Köhlers Truppenbesuch irritiert Kabul - Bundeswehrverband sieht Auslandseinsätze gefährdet

(25.05.2010/dpa)

Der Besuch von Bundespräsident Horst Köhler bei den deutschen Soldaten in Afghanistan hat für Irritationen bei der afghanischen Regierung gesorgt. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus zuverlässiger Quelle.

Die afghanische Regierung wurde demnach kaum 48 Stunden vorher von dem geplanten Besuch informiert. Vor allem reiste Köhler entgegen den protokollarischen Gepflogenheiten nicht in die Hauptstadt Kabul, um Präsident Hamid Karsai zu treffen. Er beschränkte seinen Aufenthalt auf das Bundeswehr-Feldlager in Masar-i-Sharif.

Köhler  hatte am Freitag auf dem Rückweg aus China die deutschen Soldaten in Nordafghanistan besucht und ihnen seine Unterstützung zugesichert. Köhlers Pläne waren aus Sicherheitsgründen bis zuletzt geheim gehalten worden. Möglicherweise schätzten die Sicherheitsexperten des Bundespräsidenten einen Besuch in der afghanischen Hauptstadt als zu gefährlich ein.

In Kabul hieß es, selbst der Besuch von US-Außenministerin Hillary Clinton bei der Afghanistan-Konferenz in der Hauptstadt am 20. Juli sei schon jetzt angekündigt. Auch US-Präsident Barack Obama sei bereits in Kabul gewesen. Im übrigen sei Köhlers Visite vergleichbar mit einem Besuch Obamas in einer US-Kaserne in Deutschland, ohne Bundeskanzlerin Angela Merkel zu treffen.

Die afghanische Regierung wertet reine Truppenbesuche von Staats- und Regierungschefs als Geringschätzung der afghanischen Souveränität.

Ein Besuch Köhlers bei Karsai in Kabul hätte die einmalige Chance geboten, die bilateralen Beziehungen deutlich zu verbessern, hieß es weiter. Eine solche Visite wäre von der afghanischen Seite angesichts der schwierigen Lage am Hindukusch – und auch angesichts der historischen Beziehungen beider Länder – sehr anerkannt worden.

Bei ihrem zweiten und bislang letzten Afghanistan-Besuch im April 2009 hatte Bundeskanzlerin Merkel ebenfalls nur die deutschen Truppen im Norden besucht, ohne Karsai ihre Aufwartung zu machen. Auch damals hatte die afghanische Regierung irritiert reagiert.

Bundeswehrverband sieht durch Finanzhaushalt Auslandseinsätze gefährdet

Derweil sieht der Bundeswehrverband die Auslandseinsätze wegen der Sparvorgaben der Regierung akut gefährdet. Würden Gelder wie geplant massiv gestrichen, könne Deutschland schon bald seine “internationalen Verpflichtungen in Afghanistan” nicht mehr ausreichend erfüllen, warnte der Verbandsvorsitzende, Oberst Ulrich Kirsch, am Dienstag in Berlin.

Auch der neue Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), warnte davor, auf Kosten von Soldaten im Afghanistan-Einsatz zu sparen. Dies wäre nicht vertretbar, sagte er in der ARD. Im Gespräch sind derzeit Einsparungen im Verteidigungsressort von 600 Millionen Euro für das kommende Jahr sowie – gemessen am geltenden Finanzplan – von weiteren fast vier Milliarden Euro bis 2014.

Kirsch erklärte: “Wir haben uns zu entscheiden: Will Deutschland zukünftig über einsetzbare Streitkräfte verfügen und damit seine außenpolitische Handlungsfähigkeit erhalten – oder eben nicht.” Die Zusicherung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach sich die Truppe auf den Rückhalt der Politik verlassen könne, müsse sich auch materiell niederschlagen. Mit dem angekündigten “Spardiktat” drohe besonders die Motivation für die Einsatzkräfte im Ausland in ihr Gegenteil umzuschlagen. Mancher Soldat werde sich innerlich fragen, ob die Politiker nach dem Motto “Lieber Blut als Geld” mit seinem Leben nicht zu leichtfertig umgingen, meinte Kirsch.

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