Frankreich: Regierung will Ausnahmezustand in Verfassung verankern

(23.12.2015/dpa)

Nach den jüngsten Terroranschlägen von Paris befasst sich die französische Regierung mit einer Änderung der Verfassung. Das Kabinett kam am Mittwoch im Élyséepalast mit Präsident François Hollande zusammen. Der bisher in der Verfassung nicht geregelte Ausnahmezustand soll nun dort verankert werden. Die Regierung verspricht sich davon in solchen Situationen eine bessere Grundlage für rasche Entscheidungen. Regierungschef Manuel Valls wollte die Ergebnisse der Kabinettssitzung im Anschluss gemeinsam mit mehreren Ministern präsentieren.  

Die nach den Anschlägen vom 13. November verhängten und inzwischen auf drei Monate verlängerten Maßnahmen sind bisher nur gesetzlich geregelt. Einzelne Punkte werden unter anderem von Bürgerrechtsorganisationen als zu weitgehend kritisiert. Im Falle eines Ausnahmezustandes können Sicherheitsorgane unter anderem Webseiten sperren, Vereine oder Organisationen auflösen, Veranstaltungsorte schließen und besondere Zonen zu Schutzgebieten erklären.

Auf besondere Kritik von Bürgerrechtlern trifft die Möglichkeit, Franzosen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, wenn sie in terroristische Aktivitäten verwickelt sind. Auch die Verhängung von Hausarresten und Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss stehen in der Kritik. Auf Basis des Ausnahmezustandes gab es seit dem 13. November laut Behördenangaben bisher 2 898 Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung. 643 Menschen kamen vorübergehend in Gewahrsam oder wurden festgenommen, 51 inhaftiert.

Die umstrittene Regelung für Hausarreste war am Dienstag vom Verfassungsrat für verfassungsmäßig erklärt worden. Behörden sind ermächtigt, Personen unter Hausarrest zu stellen, die „im dringenden Verdacht stehen, eine Gefahr für die Sicherheit oder öffentliche Ordnung darzustellen“. Der schwammig formulierte Passus lasse die Türen für einen Missbrauch weit offen, kritisieren Bürgerrechtler.

Bereits jetzt zeigt die Umsetzung in der Praxis, dass die Sicherheitsorgane ihre neuen Vollmachten großzügig ausschöpfen. Seit den jüngsten Anschlägen wurden über dreihundert Hausarreste verhängt, betroffen waren aber nicht nur Terrorverdächtige. So wurde die Maßnahme auch gegen Personen verhängt, die an Protesten im Rahmen der Klimakonferenz in Paris teilnehmen wollten und von den Behörden als militant eingestuft worden waren.

Wenn Notstandsgesetze zu vage gehalten würden, bestehe die Gefahr des Missbrauchs, erklärte Patrice Spinosi, Rechtsanwalt der Liga für Menschenrechte gegenüber dem Deutschlandfunk: „Dass es Auswüchse gibt, dass zum Beispiel in Streiksituationen die Gewerkschafter unter Hausarrest gestellt werden mit der Begründung: Gefahr für die öffentliche Ordnung, nur um die Streiks zu verhindern.“

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