Afghanistan: Gewalt eskaliert nach Koranverbrennung

(27.02.2012/dpa)

Tödliche Schüsse im Kabuler Innenministerium haben das durch die Koranverbrennungen ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der afghanischen Regierung und den US-Truppen weiter belastet. Zwei US-Militärberater waren am Samstag in dem Regierungsgebäude erschossen worden. Bei dem Täter soll es sich um einen Offizier des afghanischen Geheimdienstes handeln. Der 25-Jährige sei auf der Flucht, berichtete die britische BBC unter Berufung auf Sicherheitskreise.

Ob die Tat im Zusammenhang mit den seit Tagen andauernden Protesten gegen die Koranverbrennung in einem US-Militärlager steht, war zunächst nicht bekannt. Bei neuen Kundgebungen starben am Wochenende mindestens fünf Menschen.

Nach Informationen des afghanischen Senders Tolo TV war der Schütze für die Sicherheitsvorkehrungen im Innenministerium zuständig und hatte in dieser Funktion Zugang zu wichtigen Bereichen. Sicherheitskräfte hätten am Sonntag das Wohnhaus des Mannes nordwestlich von Kabul durchsucht und mehrere Verwandte festgenommen. Die Taliban veröffentlichten dagegen eine Erklärung, in dem der Angriff als Vergeltung für die Schändung des Korans bezeichnet wurde.

Seit vergangenem Dienstag sind tausende Afghanen auf die Straße gegangen, um gegen die Koranverbrennung zu protestieren. Mindestens 30 Menschen, darunter zwei US-Soldaten, wurden seither getötet. Die US-Regierung hatte die Koranverbrennung als Versehen bezeichnet. Präsident Obama hatte sich entschuldigt.

Am Wochenende gingen die Proteste weiter. Am Samstag versuchte eine Menschenmenge in der nordafghanischen Stadt Kundus das Büro der Vereinten Nationen und das Polizeihauptquartier zu stürmen, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Das sei ihnen aber nicht gelungen. „Sie warfen Steine (…), aber es hat keine Schäden gegeben.“ Ein UN-Mitarbeiter in Kabul gab an, alle Mitarbeiter seien in Sicherheit. Mindestens fünf Demonstranten wurden getötet. In der Ostprovinz Laghman stürmten Demonstranten das Büro des Gouverneurs.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai forderte unterdessen die Bestrafung der Verantwortlichen der Koranverbrennung. „Im Namen des afghanischen Volkes und der gesamten islamischen Welt rufen wir die US-Regierung dazu auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Karsai am Sonntag in einer Fernsehansprache. Gleichzeitig rief er seine Landsleute erneut zu Zurückhaltung auf.

Vor dem Hintergrund der gewaltsamen Proteste äußerten der Bundeswehrverband und der Reservistenverband ihre Sorge um die Sicherheit deutscher Soldaten am Hindukusch. Gleichzeitig zeigten sie Verständnis für die vorzeitige Räumung des Stützpunkts in der nordafghanischen Stadt Talokan am Donnerstag.

„Ich glaube, es ist schon ein symbolischer Akt, der missverstanden werden kann, aber ich halte es für wichtig, dass die Bundeswehr sich nun mehr um die Sicherheit der eigenen Soldaten kümmert“, sagte der Präsident des Reservistenverbandes, Roderich Kiesewetter, im Deutschlandradio Kultur. Dabei dürfe allerdings nicht der Eindruck entstehen, „es müssen nur ein paar Steinewerfer kommen, und schon zieht sich die internationale Gemeinschaft zurück“.

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