Kriege

US-Heuchelei überrascht die Welt

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von PAUL CRAIG ROBERTS, 15. September 2009 –

Die (US-)Amerikaner haben ihre Fähigkeit zur Selbsteinschätzung verloren und verblüffen die Welt immer wieder mit ihrer Heuchelei.

US-Kriegsminister Robert Gates hat die US-Presseagentur Associated Press und ihre Reporterin Julie Jacobson, die US-Truppen in Afghanistan begleitet hat, gerügt, weil ein von Frau Jacobson aufgenommenes Foto von einem sterbenden US-Marineinfanteristen veröffentlicht wurde.

Die Fotografin geriet mit einer Patrouille der Marineinfanteristen unter Beschuss. Sie war mutig und geistesgegenwärtig genug, trotzdem ihren Job zu machen. Zur Belohnung wurde sie von Kriegstreiber Gates beschuldigt, "gefühllos" zu sein. Gates warf auch ihrem Arbeitgeber Associated Press einen Mangel an "Urteilsvermögen und menschlichem Anstand" vor.

Die American Legion (1) schloss sich der Kritik an und verurteilte Associated Press wegen eines "erstaunlichen Mangels an Einfühlungsvermögen und menschlichem Takt".

Um die Opposition gegen seine Kriege einzudämmen, versucht das Kriegsministerium die US-Verluste vor der Öffentlichkeit möglichst zu verbergen. Wütend darüber, dass das kritisierte Bild der Zensur entgangen ist, sprachen der Kriegsminister und die American Legion im Jargon der Political Correctness von "Gefühllosigkeit" und "Beleidigung" und behaupteten, dass der Familie des Marineinfanteristen "Kummer, Schmerz und Leid" zugefügt worden seien. Die Kriegsministerium hat sich so angehört, als wolle es eine Beleidigungsklage vorbereiten.

Will es damit seine Verantwortlichkeit vertuschen? Den Tod des Marineinfanteristen haben nicht Associated Press oder die Fotografin verschuldet, sondern die Kriegsverbrecher Gates, Bush, Cheney und Obama und der US-Kongress, weil er ungerechtfertigte Angriffskriege unterstützt, die Amerika keinerlei Nutzen bringen, aber die Wahlkampfkassen (der Abgeordneten) mit Spenden der Rüstungskonzerne füllen.

Der Marineinfanterist Lance Cpl. (Gefreiter) Bernard M. Joshua ist gestorben, weil die US-Regierung und ein großer Prozentsatz der US-Bevölkerung glauben, die Vereinigten Staaten hätten das Recht, andere Länder zu überfallen, zu bombardieren und zu besetzen, die keine Hand gegen uns erhoben haben, aber mit Lügen und Propaganda verteufelt werden.

Für den US-Kriegsminister ist nur das Foto gefühllos, die Anmaßung der Vereinigten Staaten, über das Schicksal Afghanistans mit Bomben und Soldaten entscheiden zu können, aber offenbar nicht.

Diese außergewöhnlich "tugendhafte Nation" hält die US-Bomben, die unschuldige Dorfbewohner in Stücke reißen, keineswegs für gefühllos. Am 4. September, einen Tag vor der Gates-Beschwerde über das "gefühllose" Foto, hat Agence France-Presse berichtet, dass bei einem US / NATO-Luftangriff in Afghanistan eine große Anzahl von Dorfbewohnern getötet worden seien, die sich Kraftstoff aus zwei Tanklastern abzapfen wollten, die vor den Augen nachlässiger und unaufmerksamer Besatzungssoldaten entführt worden waren:

"Kein Körper war unversehrt. Hände, Beine und Körperteile waren überall verstreut. Menschen, die etwas weiter von den Treibstofftransportern entfernt waren, erlitten schwere Verbrennungen," beschrieb der 32-jährige Mohammad Daud die höllische Szene. Die ausgebrannten Wracks der Tanklaster am Flussufer, die inmitten verkohlter Körperteile standen, rauchten noch; die Opfer stammen aus dem Bezirk Chahar Dara, der in der Provinz Kunduz in der Nähe der Grenze zu Tadschikistan liegt. Dr. Farid Rahid, ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Kabul, sagte, dass sich bis zu 250 Dorfbewohner in der Nähe der Tanklaster aufgehalten hätten, als der Luftangriff (von einem Bundeswehr-Offizier) angefordert wurde." (2)

Was wird die Welt über die Vereinigten Staaten denken? Der US-Kriegsminister und eine US-Veteranenvereinigung halten ein Foto von einem verwundeten und sterbenden amerikanischen Soldaten für gefühllos, regen sich aber keinesfalls auf, wenn die Einwohner eines afghanischen Dorfes ausgelöscht werden, die sich nur dringend benötigten Treibstoff holen wollten.

Die US-Regierung ähnelt einem Gangster, der die Polizei bei seiner Festnahme beschuldigt, seine Verbrechen begangen zu haben, oder einem Soziopathen, der sein Opfer für seine Tat verantwortlich macht. Es ist allgemein bekannt, dass die CIA mit ihren Morden, Verschleppungen und Folterungen US-Gesetze und das Völkerrecht gebrochen hat. Aber nicht dieser kriminelle Geheimdienst wird für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. Statt der CIA sollen die moralischen Menschen bestraft werden, die über die illegalen Aktivitäten und die Unmenschlichkeit der CIA entsetzt waren und Beweise für die Verbrechen des Geheimdienstes geliefert haben. Die CIA hat das US-Justizministerium (!) ersucht, zu ermitteln, wem die nach Auffassung der CIA "kriminelle Enthüllung" ihres geheimen Programms zur Ermordung angeblicher Terroristenführer im Ausland anzulasten ist. Wie wir aus Guantánamo wissen, waren die allermeisten Personen, die von den Vereinigten Staaten verdächtigt wurden, Terroristen zu sein, völlig unschuldig.

Dieses CIA-Programm war so unhaltbar, dass es der CIA-Direktor Leon Panetta sofort stoppte und den Kongress informierte, als er sechs Monate nach seinem Amtsantritt davon erfuhr.

Und trotzdem will die CIA durchsetzen, dass die Informanten, die ihre Verbrechen enthüllt haben, dafür bestraft werden. Ein Geheimdienst, der alle moralischen und gesetzlichen Normen missachtet hat, ist eine weit größere Bedrohung für unseren Staat, als es Terroristen sein könnten. Wer weiß, welche Operationen unter falscher Flagge er noch durchführen wird, um sein Vorgehen zu rechtfertigen und Unterstützung dafür zu bekommen. Ein Geheimdienst, der mehr gefährdet als schützt, sollte aufgelöst werden.

Das auf führende Terroristen zielende Mordprogramm der CIA ist voller Widersprüche und birgt viele Gefahren. Der Hass, den die Vereinigten Staaten und Israel damit schüren, ist durch den Tod der Ermordeten nicht zu stoppen. Wenn ein Anführer getötet wird, nehmen andere seinen Platz ein. Das wahrscheinlichste Ergebnis des CIA-Mordprogramms ist die Manipulation des Geheimdienstes durch rivalisierende Terrorgruppen; auch das FBI (die US-Bundespolizei) wurde schon einmal von einer Mafia-Familie benutzt, um eine andere auszuschalten. Um das Vertrauen von Terrorgruppen, die infiltriert werden sollen, zu gewinnen, müssen die CIA-Agenten, die das versuchen, sich sogar selbst in gewaltsame Aktionen gegen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten hineinziehen lassen.

Die Tendenz der Neokonservativen, die Enthüller der Untaten an Stelle der Übeltäter zu verfolgen, bekam auch die NEW YORK TIMES zu spüren, als sie mit einjähriger Verzögerung, die Bush für seine Wiederwahl nutzen konnte, die Enthüllung eines Informanten bei der NSA veröffentlichte, der offenbarte, dass die Bush-Regierung schwere Verbrechen begangen hat, weil sie den Foreign Intelligence Surveillance Act (das Gesetz zur Überwachung des Auslandes durch US-Geheimdienste) verletzte. (3) Neokonservative, besonders solche, die sich dem COMMENTARY MAGAZINE verbunden fühlen (4), wollten, dass die NEW YORK TIMES wegen Geheimnisverrats angeklagt wird. Nach Auffassung der Neokonservativen ist alles Verrat, was ihre teuflischen Kreise stört.

Viele Amerikaner denken genauso. Amerika "über alles", niemand zählt, außer den USA – und Israel. Der Tod, den wir anderen bringen, und der Schmerz und das Leiden, die wir anderen zufügen, sind nur "Kollateralschäden" auf dem blutigen Weg zur US- Hegemonie.

Die US-Regierung, die vorgibt, nur "Freiheit und Demokratie" zu wollen, erklärt alle, die ihre illegalen Aktivitäten, ihre Unmoral oder ihre Barbarei anklagen, einfach zu Verrätern. Der republikanische Senator Christopher S. Bond hat in jüngster Zeit ein Beispiel für diese Haltung geliefert. Vom hohen Ross herab prangerte er "den irreparablen Schaden" an, der durch die Enthüllungen der kriminellen Aktivitäten der CIA angerichtet worden sei. Bond fordert, dass die "hinterhältigen Enthüller" der CIA-Untaten zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Bond ist unfähig, zu begreifen, dass die kriminellen Tätigkeiten und nicht ihre Enthüllung das eigentliche Problem sind. Offensichtlich hat das Gesetz zum Schutz der Informanten für Senator Bond keine Gültigkeit mehr, und er möchte es mit anderen Gesetzen einfach "unterpflügen" lassen.

Die heutige US-Regierung nimmt folgende Haltung ein: Sie hält es für ihre patriotische Pflicht, Vorhaltungen, die ihre Verbrechen anklagen, zu ignorieren oder zu vertuschen. Die Enthüllung von Verbrechen der Regierung betrachtet sie als verräterischen Akt. Und viele Amerikaner aus beiden politischen Lagern stimmen ihr zu.

Und sie glauben immer noch daran, eine "tugendhafte Nation", die großartigste Nation überhaupt und das Salz der Erde zu sein.


Der Artikel erschien im Original am 7. September unter dem Titel US Hypocrisy Astonishes the World bei INFORMATION CLEARING HOUSE.

Der Autor: Paul Craig Roberts war stellvertretender Finanzminister in der Regierung Reagan. Er war Co-Redakteur der Meinungsseite des Wall Street Journal und Mitherausgeber der National Review.

Übersetzung: Wolfgang Jung – Luftpost, Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein. http://www.luftpost-kl.de



Anmerkungen des Übersetzers:

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Die Anmerkungen in kursiven Klammern im Text sind auch vom Übersetzer eingefügt worden.

(1) Veteranenorganisation der US-Armee, s. http://de.wikipedia.org/wiki/Amerikanische_Legion
(2) Der Artikel, aus dem das Zitat stammt, ist aufzurufen unter http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_09/LP19109_070909.pdf
(3) Die National Security Agency / NSA hatte auch US-Bürger im eigenen Land überwacht. Weitere Informationen über den weltweit – auch in der Bundesrepublik – operierenden Abhör-Geheimdienst der USA sind aufzurufen unter http://de.wikipedia.org/wiki/National_Security_Agency
(4) s. http://www.commentarymagazine.com/

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