Kirgisistan: Flüchtlingskatastrophe bahnt sich an
(21.06.2010/dpa)
Im Süden Kirgistans sind nach Kämpfen zwischen Kirgisen und Usbeken, bei denen bis heute etwa 2000 Menschen getötet sein sollen, weiterhin etwa 400.000 Menschen auf der Flucht. Den Flüchtlingen gehen Wasser und Nahrung aus. „Trinkwasser und Nahrungsmittel sind rar“, schildert Alexandre Baillat der Nachrichtenagentur dpa die Lage am Telefon. Der Franzose ist Missionschef der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in dem zentralasiatischen Land. „Die Menschen haben nichts.“ Die Vereinten Nationen schätzen, dass insgesamt eine Million Menschen von den Folgen der Kämpfe betroffen sind.
Die Flüchtlinge sitzen zwischen den Fronten. Sie können nicht nach Hause, aber auch nicht über die Grenze. Usbekistan hält die mit Stacheldraht bewehrten Übergänge geschlossen. 100.000 Vertriebene sind schon da, mehr kann das Land nach eigenen Angaben nicht aufnehmen.
Vertreter der Vereinten Nationen berichteten, sie könnten in Osch, dem Zentrum der Unruhen, nur vom Flughafen aus sicher arbeiten. Nun verlängerten die Behörden die nächtliche Ausgangssperre in der zweitgrößten Stadt des Landes bis zum 25. Juni. Der zentrale Markt wurde wegen Sicherheitsbedenken geschlossen.
Interimspräsidentin Rosa Otunbajewa hält unterdessen an einer geplanten Volksabstimmung am kommenden Sonntag über eine neue Verfassung fest. Außerdem wendet sie sich mit der Bitte um Militärhilfe an die Weltgemeinschaft. Die Volksabstimmung soll die Übergangsregierung legitimieren und zugleich ein Signal aussenden: Wir sind eine Demokratie.
Nach den blutigen Unruhen in Südkirgistan stockten die USA, die in dem Land einen strategisch wichtigen Militärstützpunkt unterhalten, ihre Hilfe für das zentralasiatische Land auf 32 Millionen US-Dollar (ca. 26 Mio. Euro) auf. Als Soforthilfe hatte Washington bereits fünf Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.
Nach Ansicht des usbekischen Präsidenten Islam Karimow war nicht Rassenhass der Grund für die schweren Gefechte, sondern „subversive Aktivitäten, die von außen organisiert und gelenkt“ wurden. Ziel der Aufrührer sei, das Nachbarland Usbekistan in den Konflikt hineinzuziehen.