Terrorismus

Geheimdienste und „Terroristen“: V-Mann war Chef der Globalen Islamischen Medienfront (GIMF)

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 14. April 2011 –

Zu einem Eklat kam es beim Terror-Prozess in München. Den acht Angeklagten – sieben Männer und eine Frau im Alter zwischen 18 bis 30 Jahren – wird vorgeworfen, Mitglieder der Globalen Islamischen Medienfront (GIMF) zu sein und  bis zum Jahre 2008 Video- und Audiobotschaften von Al-Qaeda und Ansar al Islam ins Internet gestellt zu haben.

Am gestrigen Mittwoch erklärte Mutlu Günal, Verteidiger eines der Angeklagten,  dass ein V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine zentrale Rolle gespielt und die in der Anklage aufgeführten Taten „angeschoben“ habe. (1)

Die Bundesanwaltschaft habe dessen Rolle dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten bewusst verschwiegen. Absichtlich seien prozessrelevante Vorgänge und Aktenteile vorenthalten worden, die vermutlich die Angeklagten entlasten würden.

Bei dem V-Mann handelt es sich um den 22-jährigen Irfan P., welcher der Chef der deutschen Sektion der GIMF war. Ein diesbezügliches Verfahren gegen ihn wurde eingestellt, da er bereits in einem anderen Verfahren wegen Körperverletzung zu einer Jungendstrafe von 16 Monaten verurteilt worden war, und dagegen das zu erwartende Strafmaß in Sachen GIMF „nicht beträchtlich ins Gewicht fiele“. (2)

Erstmals bekannt wurde die Tätigkeit von Irfan P. für den Verfassungsschutz im Frühjahr diesen Jahres während des Berliner Verfahrens gegen zwei Männer und eine Frau wegen der Unterstützung der terroristischen Vereinigungen Deutsche Taliban Mudschahidin (DTM) und Islamische Jihad Union (IJU). Mit einem der Angeklagten hatte der V-Mann bis kurz vor dessen Festnahme zusammen gewohnt.  

„Wenn der Big Boss für den Verfassungsschutz arbeitet, muss man sich fragen, was mit den kleinen Lichtern ist“, erklärte Günal (3), der auch schon im Berliner Verfahren als Anwalt beteiligt war und daher über die Tätigkeit von Irfan P. für den Verfassungsschutz Bescheid wusste. Nachdem Günal seinen Antrag stellte, unterbrach das Gericht den Prozess und vertagte ihn auf den heutigen Donnerstag.  Auch die anderen Verteidiger unterstützten den Antrag.

Dass die Bundesanwaltschaft die Agententätigkeit von Irfan P. im Münchener Verfahren verschweigen wollte, nannte Günal „skandalös“.

Der Verfassungsschutz wies die Vorwürfe unterdessen zurück. „Zur Zeit der Aktivitäten des Irfan P. für die GIMF gab es keinerlei Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz“, so die Behörde gegenüber dem Tagesspiegel. (4)

Spätestens seit September 2010 war die Bundesanwaltschaft durch ein Schreiben des Verfassungsschutzes über den Einsatz von Irfan P. als Zuträger informiert. In dem Schreiben hieß es auch, dass sein Einsatz „strikt darauf begrenzt gewesen sein soll, passiv Informationen zu sammeln.“ (5)

Doch bereits das Berliner Verfahren ergab ein anderes Bild. Dort wurde ein Interview thematisiert, welches Irfan P. dem Sender RTL gegeben hatte. Mit vermummten Gesicht redete er dort über die Ziele der GIMF.

Die Bundesanwaltschaft will heute zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Dass sie die Rolle des V-Manns zu verschwiegen versuchte, lässt schon jetzt Zweifel aufkommen, inwieweit die Stellungnahme wirklich zur Aufklärung beitragen wird und nicht nur der Schadensbegrenzung dient. In der Vergangenheit spielten V-Leute deutscher und ausländischer Geheimdienste eine zwielichtige Rolle bei verschiedenen Anschlagsversuchen und anderen Aktivitäten deutscher Dschihadisten.(6) Es bleibt abzuwarten, ob es sich auch im Fall der GIMF in erster Linie um eine behördlich konstruierte terroristische Bedrohung handelt.   


Anmerkungen

(1) http://www.jungewelt.de/2011/04-14/024.php

(2) http://www.tagesspiegel.de/politik/bundesamt-fuer-verfassungsschutz-dementiert-v-mann-verdacht/4056386.html

(3) http://www.jungewelt.de/2011/04-14/024.php

(4) http://www.tagesspiegel.de/politik/bundesamt-fuer-verfassungsschutz-dementiert-v-mann-verdacht/4056386.html

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(5) http://www.swr.de/blog/terrorismus/2011/04/14/wie-sich-irfan-p-in-berlin-benahm/

(6) Siehe dazu: http://www.hintergrund.de/201101271339/globales/terrorismus/konstrukteure-des-terrors.html

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