Ukraine-Krieg

Tabuthema Depleted Uranium – ein Gespräch mit Frieder Wagner

Nach der Lieferung panzerbrechender Uranmunition durch Großbritannien an die Ukraine ereiferten sich die Medien, allen voran die ARD-Tagesschau, mögliche Risiken durch radioaktive Strahlung kleinzureden. Mitte Mai, nach der Explosion eines Munitionslagers in der Westukraine, in dem auch das Uranmaterial untergebracht gewesen sein soll, entflammte erneut eine Debatte um mögliche Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung. Einer, der sich seit Jahren kritisch mit diesen Waffen auseinandersetzt, ist Frieder Wagner. Mirko Jähnert sprach für Hintergrund mit dem Autor und Dokumentarfilmer.

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Gewaltige Explosionen erschütterten Mitte Mai 2023 das Industriegebiet in Chmelnyzkyj im Westen der Ukraine. Ein grösseres Munitionsdepot soll dabei getroffen und zerstört worden sein.
Foto: Screenshot privates Video soz. Medien, Mehr Infos

Hintergrund: Umfangreiche Erfahrungen mit Uranmunition hat man seit mehr als dreißig Jahren. Wie kann es sein, dass die schädliche Wirkung auf Mensch und Umwelt immer noch als nicht bewiesen oder umstritten gilt? So zumindest der Tenor vonseiten der Bundesregierung und der Presse.

Frieder Wagner: Diese „umfangreichen Erfahrungen“ und Untersuchungen wurden von neutralen, kritisch eingestellten Wissenschaftlern gemacht und von den etablierten Regierungen nicht anerkannt beziehungsweise als „nicht bewiesen“ oder „umstritten“ dargestellt. Ein ganz charakteristisches Beispiel sind die Untersuchungen der WHO:

Dass sogenannte unabhängige Untersuchungen der WHO nicht unabhängig sind, wurde im Februar 2004 durch eine Pressekonferenz des pensionierten Strahlenexperten der WHO, Dr. Keith Baverstock, deutlich. In einer Studie der WHO machten Baverstock und seine Co-Autoren schon 2001 darauf aufmerksam, dass Luftstäube, die Uran-Aerosole enthalten, wie sie im Südirak und in Afghanistan, aber auch in Serbien und im Kosovo an bestimmten Stellen zu finden sind, sowohl radioaktiv schädlich und chemisch hoch toxisch wirken. Die damals unterdrückte WHO-Studie, die im Herbst 2001 beendet wurde, hätte laut Baverstock „Druck auf die USA und Großbritannien ausüben und den Einsatz von Uranwaffen sicher eindämmen können“. Baverstock wörtlich: Das Ergebnis unserer Studie ist, dass der ausgedehnte Einsatz von Uranwaffen z. B. im Irak eine einzigartige Bedrohung der Gesundheit für die Zivilbevölkerung darstellt. Wir haben zunehmende wissenschaftliche Beweise dafür, dass die radiologische Aktivität und die chemische Toxizität mehr Schäden an menschlichen Zellen hervorruft, als wir bisher angenommen haben.“

Die Studie von Baverstock verschwand im Giftschrank der WHO und über Keith Baverstock sagte man in der WHO seitdem er würde Märchen erzählen. Da dieser Wissenschaftler aber in der WHO immer noch gute Freunde hat, wissen wir heute – und Keith Baverstock hat das am 04.12.2008 in einer Bayerischen Rundfunksendung (BR 2) sehr deutlich gesagt –, dass es inzwischen in der WHO mindestens 16 ausgezeichnete Studien darüber gibt, wie gefährlich die Anwendung von Urangeschossen ist, aber alle diese Studien sind im Giftschrank der Weltgesundheitsbehörde verschwunden, es ist unfassbar.

Was aber sagt die WHO, die Weltgesundheitsorganisation selbst zu dem Thema? Sie begnügte sich damit, 2001 das 4-seitige Fact-Sheet Nr. 257 herauszugeben. Doch dieser Text sollte vor allem die Öffentlichkeit beruhigen, denn er enthält nur sehr allgemeine Informationen. So heißt es dort z. B.: „Aus wissenschaftlicher Sicht erscheint es darum wenig wahrscheinlich, dass unter dem Militärpersonal und der Zivilbevölkerung etwa im Kosovo eine erhöhte Leukämieanfälligkeit durch Kontakt mit Uran 238 nachzuweisen ist.“

Hintergrund: Warum werden die tatsächlichen Erkenntnisse nicht publik?

FW: Studien und Untersuchungen zur schädlichen Wirkung von Uranmunition werden von offiziellen Stellen heute bewusst verhindert. Besonders auch deshalb, weil man teure Wiedergutmachungsansprüche und entsprechende Wiedergutmachungsprozesse vermeiden will. Zur Verdeutlichung möchte ich dazu sagen:

1995 im Bosnienkrieg wurde die kleine serbische Stadt Hadzici, 15 km entfernt von Sarajewo, mit Uranbomben vom Typ GBU 28 bombardiert. Der Grund war, dass die Serben dort ein Panzerreparaturwerk hatten. Damals ahnten die Serben, dass die Auswirkungen der eingesetzten Uranbomben in der Region auch nach ihrer Anwendung noch lebensgefährliche radioaktive Strahlung für die Bewohner bedeuten könnten und siedelten 3500 Bürger von Hadzici in das weit entfernte Gebirgsstädtchen Bratunac um. Aber es war zu spät, denn viele dieser Menschen hatten sich schon kontaminiert. In den folgenden fünf Jahren starben von den umgesiedelten Bürgern aus Hadzici 1112 an aggressiven Krebserkrankungen, während von den Bürgern aus Bratunac kaum jemand erkrankte. Der britische Journalist Robert Fisk schrieb darum zurecht in der englischen Tageszeitung Independent, „man hätte auf die Grabsteine dieser Menschen schreiben können: Gestorben an den Folgen von radioaktiver Uranmunition.

Hintergrund: Bezüglich der Lieferung von Uranmunition an die Ukraine berichteten die meisten Medien, Radioaktivität stelle kein Problem dar.

FW: Wenn heute behauptet wird, bei der Lieferung von Uranmunition in die Ukraine würde die Radioaktivität kein Problem sein, kann ich nur Folgendes sagen.

EUROMIL (European Organisation of Military Associations), sozusagen die Gewerkschaft der europäischen Soldaten, hat schon am 22. März 2007 eine Meldung der italienischen Militär-Gesundheitsbehörde publiziert, die besagt, dass 109 italienische Soldaten verstorben sind, nachdem sie im Irak abgereichertem Uran ausgesetzt waren. Bemerkenswert ist an dieser Veröffentlichung folgende Feststellung: „Es wurden lediglich 3000 italienische Soldaten in den Irak geschickt und sie blieben nur für kurze Zeit dort. Die Anzahl von 109 verstrahlten Soldaten entspricht also 3,6 Prozent des Gesamtkontingents. Sollte die gleiche Prozentzahl von Irakern einer vergleichbaren Strahlung ausgesetzt gewesen sein, würde dies eine Zahl von 936 000 Toten bedeuten. Da aber die Iraker dauerhaft in der kontaminierten Umgebung leben müssen, dürfte die Anzahl der Geschädigten weitaus höher liegen.

Neutrale Wissenschaftler befürchten darum, dass in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren etwa 5-7 Millionen Menschen im Irak an Krebs erkranken und sterben werden.

Hintergrund: Gibt es neue Erkenntnisse oder Studien, auf die bei der Beurteilung des gesundheitlichen Risikos für Bevölkerung und Soldaten verwiesen werden kann?

FW: Im Prinzip ist das Thema „Uranmunition und die Folgen“ bei uns weiterhin ein Tabuthema und ich kenne keine neueren Studien dazu. Leider ist auch die Studie, die das „Uranium Medical Research Center UMRC, eine NGO aus Kanada unter Leitung von Prof.Dr. Asaf Durakovic, im Mai 2002 in Afghanistan gemacht hat kaum bekannt.

Das UMRC-Forschungsteam fand damals sehr schnell erschreckend viele afghanische Zivilisten mit akuten Symptomen einer radioaktiven Vergiftung, die einhergingen mit chronischen Symptomen einer inneren Urankontamination, einschliesslich Missbildungen bei Neugeborenen.

Bewohner vor Ort berichteten von großen, dichten, blau-schwarzen Staub- und Rauchwolken, die seit 2001 bei Bombardierungen immer wieder an den Einschlagstellen aufstiegen, verbunden mit einem beißenden Geruch, gefolgt von einem Brennen in den Nasenhöhlen, im Hals und den oberen Atemwegen. Die Opfer schilderten zunächst Schmerzen in der oberen Halswirbelsäule, in den oberen Schulterpartien, in der Schädelbasis, Schmerzen im unteren Rücken, an den Nieren, Gelenk- und Muskelschwächen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme und Desorientierung. In der Hauptstadt Kabul mit ihren annähernd 3,5 Millionen Einwohnern fanden die Forscher die höchste registrierte Anzahl an unbeweglichen Zielen, die während der Operation Enduring Freedom 2001 beschossen worden waren. Das Team hatte erwartet, dass man in den Urin- und Bodenproben, die man genommen hatte, Spuren von abgereichertem Uran finden würde, wie zuvor im Irak. Aber das Team war nicht auf den Schock vorbereitet, der durch die Ergebnisse bei Ihnen auslöst wurde. Anders als im Irak zeigten die UMRC-Laboruntersuchungen aus Afghanistan hohe Konzentrationen von nicht abgereichertem Uran. Deshalb war die Kontamination viel höher als bei den Opfern des abgereicherten Urans im Irak. Die getesteten Menschen aus Jalalabad und Kabul zeigten Uran-Konzentrationen, die 400 Prozent bis 2000 Prozent über denen lagen, die in normalen Populationen vorkommen. Mengen, die nie zuvor in Untersuchungen an Zivilisten gemessen worden waren.

In Afghanistan wurde eine Mischung aus sogenanntem „jungfräulichem Uran“ und dem Abfall von Anreicherungsprozessen in Atomreaktoren verwendet, denn in allen Proben wurde auch das Uran 236 gefunden. Uran 236 kommt in der Natur nicht vor und entsteht erst in der Wiederaufbereitung von Brennstäben aus den Atomkraftwerken.

Im August 2002 brachte das UMRC-Team eine vorläufige Analyse der Ergebnisse aus Afghanistan zum Abschluss. Ohne Ausnahme wurde jede Person, die eine Urinprobe abgegeben hatte, positiv auf Urankontamination getestet. Die spezifischen Ergebnisse wiesen einen erschreckend hohen Verseuchungsgrad auf. Die Konzentrationen waren 100- bis 400-mal höher als jene der Golfkriegsveteranen, die UMRC schon vorher im Irak gemessen hatte.

Afghanistan wurde laut UMRC 2001 als Testfeld für eine neue Generation bunkerbrechender Uranbomben benutzt, die hohe Konzentrationen von allen möglichen Uranlegierungen enthielten. Der in den USA lebende gebürtige Afghane Prof. Dr. Mohammad Daud Miraki erklärte mir nach seiner Reise durch Afghanistan, dass er schwerst geschädigte Kinder in den Hospitälern z. B. von Kabul gesehen und fotografiert und auch gefilmt hat, die dann wenige Tage nach der Geburt unter furchtbaren Schmerzen gestorben sind und dass alle Beteiligten wie die Ärzte dieser Kinder und deren Eltern nicht nur um ihre Karriere, sondern um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie sich an Untersuchungen von Schäden beteiligen, die einen Uranwaffen-Hintergrund vermuten lassen. Konkret führte Dr. Miraki an, „Eltern wollen ihre Namen und die ihrer geschädigten Kinder nicht nennen und Ärzte wollen sich an solchen Untersuchungen nicht beteiligen“.

Es scheint, dass die damalige Jagd nach einer Handvoll Terroristen wie Osama bin Laden in Afghanistan eine ungeheure, bisher nicht bekannte Anzahl unschuldiger Zivilisten, darunter unverhältnismäßig viele Kinder, vergiftet hat. Die Zahl dieser kontaminierten Menschen geht nach Schätzungen von Experten in die Zehntausende, bald wohl in die Hunderttausende. Ähnliche Zahlen gelten für den Irak, Bosnien und den Kosovo, wo die Alliierten ebenfalls tonnenweise Uranmunition und -bomben eingesetzt haben.

Hintergrund: Im April 2023 haben Abgeordnete der AfD-Fraktion eine Kleine Anfrage zum Einsatz von Uranmunition an die Bundesregierung gestellt. In ihrer Antwort beruft sich die Bundesregierung auf die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA und die Vereinten Nationen und schreibt: „… es sind keine signifikanten Strahlenexpositionen der Bevölkerung zu erwarten.“ Was halten Sie davon?

FW: Eine solche Antwort wäre dumm, dreist und unverschämt. Ich möchte das wie folgt begründen:

Als ich 2003 für eine WDR-Fernsehdokumentation den Irak, Serbien, Bosnien-Herzegowina und das Kosovo für Dreharbeiten besuchte, gehörte zu unserer Ausrüstung selbstverständlich ein Geigerzähler, um uns vor den tödlichen Gefahren dieser Munition zu warnen. Dass die Gefahren tödlich sein können, haben wir beim Besuch der Krankenhäuser dieser Länder gesehen. Schon damals sind dort schwer missgebildete Babys geboren worden. Babys ohne Augen, ohne Beine oder Arme, Babys, die ihre inneren Organe außen in einem Hautsack trugen. All diese Kreaturen lebten unter entsetzlichen Schmerzen nur wenige Stunden. Die Ursache für diese Missbildungen und hoch aggressiven Krebserkrankungen bei Erwachsenen war nicht etwa die Tschernobyl-Katastrophe, sondern die Anwendung von Uranmunition und -bomben durch die USA und ihre Verbündeten in den vergangenen und zum größten Teil völkerrechtswidrigen Kriegen. Das ist heute durch zahlreiche neutrale Wissenschaftler, auch aus den USA, bewiesen. Im Irak weigern sich deswegen inzwischen die Frauen, Kinder zu bekommen. Und wenn doch, fragen sie nach der Geburt nicht mehr: ist es ein Junge oder ein Mädchen, sondern: ist es gesund oder missgebildet.

Denn bei den hohen Verbrennungstemperaturen der Urangeschosse verbrennt das abgereicherte Uran zu keramisierten, wasserunlöslichen Nanopartikelchen, die hundertmal kleiner sind als ein rotes Blutkörperchen. Das heißt, es entsteht praktisch ein „Metallgas“ und das ist weiterhin radioaktiv und hochgiftig. Auch amerikanischen Militärwissenschaftlern ist inzwischen die Tatsache bekannt, dass diese Partikelchen eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen im menschlichen und tierischen Körper überall hinwandern können: in alle Organe, ins Gehirn in die weiblichen Eizellen und den männlichen Samen. Schon 1997 wurde bei 5 von 25 amerikanischen Veteranen, die seit dem Golfkrieg 1991 durch „friendly fire“ Uranfragmente im Körper haben, abgereichertes Uran im Sperma festgestellt.

Überall, wo sich Uran 238 ablagert kann es darum zu folgenden Krankheiten kommen: einem Zusammenbruch des Immunsystems wie bei Aids mit ansteigenden Infektionskrankheiten, schweren Funktionsstörungen von Nieren und Leber, hoch aggressiven Leukämien und anderen Krebserkrankungen, Störungen im Knochenmark sowie genetischen Defekten und Missbildungen mit Aborten und Frühgeburten bei Schwangeren, wie wir es schon nach den Bombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki und der Tschernobyl- und Fukushima-Katastrophe erlebt haben.

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All das ist seit Jahrzehnten eine wissenschaftliche Tatsache. Trotzdem haben die alliierten Streitkräfte unter Führung der USA und Großbritanniens so getan, als würde es diese Tatsache nicht geben. Obwohl aus einer vertraulichen Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums schon vor 2003 bekannt wurde, dass die Anwendung von 40 Tonnen der Uranmunition, soviel wurde im Kosovo und Serbien angewendet, es in bewohntem Gebiet zu 500.000 Nachfolgetoten durch so entstehende Krebserkrankungen kommen kann.

Die britische Staatssekretärin Annabel Goldie und andere Politiker möchten trotz dieser Fakten Uranmunition in die Ukraine liefern! Wissen sie nicht, dass im Irak seit dem Krieg 2003 mindestens 18 Regionen durch den Einsatz dieser Waffen kontaminiert sind und dass die dort lebende Bevölkerung eigentlich umgesiedelt werden müsste, der Irak aber das Geld dafür nicht hat? Also werden früher oder später dort viele Hunderttausende an Krebserkrankungen wegen des Einsatzes dieser Uranmunition sterben. Soll das in der Ukraine auch passieren, nur weil solche Politiker wie die britische Staatssekretärin Annabel Goldie und andere meinen, dass diese Uranmunition hochwirksam bei der Bekämpfung russischer Panzer ist und völlig ungefährlich für die dort Lebenden? Da muss man sich fragen, sind diese Politiker verrückt und dazu unglaublich dumm?

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