Venezuela

Kampf zwischen Regierung und Opposition Lage spitzt sich zu

(27.10.2016/dpa)

Die verfeindeten Lager in Venezuela lassen die Muskeln spielen: Die Opposition kündigte am Mittwoch einen Generalstreik an und drohte mit einem Marsch auf den Regierungssitz. Der sozialistische Präsident Nicolás Maduro rief den Nationalen Verteidigungsrat zusammen und schwor seine Anhänger auf die Verteidigung der bolivarischen Revolution ein.

Hunderttausende Regierungsgegner protestierten in der Hauptstadt Caracas und im ganzen Land gegen den Stopp der Vorbereitungen für ein Referendum zur Abwahl Maduros. Auch die sozialistischen „Chavisten“ – die Anhänger des verstorbenen Ex-Präsidenten Hugo Chávez – gingen auf die Straße.

Vereinzelt kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen. In San Antonio de los Altos nahe Caracas wurde ein Polizist erschossen und zwei weitere wurden verletzt, wie Innenminister Néstor Reverol mitteilte. Zwei Verdächtige seien festgenommen worden. Zudem habe Reverol die Amtsenthebung und Festnahme des Polizeichefs der Stadt San Francisco angeordnet, hieß es aus dem Ministerium. In Maracaibo waren demnach vier Demonstranten von Unbekannten in Begleitung von Polizisten aus dem Vorort San Francisco verletzt worden, drei durch Schüsse.

Mit Landesflaggen, weißen Hemden und Ausgaben der Verfassung in den Händen waren die Regierungsgegner durch die Hauptstadt gezogen und skandierten: „Sie wird stürzen, sie wird stürzen, diese Regierung wird stürzen.“ Ursprünglich wollte die Opposition am Mittwoch Unterschriften von zwanzig Prozent der Wahlberechtigten für eine Volksabstimmung zur Abwahl des Präsidenten sammeln. Die Wahlbehörde hatte das Verfahren zur Einleitung des Referendums am Wochenende allerdings nach von Regionalgerichten festgestellten Unregelmäßigkeiten gestoppt.

Damit rückt ein Machtwechsel in dem südamerikanischen Land auf legalem Weg in weite Ferne. Wenn nämlich das Referendum erst nach dem 10. Januar kommenden Jahres stattfinden sollte, würden die regierenden Sozialisten laut Verfassung auch im Falle einer Niederlage Maduros bis zum Ende der Amtszeit an der Macht bleiben. Der Vizepräsident Aristóbulo Istúriz würde dann Maduros Nachfolger.

Oppositionsführer Henrique Capriles drohte mit einem Marsch auf den Präsidentenpalast, sollte das Verfahren zur Abwahl des Präsidenten nicht wiederaufgenommen werden. „Stellt die verfassungsmäßige Ordnung wieder her, oder wir kommen am 3. November zum (Regierungssitz) Miraflores“, sagte er.

Maduro rief am Mittwoch den Nationalen Verteidigungsrat zusammen. „Das Volk unterstützt die Revolution. Die Rechte ist verzweifelt. Sie hat aus dem Norden den Befehl erhalten, die Revolution zu bekämpfen“, sagte der Staatschef in Anspielung auf die USA. Tausende Unterstützer der Regierung kamen in der Nähe des Präsidentenpalastes zusammen, um der Regierung den Rücken zu stärken. „Hier stehen wir Chavisten, um den Präsidenten und die bolivarische Opposition zu verteidigen“, sagte Regierungsanhänger Andrés Álvarez.

Das von der Opposition kontrollierte Parlament hatte zuletzt ein politisches Verfahren gegen Maduro eröffnet. Darin soll dessen Verantwortung für „Verfassungsbrüche, Menschenrechtsverletzungen, Angriffe auf die Demokratie und die wirtschaftliche Krise“ erörtert werden, wie die Nationalversammlung mitteilte. Maduro soll in der kommenden Woche vor den Parlamentariern Stellung beziehen. „Wir werden keinen Staatsstreich durch das Parlament akzeptieren“, sagte der Präsident.

Eigentlich waren sich die politischen Lager zuletzt entgegengekommen. Am kommenden Sonntag wollten Regierung und Opposition unter Vermittlung der katholischen Kirche und des Staatenbundes Unasur über eine Beilegung der monatelangen politischen Krise verhandeln.

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