Kritische Medien in der Türkei auf Regierungskurs gezwungen

(30.10.2015/dpa)

Nach der Übernahme der türkischen Mediengruppe Koza Ipek haben die staatlichen Treuhänder die Zeitungen des Konzerns vor der Parlamentswahl am Sonntag auf Regierungskurs gebracht. Die bislang regierungskritische Bugün erschien am Freitag mit einem staatstragenden Foto von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei den Feiern zum Tag der Republik auf der Titelseite. Die Millet bildete Ministerpräsident Ahmet Davutoglu ab, der weiße Tauben mit einer „brüderlichen Botschaft“ in den Himmel steigen lässt.

Die beiden zwischenzeitlich abgeschalteten Fernsehsender des Konzerns – Kanaltürk und Bugün – zeigten am Freitag Wohlfühlsendungen statt Nachrichten. Ein Gericht in Ankara hatte am Montag Treuhänder für die Koza-Ipek-Holding bestellt. Das Gericht wirft dem Mutterkonzern mit Sitz in Ankara Geldwäsche und Unterstützung der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen vor, die in der Türkei inzwischen als Terrororganisation eingestuft wird. Am Mittwoch stürmten Polizisten die Zentrale der zu dem Konzern gehörenden Mediengruppe in Istanbul und erzwangen die Abschaltung der Fernsehsender.

Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte dem türkischen Sender NTV nach dessen Angaben, es handele sich um eine Anordnung der Justiz, mit der die Regierung nichts zu tun habe. „Von einem Eingriff unsererseits kann keine Rede sein.“ Er fügte hinzu: „Selbstverständlich gibt es Pressefreiheit in der Türkei, und die gilt es zu respektieren.“ Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 149 von 180. Am Sonntag stehen in dem Land Neuwahlen zum Parlament an.

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