenko, es sich „zu diesem Zeitpunkt“ besser „zweimal zu überlegen“, Aktivitäten in Erwägung zu ziehen, die das Minsker Abkommen „ernsthaft gefährden“ würden. Über die damit verbundenen Konsequenzen wären die USA „sehr besorgt“. (14)

Nie zuvor hatte sich ein Vertreter Washingtons so deutlich für die Einhaltung des Minsker Abkommens ausgesprochen – was entsprechend starken Unmut bei den US-Kriegsfalken auslöste, die bestrebt sind, den Konflikt mit Russland anzuheizen. Kerrys Position fiel auch auf die Missgunst vieler US-Medien. Von einem „diplomatischen Sieg“ Putins sprach anschließend die New York Times. (15) Die Obama-Administration erscheine „schwach und verzweifelt“, lautete der Vorwurf des US-Magazins The American Interest, in dessen vierköpfigem Vorstand neben dem ehemaligen US-Präsidentenberater  Zbigniew Brzezinski und dem Neocon-Urgestein Eliot Cohen auch der Zeit-Mitherausgeber Josef Joffe mitwirkt. (16) Auch die prowestliche Kyiv Post sprach von einer „schädlichen Diplomatie“ und warf John Kerry „Feigheit“ vor. (17)

Das Tauziehen innerhalb der US-Administration darüber, ob eine neue militärische Offensive zur Rückeroberung des Donbass das geeignete Mittel ist, den Graben zwischen Russland und Resteuropa zu vertiefen, hält nach wie vor an. Innerhalb des Kiewer Machtapparates spiegelt sich dieser Konflikt wieder – wobei Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk der „Kriegsfraktion“ zugerechnet werden kann, während Präsident Poroschenko trotz seiner gern bemühten militaristisch-nationalistischen Rhetorik eher der Fraktion angehört, die bereit ist, zur Machtsicherung Kompromisse einzugehen.

Mit Zustimmung der Rada entließ Poroschenko vergangene Woche den Chef des ukrainischen Geheimdienstes SBU, Valentyn Nalyvaichenko – einen rechter Hardliner, der auf den militärischen Sieg setzt. Ukrainische Medien sehen in dem Amtswechsel das Bestreben des Präsidenten, den wichtigen Posten mit loyalerem Personal zu besetzen – inzwischen ernannte er Vasily Gritsak zu neuen Geheimdienstchef, der bislang die Anti-Terror-Abteilung des SBU leitete. Nalyvaichenko gilt als ein Mann Washingtons, wo er von 2001 bis 2003 in der dortigen ukrainischen Botschaft als Generalkonsul tätig war. Dem nun geschassten Geheimdienstchef werden enge Kontakte zur CIA nachgesagt. Im Herbst 2013 wurde er vom damaligen ukrainischen stellvertretenden Generalstaatsanwalt Renat Kusmin des Geheimnisverrats bezichtigt. (18) Nalyvaichenko soll CIA-Agenten Zugang zur SBU-Zentrale und dort befindlichen Geheimdokumenten verschafft haben, als er in den Jahren 2006 bis 2010 schon einmal den Geheimdienst führte.

Seiner Karriere schadete das nicht, zwei Tage nach dem Sturz Janukowitschs wurde er erneut zum SBU-Chef ernannt. Dass rechtsextreme Kampfverbände eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des Staatsstreiches spielten, dürfte ihm zupass gekommen sein – unterhielt er zu diesen doch schon seit Jahren enge Kontakte, insbesondere zu Dimitrij Jarosch, dem Anführer des Rechten Sektors. So hielt Nalyvaichenko während seiner ersten Amtszeit als Geheimdienstchef eine Rede vor einer Versammlung der von Jarosch geführten neonazistischen Organisation Trysub, die später im Rechten Sektor aufging. (19)

Fast zeitgleich mit der Entlassung Nalyvaichenkos ordnete das ukrainische Innenministerium die Auflösung des Freiwilligenbataillons „Tornado” an, dessen Kämpfer in der Region Lugansk ihr Unwesen trieben. Acht Mitglieder der Gruppe, darunter der Kommandeur, wurden unter dem Vorwurf festgenommen, Einwohner gefoltert, vergewaltigt und entführt zu haben. (20) Die Milizionäre hatten sich daraufhin in ihrem Stützpunkt verbarrikadiert und damit gedroht, das Feuer auf Regierungskräfte zu eröffnen. Inzwischen hat sich die Lage beruhigt, die Mitglieder des aufgelösten Kampfverbandes sollen nun in anderen Einheiten untergebracht werden.

Der Falke: Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk (zweiter von rechts) neben dem Rechtsextremisten Oleg Tjagnibok (Mitte)

Beobachter sehen in der jüngsten Entwicklung den Versuch der „Kompromiss-Fraktion“, dem Eigenleben der verschiedenen nationalistischen Freiwilligen-Verbände, die zwar allesamt formell dem Innen- bzw. Verteidigungsministerium unterstellt sind, ein Ende zu bereiten, das staatliche Gewaltmonopol zu restaurieren, und der „Kriegsfraktion“ den Wind aus den Segeln zu nehmen – entsprechende Signale kamen diesen Monat auch aus Washington.

Neben Ex-Geheimdienstchef Nalyvaichenko gilt auch Innenminister Arsen Avakow als emsiger Förderer und Verbündeter der rechtsextremen Kampfverbände. Die Kämpfer des neonazistischen Asow-Regiments genießen dessen „enthusiastische Unterstützung”, schrieb die Nachrichtenagentur Bloomberg vor zwei Wochen. (21) Avakow – laut der brodelnden Gerüchteküche will sich Poroschenko auch seiner entledigen – hatte damit geprahlt, die Asow-Kämpfer würden zu den ersten gehören, die von den im Land befindlichen US-Militärausbildern trainiert würden. Doch vor zwei Wochen machte der US-Kongress diese Pläne zunichte und entschied, – nachdem er den faschistischen Charakter der Truppe festgestellt hatte – die Asow-Kämpfer weder auszubilden noch zu finanzieren. (22)

Während die Gefechte zwischen den Kampfverbänden der Ukraine und der „Volksrepubliken“ wieder zunehmen, spitzt sich auch der Machtkampf in Kiew zu. Welche Fraktion aus diesem siegreich hervorgehen wird – was vor allem in Washington entschieden werden dürfte –, wird über die Antwort auf die Frage entscheiden, ob in der Ukraine der Weg zum Frieden bereitet wird, oder die Ex-Sowjetrepublik schließlich unter den Lasten des Krieges völlig zusammen- bzw. auseinanderbricht.

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Anmerkungen
(1) http://www.kyivpost.com/multimedia/photo/ukrainian-servicemen-refuse-to-give-up-positions-near-shyrokyne-386730.html
(2) http://www.osce.org/ukraine-smm/166601
(3) http://rusvesna.su/news/1434590462
(4) http://de.sputniknews.com/politik/20150622/302884747.html
(5) http://www.washingtonpost.com/world/europe/ukraines-military-mobilization-undermined-by-draft-dodgers/2015/04/25/fc3a5818-d236-11e4-8b1e-274d670aa9c9_story.html
(6) http://newcoldwar.org/swiss-institute-publishes-study-on-corruption-in-ukraine-before-and-after-euromaidan/
(7) http://www.washingtonpost.com/world/europe/ukraines-military-mobilization-undermined-by-draft-dodgers/2015/04/25/fc3a5818-d236-11e4-8b1e-274d670aa9c9_story.html
(8) http://www.sofia.com.ua/page167.html
(9) http://www.ratinggroup.com.ua/ua/
(10) http://www.o-c-o.net/special-report-corruption-and-org-crime-in-ukraine/
(11) http://www.dw.com/en/imf-says-it-will-continue-to-back-ukraine/a-18514951
(12) http://www.ft.com/cms/s/0/949628a4-102a-11e5-bd70-00144feabdc0.html
(13) http://oppps.ru/poroshenko-ukraina-i-rossiya-eto-odin-narod-my-ne-dolzhny-voevat.html
(14) http://rt.com/news/257953-lavrov-kerry-sochi-talks/
(15) http://www.nytimes.com/2015/05/16/world/europe/a-diplomatic-victory-and-affirmation-for-putin.html?_r=0
(16) http://www.the-american-interest.com/2015/05/14/john-kerrys-sochi-misadventure/
(17) http://www.kyivpost.com/opinion/editorial/damaging-diplomacy-388603.html
(18) http://yellowpage.in.ua/en/archives/62558
(19) https://www.youtube.com/watch?v=vrNqcuAPE4s
(20) http://sputniknews.com/europe/20150618/1023545492.html
(21) http://www.bloombergview.com/articles/2015-06-12/ukraine-s-neo-nazis-won-t-get-u-s-money
(22) http://www.unian.info/politics/1088591-us-congressmen-block-supply-of-manpads-to-ukraine-call-azov-battalion-neo-nazi.html

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