Kundus-Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf. Merkel „duckt sich weg“

16.12.2009/dpa/hg)

Drei Monate nach dem verheerenden Luftangriff auf zivile Opfer nimmt in Berlin der Untersuchungsausschuss zum tödlichen Bombardement seine Arbeit auf. Der Ausschuss wird wahrscheinlich mehr als ein Jahr lang arbeiten. Er soll versuchen, die Vielzahl offener Fragen zu dem Luftschlag vom 4. September mit bis zu 179 toten, verletzten und vermissten Zivilisten zu klären. Dabei geht es auch um die Frage, ob dem neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zwischenzeitlich wichtige Dokumente über den Angriff vorenthalten worden waren.

Die „Süddeutsche Zeitung“ (Mittwoch) berichtet, das Bundeskanzleramt habe sich bereits frühzeitig wegen der schlechten Unterrichtung durch das Verteidigungsministerium zu Kundus beklagt. Das gehe aus internen Dokumenten hervor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe keinen Zugang zum ersten Bericht der internationalen Schutztruppe ISAF und zum Bericht des deutschen Kommandeurs, Oberst Georg Klein gehabt, als sie am 8. September eine Regierungserklärung zu dem Thema abgab. Die Berichte, die auf zivile Opfer hinweisen, waren demnach zwar bereits am 6. September im Verteidigungsministerium eingetroffen, allerdings erst am 10. September an das Kanzleramt weitergeleitet worden.

Trotzdem sah sich die Kanzlerin anschließend nicht genötigt, das Parlament und die Öffentlichkeit ausreichend zu informieren. Nach Angaben aus der Unionsfraktion wird sich die Kanzlerin auch in der für den Vormittag anberaumten Aktuellen Stunde im Bundestag weiterhin nicht über den Luftangriff und die Konsequenzen äußern. Dieses Verhalten bringt ihr inzwischen harsche Kritik aus der Opposition ein: Der Grünen-Politiker Omid Nouripour sagte, man habe es mittlerweile mit einer “Causa Merkel” zu tun. Sie müsse Auskunft darüber geben, was sie gewusst und ob es einen Strategiewechsel gegeben habe. Dass die Kanzlerin keine Regierungserklärung abgeben will, kritisierte er mit dem Worten: “Sie duckt sich weg.”

Der Vizevorsitzende des Untersuchungsausschusses, Karl Lamers (CDU), machte schon vor der ersten Sitzung des Ausschusses gegenüber dem „Mannheimer Morgen“ (Mittwoch) die Stoßrichtung seiner Position deutlich: Bemühungen, die Kanzlerin beziehungsweise den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in die Verantwortung zu ziehen, seien „durchsichtige Versuche, den Vorfall politisch auszuschlachten“.

Die Opposition im Bundestag hat rund 90 Beweisanträge vorgelegt und will dafür über 40 Zeugen benennen. Dabei geht es um alle wichtigen Akten, Dokumente und Dateien. Unter den benannten Zeugen befinden sich Kanzlerin Merkel, Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sowie sein Nachfolger Guttenberg. Auch der inzwischen entlassene Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan soll gehört werden, sowie der am 4. September für den Luftschlag in Kundus verantwortliche Oberst Georg Klein.

Nach Informationen aus der Opposition soll mit der ersten Zeugenvernehmung – wahrscheinlich Verteidigungsminister Guttenberg – in der zweiten Januarwoche begonnen werden. Da es sich um Angelegenheiten der Bundeswehr handelt, wird der Verteidigungsausschuss des Bundestags zum Untersuchungsausschuss umfunktioniert.

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