„Haushaltssanierung“: Russland will Staatskonzerne privatisieren

(27.07.2010/dpa)

Laut russischen Tageszeitungen will das Finanzministerium mit einer Teilprivatisierung von gleich zehn staatlichen Großunternehmen bis 2013 umgerechnet 22,5 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. Das Haushaltsdefizit des Riesenreichs könnte mit den Einnahmen von jetzt 6,8 Prozent auf unter 4,0 Prozent gedrückt werden. Regierungschef Wladimir Putin werde über die Vorschlagsliste von Finanzminister Alexej Kudrin noch in dieser Woche entscheiden. Den Angaben zufolge will der Staat unter anderem Anteile am Ölförderer Rosneft und am Geldhaus Sberbank abgeben. Auf der Liste stehe auch die Staatsbahn RZD, die der Deutschen Bahn wiederholt eine Überkreuzbeteiligung angeboten hatte.

Sberbank-Chef German Gref begrüßte die mögliche Teilprivatisierung des Unternehmens. „Dies wäre ein sehr positives Signal, dass die Bank noch marktwirtschaftlicher agiert als bisher.“ Neben Rosneft und der Sberbank schlägt Kudrin auch Anteile an Energieunternehmen und einer Reederei zum Verkauf vor. Widersprüchliche Berichte gab es darüber, ob zudem der Pipeline-Monopolist Transneft auf der Liste steht.

Die gesamten Erlöse sollen zur Deckung des Haushaltsdefizits verwendet werden, sagte ein Mitarbeiter des Finanzministeriums. Da es sich um „konservative Schätzungen“ handele, rechnet man intern mit noch höheren Einnahmen. Damit könnte es zur größten Privatisierungswelle in Russland seit der Amtszeit des damaligen Präsidenten Boris Jelzin in den 1990er Jahren kommen, welche verheerende Folgen für Russlands Wirtschaft und Bevölkerung hatte und unter Präsident Putin teilweise rückgängig gemacht wurde. Kremlchef Dmitri Medwedew hatte sich in der Vergangenheit mehrfach für einen Teilrückzug des Staates aus der Wirtschaft ausgesprochen. Damit könnten sich die oft rückständigen russischen Unternehmen auch mit Hilfe ausländischer Investoren schneller modernisieren, so Medwedew.

Zu diesem Zweck hatten Russland und Deutschland im Rahmen des „Petersburger Dialog“ erst vor Wochen umfangreiche wirtschaftliche Vereinbarungen getroffen. Auch mit Italien intensiviert Russland seine Beziehungen.

Neben außenpolitischen Themen wie den Konflikten im Nahen Osten, in Afghanistan und mit Iran, erörterte Medwedew bei seinem Besuch in Italien mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi am vergangenen Wochenende vor allem wirtschaftliche Themen. Auch für italienische Firmen dürfte das russische Modernisierungs-Programm höchst attraktiv sein. Berlusconi arbeitet auf eine „Partnerschaft“ italienischer Unternehmer bei den anstehenden russischen Investitionen in Infrastrukturen und Technologien hin.

Die intensiven Wirtschaftsbeziehungen schließen bereits die Zusammenarbeit italienischer Unternehmen wie Fiat, Finmeccanica oder auch Pirelli mit russischen Partnern ein. In der Energieversorgung arbeiten der italienische Eni-Konzern und die russische Gazprom – zum Missfallen der USA – an dem Mega-Projekt „Southstream“ zusammen. Hierbei handelt es sich um eine Erdgas-Pipeline, mittels derer Lieferrouten des russischen Erdgases nach Europa diversifiziert und die Abhängigkeit des Produzenten und der Abnehmerländer von den derzeit dominierenden Transitstaaten Ukraine und Weißrussland reduziert werden soll. Die Southstream-Pipeline steht in Konkurrenz zu der Nabucco-Pipeline, welche Erdgas aus der kaspischen Region unter Umgehung Russlands nach Europa bringen soll. Aufgrund mangelnder Kapazitätsauslastung und Rentabilität ist das Nabucco-Projekt aber ins Hintertreffen geraten. Ändern soll sich dies auch durch den Einsatz des ehemaligen deutschen Außenministers Joseph Fischer als politischen Berater des Projekts.

Während Fischer als bekennender Transatlantiker nun vor allem die Interessen der US-Eliten und ihrer europäischen Verbündeten vertritt, nutzt der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder seine Beziehungen, um für die russische Position zu werben. Russland versucht gegenwärtig den RWE-Konzern dazu zu bewegen, das Nabucco-Konsortium zu verlassen. Sollte dies gelingen, dann dürfte das Nabucco-Projekt gescheitert sein, wodurch Russland einen wichtigen geostrategischen Sieg errungen hätte.

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