Die Hoffnung auf Wahrheit im Mordfall Buback

(28.07.2010/dpa)

33 Jahre nach dem RAF-Mord an Generalbundesanwalt Buback steht fest: Die Ex-Terroristin Becker muss vor Gericht. Bubacks Sohn hofft auf Gewissheit, wer die tödlichen Schüsse abgab. Doch diese Frage ist gar nicht Gegenstand der Anklage.

Die Bilder sind bekannt: Die Mercedes- Limousine des Generalbundesanwalts mit der offenen Tür an einer Straßenkreuzung, die mit weißen Tüchern zugedeckten Leichen. Doch auch 33 Jahre nach dem Mordanschlag auf Siegfried Buback ist unklar, wer die tödlichen Schüsse abgab. Besonders Bubacks Sohn Michael hofft darauf, dass der neue Prozess in Stuttgart-Stammheim die Wahrheit an den Tag bringt. Angeklagt ist Verena Becker, die im Zusammenhang mit ihrer RAF-Vergangenheit bereits im Gefängnis gesessen hat.

Am Morgen des 7. April 1977 lauern zwei Mitglieder des Mordkommandos auf einem Motorrad dem Dienstwagen Bubacks auf. Sie tragen Motorradkleidung und olivgrüne Integralhelme. Als Bubacks Wagen an einer Ampel hält, feuert der Sozius vom Motorrad aus mit einem Selbstladegewehr mindestens 15 Mal. Buback und seine zwei Begleiter sterben.

Die Täter flüchten auf der Suzuki GS 750, damals eine der schnellsten Serienmaschinen der Welt. Sie verstecken das Motorrad im Pfeiler einer Autobahnbrücke, ein drittes Mitglied des Kommandos holt sie mit einem Alfa Romeo ab. So weit gelten die Ereignisse als gesichert – doch wer die drei Täter waren, ist unklar.

Die RAF-Mitglieder Verena Becker und Günter Sonnenberg wurden am 3. Mai 1977 in Singen festgenommen. Dabei schossen sie mehrfach auf Polizeibeamte. In einem Rucksack hatten sie die Waffe dabei, mit der Buback ermordet worden war. Schon damals wurde gegen Becker auch wegen des Mordes an Buback ermittelt – doch die Verdachtsmomente reichten nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft nicht für eine Anklage aus. Verena Becker wurde schließlich wegen der Schießerei bei ihrer Festnahme zu lebenslanger Haft verurteilt. 1989 wurde sie von Bundespräsident Richard von Weizsäcker begnadigt.

Wegen des Mordes an Buback wurden drei RAF-Mitglieder verurteilt: Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt – Mohnhaupt wegen ihres Anteils an der Vorbereitung; Folkerts und Klar, weil sie entweder das Fluchtauto gefahren oder auf dem Motorrad gesessen haben sollen. Zumindest bei Folkerts gibt es Zweifel, ob er überhaupt in der Nähe war: Er soll späteren Zeugenaussagen zufolge am Tag der Tat in Holland gewesen sein.

Erst 2008 wurden die Ermittlungen gegen Becker wieder aufgenommen. Anlass waren DNA-Spuren an einem Motorradhandschuh, an dem mit dem Tatmotorrad sichergestellten Motorradhelm und an einer Motorradjacke aus dem Fluchtfahrzeug, die möglicherweise von einer Frau stammten. Eine DNA-Probe ergab, dass diese Spuren nicht von Verena Becker stammten. Allerdings ergaben weitere Untersuchungen, dass sich DNA- Spuren Beckers an mehreren Briefumschlägen befanden, in denen eine Woche nach dem Attentat Bekennerschreiben der RAF versandt worden waren.

Nun ist Verena Becker zwar als Mittäterin angeklagt, jedoch nur, weil sie bei der Entscheidung über den Anschlag, der Planung sowie dem Versand der Bekennerschreiben eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll. Wer auf dem Motorrad saß, bleibt weiter offen.

Der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, meint es zu wissen: Verena Becker selbst sei auf der Maschine gewesen. Buback verweist auf zahlreiche Zeugen, die eine Frau auf dem Soziussitz gesehen haben wollen. Und er glaubt, dass eine „schützende Hand“ die Ermittlungen verzögerte.

„Die vielen Mängel bei den Ermittlungen, die sich alle zugunsten von Verena Becker ausgewirkt haben, können nicht zufällig zustande gekommen sein.“ Zeugenaussagen, die von einer Frau sprachen, seien nicht berücksichtigt worden, ebenso Indizien – etwa ein Schraubenschlüssel für die Suzuki, die bei Becker und Sonnenberg gefunden wurden.

Ein Grund könnte gewesen sein, dass Becker dem Verfassungsschutz Informationen geliefert haben soll. Doch auch das ist umstritten: Die Bundesanwaltschaft verweist auf eine Auskunft des Verfassungsschutzes, wonach es jedenfalls bis zur vorläufigen Einstellung der Ermittlungen 1980 keine Zusammenarbeit gab. Nach Medienberichten soll Becker von 1981 an mit den Verfassungsschützern geredet haben.

Möglicherweise bietet nun das Hauptverfahren vor dem OLG Stuttgart die Chance, Klarheit über den Mord an Buback zu gewinnen. Das zumindest hofft Michael Buback: „Für mich spielt es keine Rolle, ob Verena Becker nochmals bestraft wird. Es geht ausschließlich um die Wahrheit.“

Drucken

Drucken

Teilen