Afghanistan: Neue Tote und neue Erklärungen

(26.03.2012/hg)

Ein Mann in afghanischer Armee-Uniform hat im Süden des Landes zwei Soldaten der Internationalen Schutztruppe erschossen. Bei dem Feuergefecht am Montag sei auch der mutmaßliche Täter getötet worden, teilte die NATO-geführten Isaf mit. Nach afghanischen Angaben ereignete sich der Zwischenfall in Laschkarga, der Hauptstadt der Unruheprovinz Helmand. Dort sind vor allem britische und amerikanische Soldaten stationiert.

Der Sprecher der Provinzregierung von Helmand, Daud Ahmad, erklärte, der Schießerei sei ein Streit zwischen afghanischen und ausländischen Soldaten vorausgegangen. In dessen Verlauf habe der Afghane das Feuer auf die NATO-Angehörigen eröffnet. Die Umstände der Tat würden noch untersucht.

In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder tödliche Angriffe von afghanischen Uniformierten auf ausländische Soldaten gegeben. Erst Ende Februar hatte ein afghanischer Offizier im Gebäude des Innenministeriums in Kabul zwei US-Militärberater erschossen. Zuvor war bekannt geworden, dass US-Soldaten auf der ostafghanischen Basis Bagram Exemplare des Koran verbrannt hatten. Danach kam es zu tagelangen Unruhen, bei denen mindestens dreißig Afghanen getötet wurden.

Unterdessen hat die New York Times unter Berufung auf einen Beamten eine neue Version des Massakers an 16 afghanischen Zivilisten, darunter neun Kindern, an die Öffentlichkeit gebracht. (Hintergrund berichtete) Laut den Ermittlungen sei der mutmaßliche Mörder und Einzeltäter, der Feldwebel Robert Bales, nach den ersten Morden in seinen Stützpunkt zurück gekehrt und sei später am Abend erneut aufgebrochen, um seine Mordtaten in einem anderen Dorf fortzusetzen. (1)

Die neue Tatversion widerspricht sämtlichen bisherigen Angaben über den Ablauf des Massakers. Sowohl den Angaben des afghanischen Parlamentes, – deren Untersuchung hatte ergeben, dass das Verbrechen von mehreren US-Soldaten begangen wurde – als auch den bisherigen Angaben des US-Militärs. Bislang hieß es, US-Soldaten hätten bereits nach Bales gesucht, kurz nachdem dieser den Stützpunkt verlassen hatte und noch bevor er das Massaker begehen konnte. Denn der Feldwebel sei von afghanischen Soldaten bemerkt worden, die daraufhin das US-Militär in Kenntnis setzten. Die laut Aussagen von Dorfbewohnern angeblich an der Tat beteiligten anderen US-Soldaten seien tatsächlich auf der Suche nach Bales gewesen – mit dieser Version hatte das Pentagon den Widerspruch zu erklären versucht, warum Zeugen von mehreren anwesenden Soldaten sprachen, obwohl es sich um den „Amoklauf“ eines Einzeltäters gehandelt haben soll.

Die neue Version macht den behaupteten Ablauf noch unwahrscheinlicher. Demnach muss Bales es nicht nur einmal, sondern gleich zweimal geschafft haben, seinen Stützpunkt unbemerkt zu verlassen. Und das zweite Mal sogar nach einem zuvor begangenen Massaker. Und plötzlich sollen die Morde nicht innerhalb einer Stunde geschehen sein, sondern mit deutlichem zeitlichen Abstand – zumindest lässt die Formulierung „später am Abend“ darauf schließen. Über seinen Anwalt ließ der 38-jährige Feldwebel vergangene Woche verlauten, er könne sich an die Taten nicht mehr erinnern.

Die nun in Umlauf gebrachte neue Variante bedeutet vor allem eins: Wirkliche Aufklärung des Massakers ist von Seiten der USA nicht zu erwarten.

Anmerkungen

(1) http://www.focus.de/panorama/welt/massaker-in-afghanistan-us-soldat-mordete-in-zwei-etappen_aid_727719.html

Siehe auch: http://www.hintergrund.de/201203121960/globales/kriege/afghanistan-ein-amoklauf-das-naechtliche-morden-hat-methode.html

http://www.hintergrund.de/201203201973/globales/kriege/nach-dem-mord-an-afghanischen-zivilisten-afghanistan-weist-einzeltaeter-theorie-zurueck.html

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