Kehrtwende in der Atompolitik: Risikomeiler bleiben am Netz

(25.01.2010/dpa)

Bis zum Herbst nimmt die schwarz-gelbe Bundesregierung keines der 17 Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. Erst dann will sie über eine Verlängerung der Laufzeiten entscheiden. Auch die unmittelbar vor der Abschaltung stehenden Uralt-Meiler Neckarwestheim I in Baden-Württemberg und Biblis A in Hessen sollen weiter Strom liefern, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Koalitionskreisen. Anders als zunächst vermutet seien dazu keine gesetzliche Schritte notwendig.

Nach dem Atomgesetz ist eine Übertragung der Strommengen zwar eigentlich nur vorgesehen, wenn die den Meilern zugewiesenen Strommengenreste von älteren auf neuere Kraftwerke übertragen werden. Eine Ausnahme soll allerdings für den Fall vorgesehen sein, wenn sich die betroffenen Konzerne RWE und Eon darauf verständigen, restliche Strommengen des 2003 außer Betrieb gegangenen Reaktors Stade auf die beiden Anlagen zu übertragen. Damit steigt allerdings auch das Risiko von Atom-Unfällen, weshalb der Vizevorsitzende der Unions-Fraktion des Bundestages, Michael Meister (CDU), schon mal vorsorglich darauf hinwies, dass neue Sicherheitsmaßnahmen nötig werden könnten.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) versucht die sich abzeichnenden Zugeständnisse der Regierungskoalition an die mächtige Atomlobby dennoch als ökologisch nachhaltige Politik zu verkaufen. Die Kernkraftwerke sollen so lange in Betrieb bleiben, bis der Ausbau der erneuerbaren Energien sie überflüssig mache, sagte er der „Financial Times Deutschland“ am Montag. Die Szenarien dafür wolle er mit dem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in den nächsten Wochen gemeinsam berechnen lassen,

Das Magazin „Focus“ berichtete über Vorgaben des Umweltressorts für die Auftragsvergabe, wonach mit alternativen AKW-Laufzeiten bis acht Jahren gerechnet werde, während Brüderle auch die Varianten 15 und 20 Jahre analysieren lassen wolle. Nach dem geltenden Atomgesetz von 2002 – und ohne Laufzeitverlängerung – würde das letzte Kernkraftwerk 2022 abgestellt werden müssen. Von 2030 als Endjahr hatte auch Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) gesprochen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte: „Die alten AKWs laufen weiter, die Atomlobby verdient Milliarden und ein paar hundert Millionen landen als Brosamen bei der Regierung.“ So sollen die Konzerne nach dem Willen der Bundesregierung einen Teil der Zusatzgewinne abgeben, die sie mit dem Weiterbetrieb der abgeschriebenen Reaktoren erzielen. Die Grünen kündigten massive Straßenproteste an

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