Brandanschlag auf Wohnhaus in Leverkusen

(25.07.2011/dpa)

Auf ein Mehrfamilienhaus in Leverkusen ist am frühen Montagmorgen ein Brandanschlag mit möglicherweise fremdenfeindlichem Hintergrund verübt worden. In dem Haus wohnen nach Polizeiangaben Sinti und Roma. Unbekannte hätten mehrere Brandsätze in die Erdgeschoss-Wohnung geschleudert, sagte ein Polizeisprecher. Die Bewohner konnten sich rechtzeitig ins Freie retten und blieben unverletzt. „Wir können einen rechtsradikalen Hintergrund nicht ausschließen“, sagte der Sprecher. „Aber wir ermitteln natürlich in alle Richtungen.“

Nach ersten Zeugenaussagen waren es bis zu vier Täter. Von ihnen sollen zwei dunkel gekleidet und kahlköpfig gewesen sein. Nachdem die Unbekannten mehrere Brandsätze in die Wohnung geschleudert hatten, seien sie in einem Kleinwagen und einem Kleinbus weggefahren.

Die Wohnung, auf die der Anschlag verübt wurde, brannte aus. Die Feuerwehr verhinderte ein Übergreifen der Flammen auf andere Gebäudeteile. Eine Mordkommission ermittelt. Sollte sich der vermutete rechtsextreme Hintergrund bestätigen, wäre dies nur ein weiteres Glied in einer langen Kette der Gewalt, die in Deutschland seit der Wiedervereinigung fast 150 Menschen das Leben gekostet hat.

„149 rechtsextreme und rassistische Todesfälle [seit 1990] führen uns das ganze Ausmaß der rechtsextremen Bedrohung in Deutschland vor Augen. Die Todesfälle sind der traurige Höhepunkt rechtsextremer Gewalt, die in vielen deutschen Städten alltäglich ist. Leider bleiben viele Fälle in diesen offiziellen Statistiken der Bundesregierung unerwähnt oder sind in der einen präsent, während sie in der anderen fehlen.“, so Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. (1)

Unterdessen sprach sich der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, für den verstärkten Einsatz verdeckter Ermittler in der linken Szene aus. Auch mit Telefonüberwachung sollte dem Problem begegnet werden, sagte er dem Hamburger Abendblatt.  „Linksterroristische Bestrebungen erkenne ich in Deutschland weiterhin nicht, wir bewegen uns aber in eine bedenkliche Richtung“, sagte Ziercke. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) malte noch vor kurzem das Schreckgespenst einer neuen Rote Armee Fraktion (RAF) an die Wand. (2)

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte Anfang Juli bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2010 mitgeteilt, dass die Zahl linksextremistischer Straftaten in den ersten fünf Monaten dieses Jahres deutlich zugenommen habe. 2010 hatte es dagegen noch einen deutlichen Rückgang auf 3747 Straftaten gegeben (2009: 4734 Taten). Allerdings dürfte sich aus der Zunahme der 2011 registrierten Straftaten kaum eine neue Bedrohungslage ergeben. Denn die Zunahme steht im Zusammenhang mit zwei Ereignissen – der Räumung eines besetzen Hauses in Berlin Anfang Februar sowie einem Neonazi-Aufmarsch am 19. Februar in Dresden – aus welchen sich kaum ein Trend herauslesen lässt.

So sprach auch Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm von „bestimmten aktuellen Themen“, die die Statistik „deutlich beeinflussen“. „Im Übrigen lässt sich im Moment noch keine präzise Aussage zum Jahr 2011 machen,“ so Fromm. (3)

BKA-Chef Ziercke wies insbesondere auf die Brandstiftungen an Autos in den Großstädten Berlin und Hamburg hin, welche die Polizei nicht in den Griff bekomme. Ziercke rief die Bürger auf, zur Aufklärung beizutragen. „Jeder sollte sich aufgefordert fühlen, den Brandstiftern das Handwerk zu legen. Das hat nichts mit Denunziation zu tun“, sagte er. „Wachsam zu sein und Anzeige zu erstatten, halte ich für normale Bürgerpflicht. Wer in einer friedlichen Gesellschaft leben will, muss seinen Teil dazu beitragen.“

Was Ziercke in diesem Zusammenhang verschweigt: Die große Mehrzahl der Brandstiftungen geht auch nach Ansicht der Polizei nicht von organisierten Linksextremisten aus, sondern vielmehr auf das Konto von Trittbrettfahrern, Pyromanen und Versicherungsbetrügern zurück. So heißt es im Tagesspiegel vom 12. Juni: „Inzwischen ist die Zahl der abgebrannten und beschädigten Fahrzeuge in diesem Jahr auf 146 gestiegen. Noch im Mai war die Polizei davon ausgegangen, dass nur rund ein Drittel solcher Taten politisch motiviert ist.“ (4)

Die Berliner Polizei setzt mittlerweile jede Nacht 130 Beamte in Zivil und in Uniform ein, um Autobrandstifter zu erwischen.

Anmerkungen

(1) http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/chronik-der-gewalt/149-todesopfer

(2) http://www.hintergrund.de/201107041633/politik/inland/raf-als-schreckgespenst-noch-tauglich.html

(3) ebd.

(4) http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/polizei-nimmt-erneut-tatverdaechtigen-fest/4278252.html

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