Afghanistan: „Gegner der Freiheit“ unbeeindruckt

(27.4.2010/dpa)

Eine erhöhte Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland durch die zunehmende Verwicklung der Bundeswehr in Kämpfe in Afghanistan sieht Bundesinnenminister Thomas de Maizière nicht. „Die Terrorgefahr in Deutschland verändert sich nicht mit jedem Ereignis in Afghanistan. Unser Einsatz dort verhindert ja gerade den Export von Terrorismus aus Afghanistan“, sagte de Maizière dem Hamburger Abendblatt. Ein überstürzter Abzug wäre kein Zeichen von Stärke und Glaubwürdigkeit. „Die Nachhaltigkeit einer Position ist immer etwas, das die Gegner der Freiheit beeindruckt.“

Anders als Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will de Maizière nicht von Krieg in Afghanistan sprechen. „Wir bewerten die Situation in Afghanistan rechtlich als nicht internationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts“, sagte er. Die „Terrorlage“ in Deutschland sei unverändert hoch. „Ich kann weder Entwarnung geben noch eine zusätzliche Eskalation für Anschläge in Deutschland erkennen“, teilte der Minister mit.

Die Frage, wie groß die Gefahr islamistischer Anschläge in Deutschland sei, lasse sich „so nicht beantworten“, sagte de Maizière. „Wie wahrscheinlich ein Anschlag in Deutschland ist, kann niemand wirklich vorhersagen.“

Unterdessen meldeten die Besatzungstruppen einen erfolgreichen Luftangriff auf einen führenden „Gegner der Freiheit“. Bei einem Luftangriff im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr ist am Montag nach NATO-Angaben ein hochrangiger Taliban-Kommandeur getötet worden. Bei dem Angriff rund 30 Kilometer nordöstlich von Kundus-Stadt seien auch zwei seiner Berater getötet wurden, teilte die NATO-geführte Internationale Schutztruppe (ISAF) mit. Die Aufständischen seien in ihrem Fahrzeug von einem Präzisionsluftschlag getroffen worden.

Der von ISAF als „Extremisten-Führer“ Bezeichnete sei „an allen Aspekten der Militäroperation (der Taliban) in der Provinz Kundus“ beteiligt gewesen, so die ISAF. Er sei verantwortlich dafür gewesen, Zielprioritäten zu setzen, Waffen zu verteilen und Angriffe gegen ausländische und afghanische Sicherheitskräfte zu leiten.

In der Provinz Kundus waren am Karfreitag drei Bundeswehrsoldaten von Taliban getötet worden. Bei einer Operation in der Nachbarprovinz Baghlan waren am vorvergangenen Donnerstag vier Bundeswehrsoldaten bei einem Anschlag und bei Beschuss gestorben.

Am Montag vermeldete die ISAF einen weiteren Erfolg im Kampf gegen die „Feinde der Freiheit“. Acht Taliban-Kämpfer hätten in Baghlan ihre Waffen niedergelegt und sich den afghanischen Sicherheitskräften gestellt. Der afghanische General Murad Ali Murad habe eine Schura (Ratsversammlung) mit den Aufständischen abgehalten, um über die Konditionen für ihre Wiedereingliederung zu verhandeln. Murad habe die Männer als „Brüder“ willkommen geheißen. An dem Treffen habe auch der deutsche General Frank Leidenberger, ISAF-Kommandeur für die Nordregion, teilgenommen.

Die „Ausfallrate“ der afghanischen Polizei durch Tod, Desertion und Entlassungen aufgrund von Drogenkonsum, die laut freigegebenen Dokumenten des britischen Außenministeriums in Regionen wie Helmand 60 Prozent beträgt, dürfte die Erfolgsmeldung vom Überlaufen einiger Taliban-Kämpfer aber relativieren. Gegenwärtig würden sich, so das heute-journal in einer Sendung vom 28. März, viele der auch von deutschen Steuergeldern finanzierten afghanischen Polizisten nach der Ausbildung den Taliban anschließen.

Die „Gegner der Freiheit“ können auf zunehmende Unterstützung in der Bevölkerung bauen. Erst gestern gemeldet, dass in der zentralafghanischen Provinz Logar am Sonntag mehr als 1.000 Menschen auf die Straße gingen, um gegen die Tötung von drei Familienmitgliedern durch die Besatzungstruppen zu demonstrieren.

Die Demonstranten riefen Parolen gegen die USA und die Provinzverwaltung, blockierten die Straße zwischen Logar und Gardez und zündeten 16 Tanklaster an, die Treibstoff für die NATO-Truppen transportierten. Bereits am Freitag hatte es in der Provinz eine Demonstration gegen die Tötung von fünf Zivilisten gegeben.

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