Flüchtlingsdrama vor Italiens Küsten

(09.04.2014/dpa)

Tausende Flüchtlinge sind innerhalb von nur 48 Stunden von der italienischen Marine und von Handelsschiffen im Mittelmeer an Bord genommen worden. Italiens Innenminister Angelino Alfano sprach am Mittwoch von 4000 Migranten, die aus den teils seeuntüchtigen Booten gerettet worden seien. Wegen der dramatischen Zunahme hatte der Minister am Vorabend einen Krisengipfel einberufen. Auf einem der Boote, die in Afrika aufgebrochen waren, soll nach Alfanos Angaben mindestens ein Migrant tot aufgefunden worden sein.

Zwei Handelsschiffe waren am Mittwoch dabei, 300 und 361 Menschen aus zwei Booten aufzunehmen. Italiens Marine berichtete von weiteren Rettungsaktionen in der Nacht. So habe sich allein das Marineschiff „San Giorgio“, unterstützt von der Küstenwache, um vier überfüllte Boote mit gut 1000 Menschen an Bord gekümmert, darunter Frauen und Kinder. Die Migranten hätten keine Schwimmwesten dabei gehabt. Sie sollten alle nach Augusta auf Sizilien gebracht werden.

Italiens Marine hat seit dem Beginn ihrer strikteren Überwachung des Mittelmeeres im Oktober Tausende Flüchtlinge gerettet. Damals waren bei zwei Schiffsunglücken vor Lampedusa mehr als 300 Migranten gestorben.

Der Minister forderte mehr europäische Unterstützung, um den Notstand bewältigen zu können. „Italien ist unter stärkstem Flüchtlingsdruck aus Libyen“, sagte Alfano. „Die Ankunft von Booten reißt nicht ab, und der Notstand wird immer größer.“ Er verwies auf grobe Schätzungen, wonach etwa 300 000 bis 600 000 Flüchtlinge davor stünden, in Afrika abzulegen.

Es ist eine Entwicklung mit Ansage: Im März 2011 warnte Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi Europa vor solchen Flüchtlingsströmen, sollte er gestürzt und sein Land weiter destabilisiert werden. Doch zu diesem Zeitpunkt wurde er im Westen nicht mehr Ernst genommen. Im Gegenteil unterstellte die westliche Propaganda, Gaddafi selbst würde hunderte Afrikaner in kleine Boote stecken lassen, um sie nach Europa zu schicken. Mit massiven Bombardements hat die NATO in den Folgemonaten Libyen ins bis heute anhaltende Chaos gestürzt und damit Nordafrika und die Sahelzone destabilisiert – und so den Grundstein für das gegenwärtige Flüchtlingsdrama gelegt.

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