Island stellt Ex-Regierungschef wegen Finanzkrise vors Gericht

(29.09.2010/dpa)

Islands Ex-Regierungschef Geir Haarde wird wegen Mitverantwortung für die katastrophale Finanzkrise in seinem Land vor Gericht gestellt. Das Parlament in Reykjavik stimmte am Dienstag mit knapper Mehrheit für ein Sondergerichtsverfahren gegen den konservativen Politiker.

Dem 59-Jährigen droht bei dem zeitlich noch nicht festgelegten Verfahren eine Höchststrafe von zwei Jahren Haft. Das Parlament lehnte die ebenfalls zur Abstimmung gestellten Sonder-Gerichtsverfahren gegen die frühere sozialdemokratische Außenministerin Ingibjörg Sólrun Gisladóttir sowie zwei weitere Ex- Minister aus Haardes Kabinett jedoch ab.

Allen vier Politikern hatte ein Untersuchungsausschuss vorgeworfen, Anfang 2008 Warnungen über den bevorstehenden Zusammenbruch aller führenden isländischen Banken in den Wind geschlagen zu haben. Damit hätten sie den gigantischen Umfang des Schadens für die isländischen Staatsfinanzen mitverschuldet. Die Inselrepublik im Atlantik und ihre 320.000 Bürger wurden nur durch internationale Kredithilfen vor dem Staatsbankrott bewahrt.

Haarde sagte am Mittwoch in Reykjavik: „Das ist für mich nur schwer zu ertragen. Diese Anklagen sind ein politisches Gemetzel und grenzen an politische Verfolgung.“ Haarde verwies darauf, dass auch die derzeitige sozialdemokratische Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir und ihr Außenminister sowie Parteikollege Össur Skarphédinsson als Mitglieder seines Kabinetts alle Entscheidungen vor der Finanzkrise mitgetragen hätten.

Sigurdardóttir stimmte im Parlament gegen das Gerichtsverfahren gegen Haarde. Nie zuvor seit Islands staatlicher Unabhängigkeit 1944 hat das „Althing“ von der verfassungsrechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Regierungsmitglieder wegen grober Verletzung ihrer Amtspflichten vor ein eigens einzusetzendes „Reichsgericht“ zu stellen. Ihm müssen nach einem bestimmten Schlüssel unabhängige Juristen und Berufsrichter angehören.

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