Antisemitismusvorwürfe gegen Grass

(04.04.2012/dpa)

Nachdem Günter Grass in einem am Mittwoch parallel in der Süddeutschen Zeitung und La Repubblica erschienenem Gedicht die israelische Politik gegenüber dem Iran als gefährlich für den Weltfrieden kritisierte, (1) wollen die Angriffe gegen den der SPD nahe stehenden Schriftsteller nicht abreißen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), sagte, Grass liege „gründlich daneben.“ Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, kritisierte, das Gedicht sei „geschmacklos, unhistorisch und zeugt von Unkenntnis der Situation im Nahen Osten“. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles Nahles bezeichnete es als „irritierend und unangemessen“. Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und menschenrechtspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sprach gegenüber der Welt von einer Denunziation des israelischen Staates.  

Härteres Geschütz fuhr der  Zentralrat der Juden in Deutschland auf. Der Text von Grass sei „ein aggressives Pamphlet der Agitation“, sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa in Berlin und Henryk M. Broder nannte Grass in einem Artikel in der Welt sogar den „Prototypen des gepflegten Antisemiten“. Ralph Giordano warf dem Schriftsteller vor, einen „Anschlag auf Israels Existenz“ in Gedichtform vorgenommen zu haben.

Der Gesandte der israelischen Botschaft, Emmanuel Nahshon, verstieg sich zu einem geradezu abenteuerlichen historischen Vergleich: „Was gesagt werden muss ist, dass es zur europäischen Tradition gehört, die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen“, erklärte er am Mittwoch in Berlin: „Früher waren es christliche Kinder, deren Blut die Juden angeblich zur Herstellung der Mazzen verwendeten, heute ist es das iranische Volk, das der jüdische Staat angeblich auslöschen will.“

Vermutlich reagiert die offizielle israelische Politik deshalb so scharf, weil Grass in seinem Text nicht nur die unbehinderte und permanente internationale Kontrolle der iranischen Atomanlagen, sondern auch die des israelischen atomaren Potenzials forderte. Kritik übte der Schriftsteller auch an der Lieferung eines deutschen U-Boots an das israelische Militär.

Der Präsident des deutschen Pen-Zentrums, Johano Strasser und der Linken-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke gehören bislang zu den wenigen Stimmen, die den Literaturnobelpreisträger Günter Grass öffentlich verteidigen. Strasser warnte im Radiosender NDR Kultur dringend vor Waffenexporten Deutschlands an eine israelische Regierung, die den Anschein erwecke, ein Krieg gegen den Iran sei unausweichlich. Linken-Politiker Gehrcke sagte: „Günter Grass hat Recht.“

(1) http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

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