Bürgerfernes Durchregieren: Bundestagspräsident kritisiert Merkel

(01.11.2010/dpa)

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat am Wochenende mit heftiger Kritik an der Atompolitik der Bundesregierung von sich Reden gemacht. Das Parlament habe zu wenig Zeit zur Beratung gehabt.

Gegenüber dem Tagesspiegel warnte Lammert mit Blick auf die Durchsetzung von Großprojekten wie Stuttgart 21 noch recht allgemein davor, die Kommunikation mit den Bürgern unter Hinweis auf ihre Zuständigkeit und möglicherweise auch auf die Überprüfung der getroffenen Entscheidung durch ordentliche Gerichte zu versäumen oder gar zu verweigern. Lammert sagte weiter: „Regierungen und Behörden müssen der Versuchung widerstehen, den Nachweis führen zu wollen, sie seien stärker als das Volk. Das sind sie am Ende nie.“

Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde Lammert dann konkret. Er halte das Vorgehen der Bundesregierung, nicht auf die Zustimmung des Bundesrates bei den Gesetzesvorhaben in der Kernenergiepolitik zu setzen, für politisch unklug; von einer anders zusammengesetzten Bundesregierung würden sie abermals geändert. (1)

Zudem bemängelte er, dass sich der Bundestag auf Druck der Bundesregierung sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum zu wenig Zeit zur Diskussion verschiedener Projekte genommen habe. Am Donnerstag waren neben den Gesetzen zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke auch die Haushaltsbegleitgesetze verabschiedet worden.

Jedes dieser Vorhaben hätte nach Ansicht Lammerts eine längere Beratungszeit verdient gehabt. Nun könnte der „Verdacht mangelnder Sorgfalt“ entstehen. „Wir nehmen uns selbst nicht die nötige Zeit“, sagte Lammert über die Arbeit der Parlamentarier.

Regierungssprecher Steffen Seibert wies die Vorwürfe am Montag in Berlin zurück. „Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass das Energiekonzept das parlamentarische Verfahren vollkommen ordnungsgemäß und mit ausreichend Zeit zur intensiven Erörterung durchlaufen hat.“

(1) http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E67678645A02D485B9FA2E7B685413951~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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