EU will Grenzschutz unter Missachtung von Hoheitsrechten ausbauen

(15.12.2015/dpa)

Mit einer massiven Stärkung des Grenzschutzes will die EU den Flüchtlingsstrom verringern. Noch nie haben so viele Menschen illegal die Außengrenzen der EU überschritten wie in diesem Jahr: Von Januar bis November seien es 1,55 Millionen, teilte die EU-Grenzschutzagentur Frontex am Dienstag mit. Das waren mehr als fünfmal so viele wie im ganzen Jahr 2014 (282 000).

Die EU-Kommission will daher die Staaten zu einem besseren Schutz der EU-Außengrenzen zwingen – im Notfall auch gegen deren Willen. Ein Land, das seine Grenzen aus Brüsseler Sicht nicht ausreichend bewacht, müsste Grenzschützer aus anderen EU-Ländern akzeptieren, die diese Aufgabe übernehmen sollen. Das sieht der Entwurf für einen Vorschlag zum „Europäischen Grenz- und Küstenschutz“ vor, den die EU-Kommission am Nachmittag in Brüssel präsentieren wollte.

Geplant ist demnach unter anderem die Aufstockung des Personals. Künftig sollen die EU-Staaten der Behörde mindestens 1500 Grenzschützer bereitstellen, die Frontex „in Schnelleingreiftruppen innerhalb von Tagen“ losschicken kann.

Der Vorschlag ruft massive Kritik hervor. Viele EU-Staaten fühlen sich in ihrer Souveränität angegriffen. Polen erklärte bereits, die Abgabe von Hoheitsrechten abzulehnen. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sagte dem ungarischsprachigen EU-Portal bruxinfo.hu, die Pläne stünden „im Gegensatz zu dem Prinzip, welches den Grenzschutz in die Kompetenz der nationalen Souveränität fallen lässt“.

Laut EU-Diplomaten unterstützen dagegen Deutschland und Frankreich die Idee. Auch Deutschland setzt auf Grenzkontrollen und will diese laut Beschluss des CDU-Bundesparteitags in Karlsruhe gegebenenfalls intensivieren.

Kritik kam von Grünen, Linken und Sozialdemokraten. Linke-Chef Bernd Riexinger kritisierte: „Die EU setzt auf Grenzschutz statt Menschenschutz. Abschotten, abschrecken, abschieben – das ist der menschenverachtende Dreiklang der EU-Flüchtlingspolitik“ Die Grünen-Europaabgeordneten Ska Keller sagte der dpa, die Pläne der EU-Kommission würden sich lesen „wie der Weihnachtswunschzettel von Seehofer, De Maizière & Co“. Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel warnte: „Ein starker Grenzschutz darf nicht zum Ausverkauf von Grundrechten führen.“

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), begrüßte hingegen den Vorstoß mittels einer Plattitüde: „Nicht jeder, der nach Europa will, kann auch hierherkommen.“

Das Papier der EU-Kommission schlägt auch eine Änderung der Schengen-Regeln vor, um potenzielle Terroristen an der Grenze schneller zu entdecken. So sollen auch EU-Bürger an den EU-Außengrenzen systematisch kontrolliert werden. Zollbeamte könnten dann die Daten mit den Polizeidatenbanken abgleichen. Dies hatten die EU-Innenminister bereits befürwortet.

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