Terrorismus

Anklage gegen mutmaßliche Helfer der Islamischen Jihad Union erhoben

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Von REDAKTION, 26. August 2010 –

Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen drei mutmaßliche islamistische Terrorhelfer vor dem Oberlandesgericht Berlin erhoben. Die zwei 21- und 31-jährigen Männer sowie eine 28-jährige Frau sollen die terroristischen Vereinigungen Islamische Jihad Union (IJU), Deutsche Taliban Mujahideen (DTM) und Al Qaeda unterstützt haben, wie die Anklagebehörde gestern in Karlsruhe mitteilte. Von November 2009 bis Februar 2010 sollen die deutschen Staatsangehörigen und in Deutschland lebenden Angeschuldigten die Organisationen mit rund 4.300 Euro für ihren Kampf unterstützt haben.

Bei der 28-jährigen handelt es sich um Filiz Gelowicz, Ehefrau des zur sogenannten Sauerland-Gruppe gehörenden Fritz Gelowicz. Die Sauerland-Gruppe gilt als deutsche Filiale der IJU. Im vergangenen März war Fritz Gelowicz wegen in Deutschland geplanter Terroranschläge vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Er gilt wie der ebenso zu zwölf Jahren Haft verurteilte Daniel Schneider als Rädelsführer der Gruppe. Die beiden anderen Gruppenmitglieder, Adem Yilmaz und Attila Selek, wurden zu elf bzw. fünf Jahren Haft verurteilt.

Filiz Gelowicz und der 21-Jährige sollen außerdem im Internet Propagandamaterial wie radikalislamische Videos verbreitet haben. Damit sollten neue Mitglieder oder Unterstützer für die IJU und die DTM gewonnen werden, so die Anklage. Filiz Gelowicz soll mehr als 1.000 Videos, Beiträge und Kommentare in das wichtigste deutschsprachige islamistische Internetforum eingestellt haben. In sechs dieser Beiträge wurden Muslime aus dem deutschsprachigen Raum aufgefordert, sich dem Dschihad anzuschließen oder die terroristischen Vereinigungen zu unterstützen. Außerdem sei sie Mitautorin von zwei Propagandatexten der DTM gewesen, und habe diese Anfang 2010 im Namen der Terrororganisation über deutschsprachige Internetforen verbreitet.

Sie und der 21-jährige sitzen in Untersuchungshaft, seitdem der Bundesgerichtshof am 21.Februar einen Haftbefehl gegen die Angeschuldigten erlassen hat. Nach dem 31-Jährigen wird weiterhin gefahndet. Sein Haftbefehl war zwischenzeitlich außer Vollzug gesetzt worden.

Die IJU und der DTM verfolgen nach Angaben der Bundesanwaltschaft das Ziel, Afghanistan von westlichem Einfluss zu befreien und in dem Land ein Islamisches Emirat zu errichten. Sie bekämpften deshalb mit Terroranschlägen vor allem afghanische Regierungstruppen und Mitglieder der internationalen NATO-Schutztruppe ISAF. Wegen der Beteiligung der Bundeswehr an dem Militäreinsatz der NATO ist auch Deutschland ins Visier dieser Organisationen geraten. Beide Vereinigungen seien auf Geld angewiesen, um ihre Kämpfer mit Waffen, Sprengstoffen und Kommunikationsmitteln auszustatten oder Terrorcamps aufrechtzuerhalten.

Fritz Gelowicz radikalisierte sich vor allem unter dem Einfluss der Predigten von Dr.Yehia Yousif, einem ägyptischen Arzt, der sich im Jahr 2000 in Neu-Ulm niederließ. Dort war er „Hirnwäscher für etliche Angehörige der Sauerland-Gruppe und für deren Dunstkreis von vierzig, fünfzig jungen Leuten“, so die FAZ. (1) „Yousif hatte eine Gruppe von jungen Schülern um sich geschart, die er jede Woche unterrichtete, und Fritz war einer davon“, schrieb der Spiegel über Yousifs Einfluss. (2) Das bayerische Innenministerium schloss die Neu-Ulmer Moschee im Jahr 2005. Die Schließung wurde vor allem mit den Hetzpredigten Yousifs begründet.

Doch der Chef-Ideologe der Sauerland-Gruppe war ein Spitzel des Verfassungsschutzes. Von 1996 bis mindestens 2002 arbeitete er für das baden-württembergische Landesamt des Geheimdienstes. (3)  Ewald T. Riehtmüller, bis 2006 im Wirtschaftsrat der CDU, hatte über Yousifs Stellung innerhalb des Dienstes Folgendes zu sagen: „Ich war vor Jahren auf einer Islamkonferenz in London. Dort war Yehia Yousif der offizielle Vertreter des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Er war nicht irgendein Informant, er war DER Islamexperte der Stuttgarter Behörde. Kenner der Szene in Ulm/Neu-Ulm halten ihn außerdem für einen BND-Agenten.“ (4)

Welche Rolle der Verfassungsschutz bei den Anschlagsplänen spielte, wurde in dem Gerichtsverfahren gegen die Sauerland-Gruppe aber nie thematisiert.

Interessanterweise äußerte Benno Köpfer, Experte des baden-württembergischen Verfassungsschutzes aus dem Referat „Islamistischer Extremismus und Terrorismus“, gegenüber dem ARD-Politmagazin Monitor seine Zweifel, ob die Islamische Jihad Union überhaupt existiert. „Die Islamische Dschihad Union, so wie sie sich uns darstellt, ist erst einmal eine Erfindung im Internet und hat nur eine Präsenz im Internet”, so Köpfer damals.  Auch habe man bei der Landesbehörde Zweifel, ob ein kurz zuvor aufgetauchtes Bekennerschreiben der IJU echt sei.

Nach seiner Einschätzung werde in dem Bekennerschreiben nur die Medienberichterstattung aufgenommen. „Das lässt mich an der Authentizität zweifeln.“ (5) Allerdings ist man heute auch  im Verfassungsschutz von der Authentizität der IJU überzeugt, Köpfers Äußerungen waren wohl eher ein einmaliger Ausrutscher.

Der Verfassungsschutz hatte aber nicht nur über Yousif Zugang zu den Mitgliedern der Sauerland-Zelle. Der Geheimdienst hatte auch zwei V-Leute in der Nähe von Daniel Schneider platziert. Einer der beiden lebte sogar mit in dessen WG und übermittelte Daten von Schneiders Laptop an die Behörden. Die Vertrauensperson habe „wertvolle Informationen zu Schneider und seinen Kontaktpersonen“ geliefert, heißt es in einem Vermerk der Ermittler. (6)

Unterwandert wurde die Sauerland-Gruppe auch von Mevlüt Kar, der für die CIA und den türkischen Geheimdienst arbeitete. Er versorgte die Sauerland-Gruppe mit Zündern für die Sprengsätze. (7)

Laut Recherchen von Monitor wurde die IJU vom usbekischen Geheimdienst gegründet.

Der ehemalige usbekische Geheimdienstmitarbeiter Ikrom Yakubov, der in Großbritannien Asyl gefunden hat, sagte, dass die einfachen, „authentischen“ Mitglieder der IJU nichts darüber wissen, dass die Gruppe vom usbekischen Geheimdienst geführt wird. (Siehe Video-Clip)

Fritz Gelowicz und seine drei Mitverschwörer hatten ursprünglich gar nicht vor, Anschläge in Deutschland zu verüben. Ihre Absicht war es, in Afghanistan, Irak oder Tschetschenien gegen westliche bzw. russische Truppen zu kämpfen. Doch in einem pakistanischen Ausbildungslager wurden sie von den  IJU-Chefs Nashmiddin Schalolow und Süleyman Özbeki dazu gedrängt, Anschläge in Deutschland  zu begehen. (8)

Schalolow wurde im September vergangenen Jahres von der CIA mittels einer Drohne getötet. (9) Auch Süleyman ist Ende letzten Jahres laut Informationen des Verfassungsschutzes durch eine Bombe getötet worden.(10)

Somit sind die beiden Männer, die der Sauerland-Gruppe die Befehle gaben und das Bindeglied zwischen ihnen und der Jihad Union darstellten, nicht mehr am Leben. Ob sie selbst auf Geheiß des usbekischen oder eines anderen Geheimdienstes gehandelt haben, wird somit wohl für immer Spekulation bleiben. Kurios ist auch, dass die Sauerland-Gruppe erst aus den Medien erfahren haben will, dass sie Teil der IJU ist. (11) Merkwürdig auch, dass den nun Angeklagten neben der Unterstützung der IJU auch die Unterstützung von Al Qeada vorgeworfen wird. Denn die IJU hatte sich im Oktober vergangenen Jahres von Al Qaeda auf einer islamistischen Webseite distanziert. (12) Also noch bevor die Beschuldigten die Organisationen mit rund 4.300 Euro unterstützt haben sollen.

Ob auch die drei Angeklagten durch die Predigten eines Verfassungsschutzmitarbeiters radikalisiert oder anderweitig von Geheimdienstleuten beeinflusst wurden, wird in dem kommenden  Gerichtsverfahren sicherlich nicht thematisiert werden.

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Quellenangaben:

(1)  FAZ, 11.10.2008, „ Wie’n zweiter 11. September“,
http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~EA2E22F2A85FB400E8FD81CC1A5919A47~ATpl~Ecommon~Scontent.html
(2) Spiegel, 01.09.2008, „Der Hass des Abdullah“,
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-59673675.html
(3) Stuttgarter Zeitung, 21.01.2007, „Ulm: Islamistischer Hassprediger und Imam als Spitzel des Verfassungsschutz enttarnt“
(4) junge Welt, 26.09.2007, „Eine Putschstrategie“, http://www.jungewelt.de/2007/09-26/007.php
(5) ARD-Tagesschau, 04.10.2007, „Verfassungsschutz zweifelt an Bekennerschreiben“
(6) Spiegel, 06.09.2008, „Geheimdienste unterwanderten früh die Sauerland-Gruppe“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,576682,00.html
(7) Deutschlandfunk, 12.05.2009, „Ein Käfig voller Narren“, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/dasfeature/918250/
(8) Spiegel, 17.09.2009,  „Auftraggeber der Sauerland-Gruppe von US-Drohne getötet“
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,649703,00.html
(9) ebd.
(10) Holger Schmidt, 10.11.2009, http://www.swr.de/blog/terrorismus/?p=1220
(11) Ad Hoc News, 09.07.2009, „Sauerland-Gruppe bestreitet Kontakt zur Islamischen Dschihad Union“, http://www.ad-hoc-news.de/april-sauerland-gruppe-bestreitet-kontakt-zur-islamischen–/de/Regional/20336925
(12) Erklärung der IJU, 22.10.2009, http://www.sehadetzamani.com/haber_detay.php?haber_id=2273

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