Afghanistan hat eine Elf weniger - Fußballminister Guttenberg verteilt Trikots

(24.06.2010/dpa)

Im Süden Afghanistans sind gestern elf Sicherheitskräfte ums Leben gekommen, darunter vier NATO-Soldaten, teilt die Deutsche Presse-Agentur (dpa) heute mit. Laut Angaben des afghanischen Innenministeriums wurden in der Provinz Urusgan sieben afghanische Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma getötet, als deren Fahrzeug von einem Sprengsatz getroffen wurde. Die Männer waren im Auftrag einer Baufirma im Einsatz.

Ebenfalls im Süden des Landes starben nach Angaben der Internationalen Schutztruppe ISAF vom Donnerstag vier NATO-Soldaten, angeblich bei einem Verkehrsunfall. Weitere Einzelheiten nannte die ISAF nicht.

Nach Informationen des unabhängigen Internetdienstes icasualties.org verloren damit seit Jahresbeginn knapp 300 ausländische Soldaten am Hindukusch ihr Leben. Der Monat Juni ist diesen Angaben zufolge mit 79 Tote der bislang verlustreichste Monat für die Truppen seit Beginn des Afghanistan-Krieges Ende 2001.

Die Zahl der Bombenanschläge und Angriffe habe zu Beginn des Jahres deutlich zugenommen, heißt es in einem am Samstag veröffentlichten Papier, das UN-Generalsekretär Ban Ki-moon dem Sicherheitsrat übermittelte. „Im Ganzen hat sich die Zahl der Zwischenfälle im Vergleich zu den Vorjahren signifikant erhöht“, heißt es in dem Bericht. Zu Beginn des Jahres gab es fast doppelt so viele Bombenanschläge wie ein Jahr zuvor. Die Zahl größerer, gut geplanter Angriffe hat sich ebenfalls verdoppelt.

Obwohl der von Ban Ki-moon vorgelegte Bericht an den UN-Sicherheitsrat „einige positive Entwicklungen im zivilen Bereich“ andeutet, wollen die Vereinten Nationen einen Teil ihres ausländischen Personals aus Sicherheitsgründen aus dem von internationalen Truppen unter Führung der USA besetzten Land abziehen.

Auch deutsche Soldaten geraten zunehmend unter Beschuss. Bei einer Serie von Anschlägen auf die Bundeswehr im Norden Afghanistans sind am vergangenen Wochenende erneut fünf deutsche Soldaten verletzt worden. Laut Angaben des Einsatzführungskommandos in Potsdam wurde die Bundeswehr am Wochenende insgesamt viermal zum Ziel von Aufständischen.

Doch offenbar sind es nicht die deutschen Stürmer in Afghanistan, die „Verteidigungs“-minister Guttenberg umtreiben, sondern die deutschen Stürmer in Südafrika. Die Deutsche Presse-Agentur schreibt heute in einer anderen Meldung: „Die einen schauen sich die WM am liebsten zu Hause auf der Couch an, andere gehen in die Kneipe oder zum „Public Viewing“ vor die Großbildleinwand. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war am Mittwoch all das zu langweilig.“

Und selbst wenn deutsche Soldaten am Hindukusch täglich unter Beschuss genommen werden, muss das der Langeweile ihres obersten Befehlshabers noch keinen Abbruch tun. Um die Langeweile zu vertreiben, brach Guttenberg dann in Richtung Südafrika auf. Aber nicht, um sich dort das Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ghana anzusehen, sondern um auf halber Strecke im ostafrikanischen Dschibuti Halt zu machen und dort im Hangar eines deutschen Kriegsschiffes die Partie inmitten von 120 Soldaten zu verfolgen. Für das leibliche Wohl gab es „kleine saure Zipfel“ – eine fränkische Spezialität -, Wiener Würstchen in Blätterteig und jede Menge Bier, so dpa. Weiter heißt es:

„Um die Stimmung etwas aufzulockern, hat Guttenberg ein Geschenk von der Nationalmannschaft mitgebracht. „Hauptgefreiter Küppers, vortreten“, befiehlt er scherzhaft, um dem jungen Soldaten ein Trikot mit allen Unterschriften der Nationalelf zu übergeben. (…)

Stadionatmosphäre will in dem Hangar nicht so recht aufkommen. Erst nach 60 Minuten ändert sich das. Mesut Özil trifft und Guttenberg hüpft vor Freude, ballt die Fäuste, nimmt einen Soldaten in den Arm und prostet ihm zu. Vereinzelt gibt es jetzt auch Anfeuerungsrufe. An ein Scheitern glaubt niemand mehr.“ Im Gegensatz zum Krieg in Afghanistan, an dessen Scheitern kaum noch jemand zweifelt.

Und damit man sich nicht wundert, warum dpa die Meldung über Guttenbergs Fußballerlebnis unter der Rubrik „Politik“ veröffentlicht, gibt es am Ende der Meldung sogar noch eine politische Frage: „Zu guter Letzt muss sich Guttenberg noch die Frage gefallen lassen, ob die angeschlagene Bundesregierung auf der Erfolgswelle der Nationalmannschaft mitreiten könnte. „Es wäre doch vollkommen absurd, wenn Regierungsarbeit sich an Fußballergebnissen festmachen würde“, antwortet er darauf.“

Die Frage hätte aber nicht lauten sollen, ob die Bundesregierung auf der Welle mitreiten kann, sondern ob sie es überhaupt will. Und es wäre absurd anzunehmen, dass die Bundesregierung nicht zumindest versucht, auf der „Erfolgswelle der Nationalmannschaft“ mitzureiten. Guttenbergs Besuch bei der Truppe in Dschibuti beweist, dass es sich so verhält. Schließlich wurde der Besuch, der schon länger angesetzt war, wegen des Fußballspiels um einen Tag nach hinten verlegt. Und während in Afghanistan die ISAF-Kräfte diesen Monat die größten Verluste seit Kriegsbeginn erleiden, prostet Guttenberg bierselig Soldaten zu und verteilt Trikots der Nationalelf. Auch ein „Verteidigungs“-minister muss eben Prioritäten setzen.

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