Gerichtshof erlaubt Auslieferung von Islamisten in die USA

(10.04.2012/dpa)  

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat keine Einwände gegen die Auslieferung des „Hasspredigers“ Abu Hamza und fünf weiterer Islamisten von Großbritannien an die USA. Die Unterbringung der mutmaßlichen Terroristen in einem US-Hochsicherheitsgefängnis sei kein Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung, urteilte das Gericht heute in Straßburg. Allerdings sollten die britischen Behörden mit der Überstellung der Männer drei Monate warten, bis die Berufungsfrist für dieses Urteil abgelaufen sei, hieß es.

Die USA werfen dem in Ägypten geborenen Abu Hamza elf verschiedene Straftaten vor. Er soll unter anderem zwischen 1998 und 2000 ein Trainingscamp für Terroristen im US-Bundesstaat Oregon organisiert und 1998 eine Geiselnahme im Jemen geplant haben. Ihm drohen in den USA einhundert Jahre Haft. Die übrigen Islamisten sollen Anschläge in den USA geplant haben. Zwei von ihnen sollen an den Anschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam 1998 beteiligt gewesen sein.

Großbritannien hatte bereits Anfang Februar die Auslieferung Abu Hamzas an die USA angekündigt. Britische Gerichte hatten die Klagen der auf der Insel inhaftierten Islamisten gegen ihre Auslieferung abgewiesen.

Auch eine lebenslange Haftstrafe, falls sie verurteilt würden, könne angesichts der äußert schweren Vorwürfe nicht als unangemessen betrachtet werden, begründete der EGMR seine Entscheidung. Den Islamisten drohe in den USA nicht die Todesstrafe und ihnen werde auch nicht der Zugang zu Rechtsmitteln verweigert, hatte das Gericht schon vorher erklärt.

Als Prediger in der Finsbury Park Moschee in London animierte Abu Hamza die zumeist jungen Männer zum Dschihad. Laut Aussage von Omar Nasiri, der für den französischen und britischen Geheimdienst arbeitete und die Moschee unterwandert hatte, „wimmelte“ es dort nur so vor Geheimdienstagenten (1)

Besondere Brisanz erhält der Fall Abu Hamza dadurch, dass er ebenso wie die beiden in London agierenden „Hassprediger“ Abu Qatada und Omar Bakri Mohmmed mit den britischen Behörden kooperierte. (2) Über die Zusammenarbeit der drei Imame mit den einheimischen Diensten schrieben Sean O’Neill und Daniel McGrory in ihrem Buch The suicide factory: „Sie behaupteten alle, dass radikale Islamisten sich in London sicher fühlten, da sie durch ein „Sicherheitsabkommen“ geschützt würden. Dabei handele es sich um einen Deal, dem zufolge die extremistischen Gruppen versicherten, keine Attacken in Großbritannien durchzuführen, dafür von Polizei und Geheimdiensten in Ruhe gelassen würden.“ (3)

Selbst im Gefängnis genoss Abu Hamza noch ungewöhnliche Freiheiten. (4) Laut einem vor einem Jahr erschienenen und sich auf Wikileaks-Dokumente berufenden Bericht des britischen Telegraph seien mindestens 35 Guantánamo-Insassen durch die Agitation der radikalen Londoner Imame „indoktriniert“ worden. Zur Veranschaulichung bediente sich die Zeitung eines Fotos von Abu Hamza, das ihn neben zwei Vermummten vor der Finsbury Park Moschee zeigt. (5)

Wie weit dessen Anfang 1997 begonnene Kooperation mit den britischen Behörden tatsächlich reichte, wird für das US-Gericht wohl kaum eine Rolle spielen.


(1) Omar Nasiri, Inside the Global Jihad: How I Infiltrated Al Qaeda and Was Abandoned by Western Intelligence, 2006

(2) Siehe: http://www.historycommons.org/context.jsp?item=aearly97damsonberry#aearly97damsonberry

(3) O’Neill,McGrory, The suicide Factory, 2006, Seite 108

(4) http://www.historycommons.org/context.jsp?item=a1004abuhamzasellsflat#a1004abuhamzasellsflat

(5) http://web.archive.org/web/20110426171643/http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/wikileaks/8472784/WikiLeaks-Guantanamo-Bay-terrorists-radicalised-in-London-to-attack-Western-targets.html

Drucken

Drucken

Teilen