Terrorismus

Terror in den USA: FBI im Zwielicht

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von SEBASTIAN RANGE, 10. Dezember 2010 –

Das FBI nahm am Mittwoch (8. Dezember) erneut einen Mann fest, der im Auftrag der US-amerikanischen Ermittlungsbehörde einen Anschlag verüben wollte. Damit  handelt es sich bereits um den zweiten selbst vereitelten Anschlag der US-Behörde in diesem Monat. Unterdessen wandte sich vor einigen Tagen ein ehemaliger Informant des FBI an die Öffentlichkeit, der auf muslimische Gemeinden angesetzt war, wie die Washington Post ausführlich berichtete. Seine Äußerungen führen zu wachsenden Spannungen zwischen dem FBI und den US-amerikanischen Muslimen, zeigen sie doch, dass das FBI offenbar wahllos Muslime ins Visier nimmt und unter allen Umständen Terroristen konstruieren will.

Craig Monteilhs Karriere als FBI-Informant begann im Jahr 2003, kurz nachdem er eine Haftstrafe wegen Fälschung von Banknoten abgesessen hatte. Sein Aufgabe war es, Drogenbanden zu infiltrieren. Laut einer FBI-Quelle wurde er dann befördert, da seine Informationen zuverlässig gewesen seien und zu Verurteilungen führten. Die Beförderung bestand darin, dass er ab 2006 auf muslimische Gemeinden angesetzt wurde. „Sie fragte mich, ob ich Moscheen infiltrieren will“, sagte Moteilh über das Treffen mit seiner Kontaktfrau vom FBI. „Der Islam ist eine Bedrohung unserer nationalen Sicherheit“, habe sie zu ihm gesagt.  (1)

Ihm sei befohlen worden, wahllos Muslime zu überwachen und auszuspionieren, um potentielle Terroristen aufzuspüren. Unter dem Code-Namen „Orakel“ bekam er eine neue Identität: Farouk al-Aziza.

Er wurde auf Moscheen in Südkalifornien angesetzt, wo ca. 500.000 Muslime leben. Der Schwerpunkt lag auf dem Islamischen Zentrum in Irvine. Zwei Monate vor seinem Einsatz, im Juni 2006, hielt J.Stephen Tidwell, Los Angeles’ FBI-Chef, noch eine Rede in dem Zentrum. „Wenn wir zu einer Moschee kommen, sagen wir ihnen vorher Bescheid. … Das FBI sagt ihnen, dass wir kommen, aus dem einfachen Grund, dass wir nicht wollen, dass sie denken, dass sie überwacht werden. Wir kommen nur, um zu lernen.“ Aber nicht so in Monteilhs Fall.

Seine Auftraggeber kleideten ihn neu ein und fortan trug er eine islamische Robe, Sandalen und eine weiße Kopfbedeckung. In einem Knopf der Robe wurde eine versteckte Kamera installiert. In den zehn Monaten seines Aufenthalt im Islamischen Zentrum entwickelte er eine von anderen Gläubigen als „manisch“ beschriebene Hingabe zum Islam. Er betete fünf mal täglich und wartete bereits schon morgens um fünf Uhr vor der Moschee. Das FBI habe ihn angewiesen zu beobachten, wer die Moschee morgens aufschließe.  

Den Leuten im Islamischen Zentrum kam es seltsam vor, dass Monteilh öfters sein Schlüsselbund  dort liegen ließ. Der Grund lag aber nicht in seiner Vergesslichkeit. Die am Bund befestigte Auto-Fernbedienung war mit einer Wanze ausgestattet.

Ersten Verdacht erregte Monteilh, als er begann, „verrückte Sachen“ zu erzählen. „Er ging zu einem meiner Freunde und sagte, ‚Es ist gut, dass ihr Jungs euch für den Dschihad bereit macht’“, so ein Besucher des Zentrums.

Monteilh konzentrierte sich vor allem auf Ahmadullah Sais Niazi, angeblich der Stiefbruder von Osama Bin Ladens Sicherheitskoordinator.  Während einer gemeinsamen Autofahrt im Mai 2007 mit Niazi und einem dritten Mann, schlug Monteilh diesen dann vor, Gebäude in die Luft zu sprengen. Niazi habe zugestimmt. Das aufgezeichnete Gespräch wurde dann von FBI-Beamten als Beweismittel in dem Gerichtsverfahren gegen Niazi verwendet. Niazi soll zudem Geld an einen mutmaßlichen Finanzier von Al-Qaeda transferiert haben.

Doch Niazis Fall sorgte für andere Schlagzeilen, als es das FBI gerne hätte. Das Gericht hat ihn am 30. September dieses Jahres von den Vorwürfen frei gesprochen. Denn Niazi hat offenbar nur zum Schein gegenüber Monteilh zugestimmt, Gebäude in die Luft zu sprengen. Nach dem Gespräch wandten er und der dritte Mann sich an den Imam des Zentrums.

„Sie sagten, dass Farouk ihnen erzählt habe, dass er Zugang zu Waffen hat und dass sie ein Einkaufszentrum in die Luft sprengen sollten“, erinnert sich Imam Ayloush. „Sie waren überzeugt, dass dieser Mann ein Terrorist ist.“

Ayloush verständigte das FBI und erstattete über deren eigenen Informanten Bericht. Daraufhin wurde Niazi verhört, der die Angaben bestätigte. Doch gegen Monteilh unternahm das FBI erst einmal nichts. Die Mitglieder des Zentrums hatten Angst vor Monteilh und fürchteten, dass er sie „in eine Mission verstricken“ will, so der ehemalige Präsident des Znetrums, Asim Khan.

Da das FBI nicht aktiv wurde, nahm man die Sache selbst in die Hand und wandte sich an das oberste Gericht in Orange County und erhielt eine einstweilige Verfügung gegen Monteilh.

Seine Zeit als Undercover-Muslim war daraufhin abgelaufen. Das FBI wollte seinen Informanten loswerden. Nachdem Monteilh androhte, an die Öffentlichkeit zu gehen, drohte ihm wiederum seine FBI-Vorgesetzte mit einer Festnahme. „Wenn Sie über ihren Status als Informant mit der Presse reden, wird das die Beziehung der muslimischen Gemeinden zum FBI für immer zerstören“, habe seine Kontaktfrau zu ihm gesagt.

Im Oktober 2007 unterzeichnete er laut Gerichtsakten dann eine Schweigeverpflichtung – im Austausch gegen 25.000 Dollar in bar. Aber nur zwei Monate später kam er wieder ins Gefängnis, dieses mal wegen schweren Diebstahls. Daraufhin stellte er Anzeige gegen das FBI und behauptete, dass die Behörde sich mit der Polizei in Irvine verschworen habe, um ihn festzunehmen. Anschließend habe man seinen Status als Informant im Gefängnis preisgegeben, was dazu geführt haben soll, dass auf ihn mit einem Messer eingestochen wurde. Das Verfahren läuft noch.

Wachsende Spannung zwischen Muslimen und dem FBI

Monteilhs Offenbarung führt zu wachsenden Spannungen zwischen den muslimischen Gemeinden und dem FBI, die bislang eine Kooperation pflegten. Dass die Anzahl radikaler amerikanischer Muslime äußerst gering ist, ist laut einer Studie der Duke Universität darauf zurückzuführen, dass die „muslimischen Gemeinden in Amerika aktiv sind, eine Radikalisierung zu verhindern. (…) Das ist einer der Gründe, warum islamischer Terrorismus seit dem 11.September 2001 zu weniger als drei Dutzend von insgesamt 136.000 in den USA begangenen Morden führte.“ (2)

Das FBI hat somit dem Kampf gegen den Terror einen Bärendienst erwiesen. „Die Gemeinde fühlt sich betrogen“, sagte Shakeel Syed, Direktor des Islamic Shura Council in Südkalifornien, einem Dachverband von mehr als 75 Moscheen. „Sie haben einen Typen, einen gutgläubigen Kriminellen, offenbar trainiert und losgeschickt, um Moscheen zu infiltrieren“, so Syed. „Und als die Sache schief ging, gaben sie ihm den Laufpass und er drehte durch. Es ist wie aus der Seifenoper.“

Nachdem viele muslimische Organisationen ihre Kontakte zum FBI praktisch abgebrochen haben, bemüht sich das FBI herauszustellen, dass der Fall Monteilh nicht repräsentativ sei für ihr Verhältnis zu den muslimischen Gemeinden. Das FBI lobte zudem die amerikanischen Muslime dafür, dass sie in einer Reihe von Fällen entscheidende Hinweise gaben.

Die Behörde „ist auf die Unterstützung, Kooperation und das Vertrauen der Gemeinden angewiesen, denen sie dient und die sie schützt“, erklärte FBI-Sprecher Michael Kortan.

Zum Fall Monteilh wollte sich Los Angeles’ stellvertretender Direktor Steven Martinez aufgrund des schwebenden Verfahrens nicht äußern. Aber in bestimmten Situationen, wenn es Beweise für ein Verbrechen gebe, könnten FBI-Beamte Maßnahmen ergreifen, die auch die Überwachung von Moscheen beinhalten, so Martinez. Er sagte auch, dass die Behörde niemanden aufgrund der Religion oder ethnischen Zugehörigkeit ins Visier nehme. „Ich weiß, viele haben den Verdacht, das wäre unser Fokus, dass wir Moscheen überwachen und schauen, wer ein und aus geht. Aber das ist nicht der Fall.“

Im Fall Monteilh liegen die Dinge aber anders. Denn seine Spitzeltätigkeit begann nicht aufgrund eines Verdachts auf ein mögliches Verbrechen. Im Gegenteil, er war es, der Besucher des Zentrums zu Verbrechen überreden wollte. Auch, dass seine FBI-Kontaktperson ihm gesagt habe, dass der Islam eine Bedrohung für die nationale Sicherheit sei, steht im Widerspruch zu Martinez’ Aussage  und verstärkt natürlich die Skepsis in den muslimischen Gemeinden.

FBI vereitelt erneut selbst geplanten Anschlag

Unterdessen sorgt ein anderer Martinez für Schlagzeilen. Gestern nahm das FBI den 21-jährigen Konvertiten Antonio Martinez fest. Im Oktober war das FBI aufgrund von Äußerungen auf Facebook auf ihn aufmerksam geworden. Einem FBI-Informanten habe er dann erzählt, dass er Angehörige des US-Militärs angreifen wolle. Das FBI versorgte ihn mit einer nicht funktionsfähigen Autobombe, die er vor einem Rekrutierungs-Zentrum in Catonsville habe zur Explosion bringen wollen. Daraufhin erfolgte seine Festnahme.

Im Gegensatz zu Niazi handelt es sich bei Martinez tatsächlich um jemanden, der bereit war, Anschläge zu begehen. Somit kann das FBI im Kampf gegen den Terror – nur vier Tage nachdem die kompromittierende Geschichte von Monteilh an die Öffentlichkeit gelangte – einen Erfolg vermelden. Ist die zeitliche Nähe Zufall, oder wollte man möglichst schnell aus den negativen Schlagzeilen heraus kommen? So oder so, es bleibt ein Beigeschmack. In der Vergangenheit hat das FBI wiederholt junge Muslime zu Anschlägen motiviert, die als besonders beeinflussbar und psychisch labil galten. Über den jüngsten Fall – Anfang Dezember wurde der 19-jährige Somali-Amerikaner Mohamed Osman Mohamud festgenommen, der vom FBI in einem selbst inszenierten und dann vereitelten Anschlag verwickelt wurde – schrieb Glenn Greenwald:

„Es könnte sehr wohl der Fall sein, dass das FBI erfolgreich und innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen gefährlichen Kriminellen festgenommen hat, der die Absicht verfolgte, einen schwerwiegenden Terrorakt durchzuführen, der viele unschuldige Menschen getötet hätte. In einem solchen Fall gebührt dem FBI Lob. Vom Gericht bewilligte Überwachung und der Einsatz von verdeckten Ermittlern sind legitime Methoden, um einen Terror-Plot zu infiltrieren, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Gesetz erfolgen.

Aber es könnte auch ohne weiteres der Fall sein, dass das FBI – wie schon oft in der Vergangenheit (3) – einen sehr jungen, beeinflussbaren, unzufriedenen, ziellosen, unglücklichen und unbeholfenen Eigenbrödler gefunden hat; diesen überredete/manipulierte/verführte, an einem selbst geplanten Anschlag teilzunehmen, ihn also im wesentlichen in einen Terroristen verwandelte, um sich dann nach seiner Festnahme selbst auf die Schultern zu klopfen, weil man einen „Terrroranschlag“ verhindert hat, der von Anfang bis Ende eine Erfindung des FBI war. Nachdem der selbst kreierte Anschlag vereitelt wurde, verkündet das FBI der Weltöffentlichkeit – von unkritischen Medien blumig ausgeschmückt – flugs einen „Fahndungserfolg“ und beweist damit zum einen, dass der einheimische Terrorismus durch Muslime eine ernsthafte Bedrohung darstellt und zum anderen, dass die riesigen – gegenwärtigen und zukünftigen – Überwachungskapazitäten der Regierung notwendig sind.“ (4)

Gedankenverbrechen lohnt sich nicht

Beispielhaft für die Anwendung nicht legitimer Methoden sei der Fall des aus Pakistan stammenden Umer Hyatt und seines in den USA geborenen Sohnes Hamid angeführt. 2005 wurden sie vom FBI zu hochrangingen Terroristen aufgebauscht. Grundlage dafür waren die Aussagen eines Informanten mit dem Codenamen „Wildkatze“. Er will die beiden in einer Moschee in Kalifornien zusammen mit Al-Qaedas angeblichem Vize Ayman al-Zawahiri beobachtet haben. Obwohl das FBI dem Informanten dies nicht glaubte, bekam er insgesamt 300.000 US-Dollar für das Aushorchen muslimischer Kreise.

Die heimlich durchgeführten Aufnahmen der Gespräche ergaben, dass der FBI-Informant Hamid Hyatt regelrecht bedrängte, belastende Aussagen zu tätigen. Laut dem ehemaligen FBI-Beamten James Wedick Jr. waren dessen auf Video aufgenommenen „Geständnisse“ das Resultat einer illegalen Befragung. (5)

„Die Regierung hatte keine direkten Beweise. Das Geständnis war ungenau und widersprüchlich. Und die Aussagen über Angriffe auf amerikanische Ziele erfolgten erst nach eindringlichen Aufforderungen [heavy prompting] durch die Verhörbeamten“, fasste die Los Angeles Times seinerzeit das Verfahren zusammen. (6)

„Aber was die Ankläger tun konnten – und auch taten – war überzeugend um zu zeigen, dass der 23-jährige Hamid Hyatt starke antiamerikanische Gefühle hegte, militante muslimische politische Parteien in Pakistan unterstützte und eine romantische Anziehung gegenüber der Idee des Dschihad verspürte.“

Der Text eines Gebetes, welchen Hyatt in seiner Tasche trug, wirkte „besonders einflussreich“ auf die Juroren. „Oh Allah, wir setzen dich an ihre Kehlen und suchen bei dir Zuflucht vor ihrem Bösen.“

Ihm wurden weder begangene noch konkret geplante Taten vorgeworfen. Dennoch wurde er zu einer Haftstrafe von bis zu 39 Jahren verurteilt. Einzig aufgrund seiner „antiamerikanischen“ Gefühle und diffusen Sympathie für den Dschihad.

Staatsanwalt McGregor Scott gestand ein, dass das Verfahren nicht die „Standard-Elemente der Beweisführung“ enthielt, da das Verbrechen noch nicht begannen wurde.  

„Nach dem 11.September wurde der Strafverfolgung von Präsident Bush und dem Generalstaatsanwalt die Mission erteilt, tödliche Akte zu verhindern, bevor sie geschehen. Dass ist das neue Paradigma der Strafverfolgung.“ (7)

Man könnte es auch anders formulieren: Hyatt wurde aufgrund eines Gedankenverbrechens zu einer Haftstrafe verurteilt, für die man in Deutschland Morde begehen müsste.

Al-Qaedas Latino-Connection

Die Festnahme von Antonio Martinez markiert auch beispielhaft ein neues Phänomen. „Zum radikalen Islam konvertierte Latinos stehen in diesem Land mit steigender Häufigkeit in Verbindung zu Terror-Verfahren“, meldete am Donnerstag (9. Dezember) National Public Radio.  (8) Dort wird auch auf den jüngsten Fall hingewiesen, in den ein konvertierter Latino verwickelt ist. Carlos Almonte wurde zusammen mit Mohammed Alessa auf dem Flughafen in New Jersey festgenommen, als sie einen Flug nach Somalia nehmen wollten. Dort wollten sie sich angeblich der Gruppe al-Shabab anschließen. Die New Yorker Polizei und das FBI hatten sie seit Jahren unter Beobachtung. Besonderes Interesse galt dabei Almonte, weil er sich als Latino für den radikalen Islam begeisterte.

Über die Gruppe Revolution Muslim erfolgte Almontes Einstieg in die „islamistische“ Szene. Die Rolle von Revolution Muslim ist nur als zwielichtig zu beschreiben. Sie gilt als die radikalste Gruppe in den USA und befürwortet die Anschläge von Al-Qaeda. Dennoch ist die Gruppe nicht verboten und kann weiterhin frei in New York operieren. Auch ihr Youtube-Kanal mit Propaganda-Videos wurde nicht vom Netz genommen. Man vergleiche dies mit der hohen Haftstrafe gegenüber Hamid Hyatt.

Nicht nur aus diesem Grund ist zu vermuten, dass es sich hierbei um ein Geheimdienstprojekt handelt. Gegründet wurde die Gruppe von dem radikalen Zionisten und orthodoxen Juden Stephen Cohen, der sich 1998 als Siedler in Gaza niederließ und dort der rechtsextremen Gruppe Shas angehörte. Drei Jahre später wandelte er sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Moslem und Anhänger des Dschihad und nennt sich seit demYousef al-Khattab. (9)

Ibrahim Hooper, Sprecher des Council on American-Islamic Relations, bezeichnete die Revolution Muslim als eine Gruppe, die solch ungeheuerliche Auffassungen vertrete, dass er glaubt, diese sei in der Absicht aufgebaut worden, um den Islam zu diskreditieren. „Es gibt einen starken Verdacht, dass es sich bloß um eine abgekartete Sache handelt, um Muslime und den Islam schlecht aussehen zu lassen. Sie sagen solche wilden und verrückten Sachen, dass man sich wundern muss.“ (10)

Bereits das Verfahren gegen den ersten bekannt gewordenen Latino, der in die Fänge Al-Qaedas geriet, zeigte die tiefgreifende Erosion des US-Justizsystems auf. Die Rede ist von Jose Padilla. Im Sommer 2002 wurde er von Präsident Bush zum „feindlichen Kämpfer“ erklärt und verschwand daraufhin für dreieinhalb  Jahre in einem Militärgefängnis. Erst auf Druck von Bürgerrechts-Gruppen wurde er dann einem Zivilgericht überstellt. Er wurde zu 17 Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt, wobei der ursprüngliche Vorwurf, er habe eine „schmutzige Bombe“ bauen wollen, gar nicht erst zur Anklage kam. Die Anklageschrift warf ihm keine konkrete Tat vor und behauptete auch keine direkte Verbindung zu Al-Qaeda. Stattdessen wurde er wegen seiner Teilnahme an einer „Verschwörung zur Tötung von Menschen im Ausland“ und der Unterstützung des Dschihad im Ausland verurteilt,

Padillas Anwalt Andrew Patel sagte nach dem Urteil: „Was in diesem Verfahren geschah, muss man im Kontext der Bundesgesetze gegen Verschwörung betrachten, aufgrund derer die Regierung nicht beweisen muss, dass etwas geschehen ist, sondern nur, dass Leute sich damit einverstanden zeigen, dass etwas in der Zukunft geschehen soll. (…) In diesem Fall bestand das verhandelte Verbrechen in der Absprache einer Übereinkunft darüber, dass etwas in der Zukunft passieren soll. Wenn man es mit so einer Anklage zu tun hat, dann ist es für die Regierung nicht erforderlich, die Art von Beweisen zu produzieren, wie man sie in einem normalen Kriminalitätsfall erwarten würde.“ (11)

Paul Craig Roberts formulierte es schärfer. Das Verfahren gegen Padilla habe die Verfassung umgestürzt und der Freiheit der USA mehr Schaden zugefügt, als jeder Terrorist es könnte. (12)   

Die Anklage gegen Padilla beruhte auch auf Aussagen von Khalid Sheikh Mohammed, dem angeblichen Mastermind der 9/11-Anschläge. Sheikh Mohammed wurde – wie offiziell eingestanden – während seiner Haft wiederholt gefoltert und hat so gut wie alles „gestanden“, was es zu gestehen gibt.

Darunter geplante Attentate auf Jimmy Carter, Bill Clinton, Papst Johannes Paul II, den Panama-Kanal und Londons ‘Big Ben’. Auch zu einem geplanten Anschlag auf die Plaza Bank in Seattle soll er sich bekannt haben. Die Bank wurde aber erst vier Jahre nach seiner Festnahme gegründet. Er konnte sie also gar nicht kennen. CIA-Agenten gingen daher davon aus, dass 90 Prozent seiner Aussagen unglaubwürdig sind. (13)

Auch Padilla wurde laut seinen Anwälten während seiner Haftzeit im Militärgefängnis wiederholt gefoltert. Auch seien ihm Drogen wie LSD und PCP verabreicht worden. (14)

„17 Jahre und vier Monate erscheint mir eine außerordentlich hohe Strafe für nicht viel mehr als ein Gedankenverbrechen. Aber wenn das Thema seiner dreieinhalb-jährigen Folter aufkommt, fällt es schwer, nicht zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass die Gerechtigkeit schrecklich verdreht wurde, dass der Präsident und seine Berater straflos mit der Folter eines amerikanischen Bürgers davon gekommen sind, und dass sich kein amerikanischer Bürger sicher sein kann, dass das, was Padilla geschah, nicht auch ihm oder ihr geschehen könnte. Heute war es ein Muslim. Morgen könnte es jede mögliche Kategorie „feindlicher Kämpfer“ sein, die bislang noch nicht identifiziert wurden“, so der Journalist Andy Worthington, der sich in den letzten Jahren vor allem mit Guantanamo und anderen Folterstationen beschäftigte, die „feindliche Kämpfer“ durchlaufen mussten. (15)

Seit Wochen herrscht auch in Deutschland wieder der „Spuk“ (O-Ton Körting, Innensenator von Berlin) des Terrors. Angesichts von Fällen wie Monteilh stellt sich die Frage, wie viele der am Terror-Spuk beteiligten Gespenster einzig und allein auf die Überredungskünste von Undercover-Agenten und auf erfolterte Geständnisse von „Verführten“ zurückgehen.

Monteilh ist mit seinen ehemaligen Überredungskünsten nicht im Reinen. Er bedauere seine Rolle in dem Niazi-Fall und sei froh, dass die Anklage gegen ihn fallen gelassen wurde. In den vergangenen Wochen suchte er die Orte auf, die er in der Vergangenheit nur als Farouk al-Aziza betrat. Er entschuldigte sich für die „Respektlosigkeit gegenüber ihrer Gemeinde und Religion“. Wahrscheinlich hat er damit einen größeren Beitrag zur Förderung der nationalen Sicherheit geleistet, als zuvor, wo er noch vom FBI dafür bezahlt wurde.


Am 8. Dezember meldete FoxNews: Geraldo Rivera Tells Bill O’reilly Recent Domestic Terror Plots Are Fake

{youtube}czr6fHD-jzE{/youtube}

Anmerkungen

(1) Alle Zitate, soweit nicht anders angegeben:
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2010/12/04/AR2010120403710.html?sid=ST2010120404317

(2) http://www.dukenews.duke.edu/2010/01/muslim_amer.html

(3) Siehe dazu: http://www.hintergrund.de/201011021223/globales/terrorismus/selbstgemachte-terroristen-wie-die-usa-islamistischen-nachwuchs-erzeugen-und-rekrutieren.html

(4) http://www.guardian.co.uk/commentisfree/cifamerica/2010/dec/07/islam-terrorism

(5) http://www.guardian.co.uk/commentisfree/cifamerica/2010/dec/07/islam-terrorism

(6) http://articles.latimes.com/2006/may/01/local/me-lodi1

(7) ebd.

(8) http://www.npr.org/2010/12/09/131916271/officials-worry-about-some-latino-converts-to-islam

(9) http://www.scribd.com/doc/2901290/Brother-Yousef-al-Khattabs-Reversion-to-Islam-A-Former-Jew

(10) http://www.foxnews.com/us/2010/04/23/road-radicalism-man-south-park-threats/

(11) http://www.revcom.us/a/100/padilla-en.html

(12) http://www.lewrockwell.com/roberts/roberts219.html

(13) Siehe dazu: http://www.hintergrund.de/20080430193/hintergrund/11-september-und-die-folgen/911-untersuchung-auf-dem-pruefstand.html

(14) http://www.sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/c/a/2006/11/19/MNGG5MFSMK1.DTL

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(15) http://www.andyworthington.co.uk/2008/01/22/why-jose-padillas-17-year-prison-sentence-should-shock-and-disgust-all-americans/

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