Hartz-Reform nimmt erste Hürde - SPD will blockieren

(20.10.2010/dpa)

Nach wochenlangen Debatten hat die Bundesregierung die HartzIV-Reform auf den Weg gebracht, muss aber nun einen Kompromiss mit der Opposition suchen. Um 5 Euro soll der Regelsatz für Langzeitarbeitslose auf 364 Euro monatlich steigen. Die gut 1,7 Millionen Kinder der HartzIV-Bezieher sollen zudem ab 2011 von mehr Bildungsförderung profitieren.

Ungeachtet des Appells von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Reform nicht zu blockieren, stellte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel umgehend quer. Die SPD werde die vorgelegten Pläne in Bundesrat und Bundestag ablehnen, kündigte er an. „Wir wollen bessere Bildung für alle Kinder und nicht ein kleines Bildungspäckchen für einen kleinen Teil von Kindern in Deutschland.“

Durch den Widerstand der Opposition ist eine Kompromisssuche im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag vorgezeichnet, da Union und FDP keine Mehrheit in der Länderkammer haben. Von der Leyen betonte, die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist bis Jahresende müsse eingehalten werden. Das Gericht hatte die Berechnung der Regelsätze und die Leistungen für Kinder moniert.

Sie werde die Oppositionsparteien, aber auch die Länder zu Gesprächen einladen, kündigte von der Leyen an. „Ich habe jetzt vorgelegt – und deshalb muss jetzt der- oder diejenige, die in Teilen oder in Gänze Kritik üben, vorlegen, was ihre Vorschläge sind.“

Linke-Chefin Gesine Lötzsch forderte die SPD auf, keine faulen Kompromisse mit der Regierung einzugehen. Gabriel betonte, die SPD wolle mit der Bundesregierung über das Paket mit dem Ziel verhandeln, dass mehr Kinder bessere Bildung bekommen.

Von der Leyen verteidigte die Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro und die Steigerung des möglichen Hinzuverdienstes von HartzIV- Empfängern um 20 Euro. „Man muss es auch denjenigen erklären, die jeden Tag ihr Einkommen selber verdienen und auch jeden Euro umdrehen müssen.“

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast monierte: „Der Regelsatz wurde nach Kassenlage berechnet, nicht nach dem tatsächlichen Bedarf.“ Der Bedarf, den das Bundesverfassungsgericht angemahnt hatte, bestehe auch in sozialer Teilhabe. „Was macht diese Bundesregierung? Sie streicht Kultur und Freizeit aus dem Bedarf.“ Gleichwohl kündigte Künast konstruktive Mitarbeit an.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, vermisste ein tragfähiges Konzept zur Armutsbekämpfung: „Es wird weiterhin so sein, dass arme Kinder ausgegrenzt werden.“ Caritas-Präsident Peter Neher mahnte: „Das geplante Bildungs- und Teilhabepaket muss Kinder aus armen Familien erreichen und diskriminierungsfrei gestaltet werden.“

Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) erwartet wegen der Vorgaben des Verfassungsgerichts eine neue Klageflut vor den Sozialgerichten. Allein beim größten deutschen Sozialgericht in Berlin sind seit Inkrafttreten der Arbeitsmarktreform im Januar 2005 schon mehr als 100.000 Klagen gegen HartzIV-Bescheide eingegangen.

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