Berufsverbot wegen Ehe mit einem Moslem

(06.12.2011/hu)

Als „Radikalenerlass“ ging ein 1972 unter der Brandt-Regierung erlassenes Gesetz in die Geschichte ein, in dessen Folge die „Verfassungstreue“ der Angestellten im öffentlichen Dienst überprüft wurde. Das Gesetz zielte insbesondere auf Mitglieder und Sympathisanten kommunistischer Organisationen. Der Radikalenerlass galt zwar auch für Rechtsextremisten, praktisch richtete er sich jedoch eindeutig gegen links. Wer beispielsweise im NS-Regime Karriere gemacht hatte, musste nicht befürchten, aufgrund des Radikalenerlasses in der Bundesrepublik Steine in den Weg gelegt zu bekommen.

Rund 1.100 Personen wurde der Eintritt in den bzw. das Verbleiben im öffentlichen Dienst aufgrund mangelnder Verfassungstreue verweigert. Für sie galt damit ein „Berufsverbot“ – so bezeichneten Kritiker die staatliche Praxis.

Wann immer sich jemand um eine Stelle im öffentlichen Dienst bewarb, ging eine sogenannte Regelanfrage an den Verfassungsschutz. Diese auch als „Gesinnungsschnüffelei“ kritisierte Vorgehensweise wurde jedoch im Laufe der Jahre von den verschiedenen Bundesländern eingestellt, als letztes von Bayern im Jahr 1991.

20 Jahre später spricht die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union erneut von einem Berufsverbot. Doch nicht der Staat, sondern die Evangelische Landeskirche in Württemberg sprach es aus. Und in diesem Falle nicht, weil der betroffenen Vikarin etwa radikale Ansichten vorgeworfen werden oder sie ihren kirchlichen Dienst vernachlässigt haben soll. Anlass für die Suspendierung und Kündigung zum Jahresende ist die Ehe der Christin mit einem Moslem.

In einer Pressemitteilung der Humanistischen Union vom 2. Dezember heißt es dazu:

„Menschenrechte auch für Dienerinnen und Diener des Herrn. Kein  Berufsverbot für Carmen Häcker!

Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) appelliert in einem Schreiben an die Evangelische Landeskirche in Württemberg, der Vikarin Carmen Häcker nicht den Abschluss ihrer theologischen Ausbildung zu  verweigern. Die Kirchenleitung hatte Frau Häcker kürzlich vom Dienst suspendiert und ihr zum Jahresende gekündigt, nachdem sie einen Mann  islamischen Glaubens heiratete. Sie begründete die Maßnahme mit einer Vorschrift des württembergischen Pfarrergesetzes, wonach auch der Ehegatte eines Pfarrers der evangelischen Kirche angehören muss.

Die Humanistische Union sieht durch die rigide Entscheidungspraxis der Landeskirche deren Glaubwürdigkeit gefährdet. Durch die Suspendierung ihres Ausbildungsverhältnisses werden die Freiheit der Eheschließung (Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz), die Freiheit ihrer Berufswahl und der zu seiner Ausübung nötigen Qualifikation (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz); sowie die Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention) von Frau Häcker verletzt. Religionsgesellschaften dürfen ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln, dennoch sollte der kirchliche Umgang mit den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diesen menschenrechtlichen Maßstäben folgen. Die HU hält es daher unter rechtsstaatlichen wie humanitären Gesichtspunkten für geboten, dass Frau Häcker die Gelegenheit erhält, die begonnene Ausbildung zum Abschluss zu bringen.

Die Humanistische Union weist in ihrem Schreiben ferner darauf hin, dass nach Kirchenrecht selbst Pfarrer von dem Gebot der konfessionellen Bindung ihrer Ehepartner befreit werden können. Gleiches solle auch für eine Vikarin gelten, die noch nicht zum Pfarramt bestellt wurde. In anderen Landeskirchen gebe es Beispiele für Ehen von Pfarrerinnen oder Pfarrern, deren Ehepartner einer anderen Religion angehören. Es gebe keine konkreten Vorwürfe, dass Frau Häcker ihren kirchlichen Dienst nicht so versehen habe, wie es der kirchliche Arbeitgeber erwarten könne. Die HU fordert deshalb die Landeskirche auf, Frau Häcker von der auch innerkirchlich umstrittenen Bestimmung des Pfarrgesetzes zu befreien. Mit der Versagung des zweiten theologischen Examens würde die württembergische Kirche Frau Häcker die Chance nehmen, in einer anderen Landeskirche ihren Beruf ausüben zu können.“

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