Kurzmeldungen 01.07. - 30. 09.2009
Lissabon-Vertrag: Irische Wähler vor Referendum unter Druck, Tschechen klagen gegen „Superstaat“
(30.09.2009/dpa/hg)
Wenige Tage vor dem EU-Referendum hat die irische Regierung ihren Druck auf den bislang widerständigen Souverän erhöht, beim Referendum am 2. Oktober für die Annahme des Lissabon-Vertrags zu stimmen. Es gebe „keinen Plan B“, falls die Iren den Vertrag von Lissabon am kommenden Freitag zum zweiten Mal ablehnten, sagte Außenminister Michéal Martin am Montagabend. „Wenn Lissabon nicht durchgeht, dann stürzt Europa in eine Krise.“
Die Regierung hat die großen Medien auf ihrer Seite und konnte eine Reihe von Prominenten für ihre Pro-Lissabonvertrag-Kampagne rekrutierten. Darunter die Regisseure Jim Sheridan und Neil Jordan sowie den Ryanair-Chef Michael O’Leary.
Beobachter vor Ort berichten, dass die irischen Wähler durch die Kampagnen der Verfassungsbefürworter im Rahmen der Weltwirtschaftskrise regelrecht verängstigt worden sind. Sie fürchten, was Europa ihrem Land wohl antun wird, wenn seine Bürger den Vertrag nicht ratifizieren. (1)
Die Bewegung der Vertragsgegner macht jedoch weiterhin geltend, dass es sich auch bei dem überarbeiteten Vertragswerk um ein Dokument handelt, dass Europas Bürger entmachtet, seine Oligarchen dagegen stärkt.
Des Dalton, Vizepräsident der irischen Partei Republican Sinn Fein (RSF), spricht daher von einer „zutiefst undemokratischen Struktur der EU“. Demokratie funktioniere am besten, „ wenn sie möglichst nahe an den Menschen arbeitet. Entscheidungen, die Menschen direkt betreffen, sollten von Menschen oder Strukturen getroffen werden, die sehr nahe an den Betroffenen sind und berechenbar sind“, sagte er dem österreichischen Standard (2).
In Deutschland zeigt sich die Partei Die Linke „zuversichtlich, dass die Iren den Vertrag von Lissabon erneut begraben. Ein Europa der Wirtschaftskrise, der sozialen Spaltung und der Aufrüstung ist nicht mehrheitsfähig“, sagte die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen bei einem Treffen fortschrittlicher Vertragsgegner in Irland im Vorfeld des Referendums. In der Presseerklärung vom Dienstag heißt es weiter: „Die erneute Abstimmung ist ein Affront gegen die Demokratie. Die irische Regierung will die Bevölkerung solange abstimmen lassen, bis ihr das Ergebnis passt.“
Schützenhilfe erhält der demokratische Widerstand gegen den Lissaboner Vertrag seit Dienstag aus Tschechien. Dort legte der Senatsabgeordnete Jiri Oberfalzer am Dienstag gemeinsam mit 16 anderen Senatoren beim tschechischen Verfassungsgericht in Brno (Brünn) Klage gegen das Vertragswerk ein.
„Mit dem Abkommen droht Europa ein Superstaat zu werden, bei dem einzelne Länder an Souveränität verlieren“, sagte Oberfalzer der Deutschen Presse- Agentur dpa. „Wir verlangen, dass das Verfassungsgericht dem Grenzen setzt.“
Eine Senatorengruppe um Oberfalzer war im November 2008 mit einer ersten Klage gegen den Lissabon-Vertrag vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Zuletzt legte der konservative Abgeordnete Beschwerde gegen das tschechische Begleitgesetz zum Abkommen ein. Damit hat sich das Gericht allerdings noch nicht beschäftigt.
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus, der das Lissabon-Abkommen ebenfalls entschieden ablehnt, will nach bisherigen Äußerungen seine zur Ratifizierung notwendige Unterschrift allenfalls dann leisten, wenn alle juristischen Bedenken geklärt sind und der Vertrag von allen anderen 26 EU-Ländern gebilligt wurde.
Auch in Polen fehlt noch die Unterschrift des Staatspräsidenten.
(1) http://www.cafebabel.com/ger/article/31471/irland-zwingt-die-eu-irland-zum-ja.html
(2) der Standard.at, 21.09.2009
Verbalattacke: Berlins Ex-Finanzsenator Sarrazin lästert über "türkische Wärmestuben"
(30.09.2009/dpa/hg)
Auch als neuer Bundesbank-Vorstand lässt Berlins Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) kein gutes Haar an seiner früheren Wirkungsstätte: Die Stadt sei belastet von „der 68er-Tradition und dem Westberliner Schlampfaktor“, sagte der heutige Bundesbank-Vorstand der Zeitschrift „Lettre International“. (1) Die Stadt sei in ihren politischen Strömungen „nicht elitär aufgestellt, sondern in ihrer Gesinnung eher plebejisch und kleinbürgerlich“.
Sarrazin, der schon zu seinen Berliner Zeiten immer wieder mit starken Sprüchen auf sich aufmerksam gemacht hatte, blickt mit Häme auf die Hauptstädter: Ein Problem sei, „dass 40 Prozent aller Geburten in der Unterschicht stattfinden“. Aber „türkische Wärmestuben“ könnten die Stadt nicht voranbringen. „Ich würde einen völlig anderen Ton anschlagen und sagen: Jeder, der bei uns etwas kann und anstrebt, ist willkommen; der Rest sollte woanders hingehen. Der Sozialdemokrat Sarrazin war zuvor vor allem durch seine abträglichen Bemerkungen über Hartz-IV-Empfänger bundesweit bekannt geworden
Immerhin sieht auch Sarrazin Fortschritte: „Ob es um Anteile am nationalen Diskurs oder an der kulturellen Produktion geht, an Fernsehserien, an Populärkultur bis hin zu dem Umstand, dass auch die Länder als die Vertreter des Föderalismus Berlin als Bühne benutzen.“ Topanwälte, Wirtschaftsberater, Manager, Ingenieure, Wissenschaftler – „viele möchten gerne in Berlin leben, viele Firmen eröffnen deshalb Dependancen“. Der Intellekt aber, den Berlin brauche, müsse noch importiert werden „und er wird auch importiert werden wie im New York der 50er Jahre“, sagte der Bundesbanker. Denn Berlin werde „niemals von den Berlinern gerettet werden können“. (2)
Zudem gebe es in Berlin stärker als anderswo das Problem "einer am normalen Wirtschaftskreislauf nicht teilnehmenden Unterschicht", so Sarrazin. "Wir müssen in der Familienpolitik völlig umstellen: Weg von Geldleistungen, vor allem bei der Unterschicht." (3)
(1) Auszüge aus Lettre International online: Thilo Sarrazin im Gespräch – KLASSE STATT MASSE
(2) dpa 30.09.2009
(3) Süddeutsche Zeitung 30.09.2009
Barack Obama: Wahlversprechen gebrochen – Guantanamo wird vorerst nicht geschlossen.
(28.09.2009/dpa/hg)
Vermutet wurde es seit langem: Guantanamo macht so schnell nicht dicht. Vier Monate vor dem ursprünglich anberaumten Schließungstermin am 22. Januar muss US-Präsident Barack Obama zugeben, dass er sein allererstes Versprechen als Chef im Weißen Haus nicht halten kann: Das Gefangenenlager, eines der umstrittensten Kapitel US-amerikanischer Geschichte, bleibt nun doch länger erhalten – und macht Obama nach Meinung vieler Amerikaner zum Gefangenen seiner eigenen Ankündigungen.
Stunden nach seinem Amtsantritt im Januar hatte der Präsident erklärt: Guantanamo werde binnen eines Jahres geschlossen. Doch Obama hatte zahlreiche Stolpersteine nicht einkalkuliert, die ihn viel Zeit kosten sollten: Was an die Stelle der Militärtribunale setzen und wie mit Beweisen umgehen, die teils unter Folter gewonnen wurden? Wohin mit den noch 225 Häftlingen, die derzeit noch in dem Lager auf Kuba warten?
Dafür müssen nach Angaben eines Regierungsmitarbeiters noch Haftplätze für bis zu 60 Gefangene gefunden werden, die wegen juristischer Hürden weder freigelassen noch vor Gericht gestellt werden können. Der Kongress muss den finanziellen Mitteln zustimmen, die für die Schließung benötigt werden.
Erst vergangene Woche hatten amerikanische Medien berichtet, dass US-Präsident Obama an der Praxis seines Vorgängers George W. Bush festhalten will, Terrorverdächtige ohne Anklage auf unbestimmte Zeit festzuhalten.
Unklar ist auch, wer die für unschuldig befundenen Gefangenen aufnehmen soll. Bei anderen Ländern stieß Obama bereits an die Grenzen der Kooperationsbereitschaft, zumal sich die US-Bundesstaaten selbst standhaft weigern, ihre Gefängnisse für Guantanamo-Häftlinge zu öffnen. Sogar in seiner eigenen Partei bekommt Obama deshalb Gegenwind.“Wir werden niemals erlauben, dass Terroristen in die USA gebracht werden“, wetterte der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid – eigentlich einer von Obamas stärksten Unterstützern.
Der Schließungstermin wird Obama nun zum Verhängnis. Doch Mitarbeiter seines Sicherheitsstabs rechtfertigten die selbst gesetzte Frist. Am Sonntag erklärte Verteidigungsminister Robert Gates, auch er habe für einen Zeitplan plädiert. „Ich habe die Frist als Möglichkeit betrachtet, die schleppende Verwaltung in Washington in dieser Angelegenheit in Gang zu bringen“, sagte er dem Fernsehsender CNN.
Vergangene Woche musste Obama schließlich seinen Guantanamo-Beraterstab auswechseln. In der Washington Post zog der scheidende Topberater Gregory Craig eine ernüchternde Bilanz. „Ich dachte, dass es eine breite Übereinkunft darüber gibt, wie wichtig die Schließung von Guantanamo für unsere nationale Sicherheit ist. Damit mag ich falsch gelegen haben“, sagte der Mann, der in Obamas Team eine der treibenden Kräfte zur Schließung des Lagers war.
Atomkraftwerke: Hoffnung auf schwarz-gelbe Laufzeitverlängerung erhöht Nachfrage nach Kernenergie-Aktien. Solarwerte verzeichnen Einbußen.
(29.09.2009/stocks.ch/hg)
Nach dem Bundestagswahlsieg von CDU/CSU und FDP am Sonntag reiben sich Investoren und Spekulanten die Hände. Direkt zum Wochenauftakt stehen Energiewerte wie RWE, E.on und EnBW im Plus. Solarwerte hingegen werden tiefer gehandelt.
Börsianer sehen deutsche Versorgerwerte als Profiteure der neuen schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag. RWE- und E.on-Aktien gewannen am Vormittag über drei Prozent und die Titel von EnBW sogar zeitweise mehr als fünf Prozent. Bei Versorgern spekulieren nämlich die Aktienmärkte darauf, dass eine Regierung aus CDU/CSU und FDP die Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke verlängert.
Umgekehrt werden Solarwerte wie Q-Cells und SolarWorld von Börsianern als Verlierer der Wahl gesehen, und die Aktien werden daher am Montag mit deutlichen Abschlägen gehandelt. Die deutsche FDP hatte sich nämlich für eine schnelle Kürzung der hohen deutschen Solar-Subventionen ausgesprochen. Zuletzt hatte die Partei ihre Aussagen zwar etwas relativiert und eine Kürzung erst ab 2011 in Aussicht gestellt. Das dürfte aber die Nachfrage ab 2010 negativ belasten.
Equinet-Analyst Sebastian Growe stufte SolarWorld-Aktien wegen der nun entstehenden regulatorischen Unsicherheit und nach der zuletzt guten Kursentwicklung von «Accumulate» (Zukaufen) auf «Hold» (Halten) zurück. Aus dem Sieg von CDU/CSU und FDP resultiere das Risiko einer Kürzung der Einspeisevergütung für Solarstrom, so Growes Begründung. Zudem könnte die neue Regierung Neuinstallationen von Solaranlagen begrenzen, was die Schlimmste aller Änderungen wäre. In den Abwärtssog der deutschen Solaraktien gerät auch die an der Berner Börse sowie an den deutschen Lokalbörsen gehandelte 3S Industries, die als Herstellerin von Solarpanel-Produktionsanlagen von einem Nachfrageeinbruch in Deutschland mitbetroffen wäre. So verlor die 3S-Aktie am Montagvormittag gegen vier Prozent.
Neue iranische Urananreicherungsanlage – ein lange von US-Geheimdiensten beobachtetes Bauvorhaben
(25.09.2009/nyt/rn)
Mit großer Aufregung berichtet die Presse über ein Schreiben des Iran an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, in der das Land den Bau einer weiteren Anlage zur Urananreicherung anmeldet. Dem entgegen schreibt die New York Times, dass der Bau dieser Anlage den USA schon lange bekannt sei und von den Diensten überwacht werde. (1)
Danach soll die im Bau befindliche Anlage rund 3.000 Zentrifugen zur Anreicherung von Uran beherbergen. Selbst mit ausgefeiltester Technik, die der Iran nicht besitzt, müssten diese Maschinen ein Jahr lang nonstop laufen, um quantitativ genügend Material für eine Atomwaffe zu produzieren – auch das hätte dann noch nicht die Qualität waffenfähigen Urans. Darüber hinaus schrieb die New York Times erst vor wenigen Wochen, dass die Inspekteure sofort Alarm schlagen würden, sollte Teheran die Anreicherung der Uranvorräte hin zu waffenfähigem Material betreiben.
Vor dem Bau einer einsatzfähigen Atomwaffe müsste Iran weiterhin ein Sprengkopf-System entwickeln oder einkaufen, das über die nötigen Auslösetechnik für die Bombe verfügt, wie die New York Times weiter schreibt. Zudem ständen die iranischen Forscher noch vor dem Problem, die Sprengköpfe auf die vorhandenen Trägerraketen abzustimmen – alles kein realistisches gegenwärtigen Szenario. (2)
Bis heute ist noch kein radioaktives Material in die neue Anlage gebracht worden. In Natanz, der von der IAEA beobachteten iranischen Anreicherungsanlage, laufen von den mehr als 8.000 Zentrifugen meist nur die Hälfte. Allein das wirft ein Licht auf die mangelnde Qualität iranischer Anreicherungsanlagen.
Die Errichtung neuer Zentrifugen allein ist kein Grund, dem Land gebetsmühlenartig zu unterstellen, es arbeite verdeckt an der Atombombe. Bei der jetzigen Anlage kann es sich auch um eine Forschungseinrichtung handeln, unter der Maßgabe errichtet, die Qualität der Zentrifugen mit eigenem Know-how zu verbessern. Bis jetzt arbeitet der Iran mit einer völlig veralteten und störanfälligen Technik, den P-1 Zentrifugen aus Pakistan. Ob in der neuen Anlage überhaupt jemals Uran in den von westlichen Quellen geschätzten Mengen angereichert werden kann oder soll, ist fraglich.
Die Rechtslage für Staaten wie den Iran, der sich von vornherein freiwillig der internationalen Atomkontrolle unterworfen hat, sieht vor, dass erst in einer Frist von einigen Monaten vor dem geplanten und tatsächlichen „Umgang“ mit radioaktivem Material und der Inbetriebnahme einer Anlage eine Meldung zu erfolgen hat. Der Bau von Zentrifugen als solcher ist nicht genehmigungspflichtig.
Warum also die Aufregung im Westen und das Gerede über iranische Geheimhaltung? Nach Angaben US-amerikanischer Beamter sei die neue Anlage schon lange bekannt und wurde vom Geheimdienst – bereits zu Zeiten Bushs – beobachtet. Präsident Obama habe es jedoch bisher vermieden, die Sicherheitsratsmitglieder darüber zu informieren. Durch die (zeitlich nach US-Gusto abgestimmte) Bekanntgabe sollten die Iraner in die Defensive gedrängt werden, um so besser internationale Sanktionen gegen das Land zu verhängen. Nun aber hätten westliche Geheimdienste die Geheimhaltung des Projektes „verletzt“. Das schließlich habe Anfang dieser Woche, so die New York Times, zu dem Brief des Iran an die IAEA geführt.
(1) http://www.nytimes.com/2009/09/26/world/middleeast/26nuke.html?hp
(2) http://www.tagesspiegel.de/politik/international/Iran-Atomwaffen;art123,2896532
G-20-Gipfel in Pittsburgh: Polizei schießt auf Demonstranten
(25.09.2009/dpa/hg)
Zum Auftakt des Weltfinanzgipfels in Pittsburgh ist es am Donnerstag zu Polizeiübergriffen gegenüber Demonstranten gekommen. Sicherheitskräfte feuerten Gummigeschosse ab und setzten Tränengas sowie Pfefferspray gegen die Protestierenden ein.
Das berichtete die Zeitung „Pittsburgh Gazette-Post“. An verschiedenen Orten ist es zu Zusammenstößen zwischen den bis zu 2000 Gipfel-Gegnern und Sicherheitskräften gekommen, zu denen auch Einheiten der Nationalgarde gehören.
Die Reservistentruppe ist Teil der US-Streitkräfte.
Etwa ein halbes Dutzend Demonstranten sind nach Angaben der Zeitung festgenommen worden.
The Associated Press berichtet am Freitag dagegen von bis zu 70 Festgenommen.
Die Innenstadt von Pittsburgh ist für die zweitägige Zusammenkunft der 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt weiträumig abgesperrt. Weil die Polizei der Stadt üblicherweise nur über 900 Mann verfügt, wurden Tausende weitere Beamte in die Stahl-Stadt im Bundesstaat Pennsylvania abgeordnet.
Ein Polizeihubschrauber flog laut Medienberichten im Tiefflug über die Innenstadt. Ein Schwarzer Block schleuderte Müllcontainer in Richtung der Sicherheitskräfte, die mit insgesamt 4.000 Mann während des Weltfinanzgipfels im Einsatz ist. Auf einem Plakat stand: „Ungehorsam ist wichtig für die Demokratie.“
Über Verletzte wurde zunächst nichts berichtet, doch ein CNN-Video dokumentiert, wie Demonstrierende und Journalisten mit Reizgas attackiert und zum Teil leicht verletzt wurden, unter ihnen Brian Todd, ein Reporter des Fernsehsender (1)
Nach Angaben der „Pittsburgh Gazette-Post“ wurden auch unbeteiligte Schaulustige durch das Pfefferspray in ihre Häuser zurückgetrieben.
„Sie haben ganze Straßenblocks unter Gas gesetzt“, sagte ein Demonstrant, der von anderen Teilnehmern der Proteste gegen die Reizungen des Gases behandelt wurde. „Ich bin wirklich überrascht“, sagte er.
Bereits in den vergangenen Tagen hatte die Polizei wiederholt Aktivisten, die unter anderem mit großen Plakaten gegen den Gipfel demonstrierten, festgenommen.
Beobachter bezeichneten den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig.
Milchbäuerin geprügelt: Staatsschutz ermittelt gegen CSU-Bundestagsabgeordneten
(25.09.2009/dpa/hg)
Die von dem CSU-Bundestagsabgeordneten Alois Karl geschlagene Milchbäuerin Regine Lehmeier hat Strafantrag wegen Körperverletzung gestellt. Das berichtete die Regensburger Polizei am Donnerstag. Der Vorfall hatte sich schon am 14. September ereignet.
Laut Polizeiangaben hatte die für höhere Milchpreise demonstrierende 40-Jährige dem ehemaligen Oberbürgermeister von Neumarkt beim Kirchweihfest im bayerischen Trautmannshofen zehn Liter Milch über den Anzug gekippt.
Daraufhin habe sie der Abgeordnete „reflexartig“ gegen den Kopf geschlagen. Die Prügel seien laut Lehmeier aber so heftig gewesen, dass sie tagelang Schmerzen gehabt habe.
Wegen der Beteiligung des Bundestagsabgeordneten Karl ist nun die Abteilung Staatsschutz der Regensburger Kripo für die Ermittlungen zuständig.
Karl soll versucht haben, die Affäre zunächst mit einem Gespräch aus der Welt zu schaffen. Seine Kontrahentin lehnte ein Treffen allerdings ab.
Der 58 Jahre alte Politiker sieht sich unterdessen nicht als Schuldigen. „Der Angegriffene und Attackierte bin ich“, sagte er nach dem Vorfall. Karl sitzt seit vier Jahren im Bundestag.
Gegenüber den Neumarkter Nachrichten kündigte er an, „gebührend zu antworten“, sobald die Anzeige bei ihm eingetroffen sei. Er habe drei Monate Zeit, um seinerseits Anzeige zu erstatten, berichtete das Blatt in seiner Donnerstagausgabe.
Am Montag hieß es noch, der CSU-Politiker schließe eine Anzeige seinerseits aus, so die Süddeutsche Zeitung (21.09.2009).
Das Verhalten des Politikers ist symptomatisch für das Desinteresse, dass den Problemen der Landwirte aus den Reihen der etablierten Parteien entgegengebracht wird. Im Wahlkampf spielten sie so gut wie keine Rolle..
Die protestierende Bäuerin Christine Schneebichler schrieb den Volksvertretern deshalb am vergangenen Sonntag ins Stammbuch: „Die Politiker hätten keinen Latte macchiato mehr, wenn die Milchbauern nicht wären.“
Paranoia: Bundeswehradmiral fürchtet Terroraufrufe durch Linksfraktion
(23.09.2009/hg)
Ein Konteradmiral der Bundeswehr hält die demokratisch gewählten Abgeordneten der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag für eine ernsthafte Bedrohung der nationalen Sicherheit. Das geht aus einer Presseerklärung hervor, die vom Büro der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) am Dienstag verbreitet wurde.
Ihr sei eine E-Mail übermittelt worden, die behauptet, die Linke rufe zu Anschlägen gegen Reserveoffiziere der Bundeswehr auf, schreibt Jelpke in der Pressemeldung. Als Absender der Mail werde der Chef des Stabes im Führungsstab der Streitkräfte genannt. Ein Ausdruck sei ihr anonym zugesandt worden.
Anlass für die diffamierende Äußerung sei eine parlamentarische Anfrage zum Thema Zivil-Militärische Zusammenarbeit gewesen.
Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke geht unter anderem hervor, dass ein Einsatz der Bundeswehr gegen Streikende und Demonstrierende im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) nicht mehr völlig auszuschließen ist.(1)
Jelpke hat darüber hinaus nach einer Übersicht über die Leiter der insgesamt 441 regionalen und kommunalen Bundeswehrkommandos gefragt, die den zivilen Verwaltungen zugeordnet sind.
Der Chef des Führungsstabes, der unter anderem für Personalangelegenheiten zuständig ist, habe daraufhin von der Rechtsabteilung eine Aussage gefordert, dass die Veröffentlichung der Namen nicht gegen Persönlichkeitsrechte und Datenschutz verstoße.
Hier gegen hat Jelpke nichts einzuwenden, wohl aber gegen die nachfolgende Bemerkung: „Es ist davon auszugehen, dass Die Linke die Unterlagen ins Internet stellt (und zu Anschlägen aufruft).“
Gegenüber ihrem Büro, so Ulla Jelpke weiter, habe sich der Konteradmiral mit der Behauptung gerechtfertigt, es habe ähnliche Vorgänge bereits in der Vergangenheit gegeben. Ihrer Aufforderung, für frühere „Anschlagsaufrufe“ Belege zu erbringen, sei er aber bisher nicht nachgekommen.
Der Dienst in der Bundeswehr verlangt, den Primat der Politik anzuerkennen, stellt Jelpke fest. Im Dienst haben sich Soldaten parteipolitisch neutral zu verhalten. Offiziere, die gewählte Abgeordnete wegen ihrer kritischen Fragen der Anschlagsvorbereitung bezichtigen, seien für Führungsaufgaben offenkundig ungeeignet. Jelpke fordert das Verteidigungsministerium auf, dies eindeutig klarzustellen.
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(1) Die betreffende Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion Die Linke lautet: "Beabsichtigt die Bundesregierung, Maßnahmen zu ergreifen, die ausschließen, dass die ZMZ-Strukturen zur Unterstützung polizeilicher Repressivmaßnahmen gegen Streikende und/oder Demonstrantinnen und Demonstranten herangezogen werden, um eine Wiederholung von Szenarien wie anlässlich des G8-Gipfels 2007 zu verhindern, und wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant oder bereits eingeleitet?" (DB Drucksache 16/13847) Die Antwort der Bundesregierung vom 26. August begnügt sich mit einem Wort: "Nein." (Quelle: Büro Ulla Jelpke)
vergleiche: Hintergrund-Artikel vom 2. September 2009: „Schleichende Militarisierung. Bundesregierung will künftige Einsätze der Bundeswehr gegen Streikende und Demonstrierende nicht ausschließen “
Honduras Demokratiebewegung blutig niedergeknüppelt
(23.09.2009/dpa/hg)
Nachdem der vor drei Monaten gewaltsam gestürzte Präsident Manuel Zelaya undercover in sein Heimatland zurückgekehrt ist, spitzt sich die Lage in Honduras weiter zu.
Zelaya steht unter dem Schutz der brasilianischen Botschaft. Um den Druck auf die Botschaftsangehörigen zu erhöhen, wurden der Vertretung zeitweise Wasser und Strom abgestellt. Außerdem wurde das von bewaffneten Kräften der Putschisten umstelle Gebäude mit Lautsprechern beschallt, berichtete die NZZ-online am Mittwochnachmittag (23.09.).(1)
Die brasilianische Regierung habe sich besorgt gezeigt und eine Sondersitzung des Uno-Sicherheitsrats beantragt. Die Regierung wiederum verhängte eine Ausgangssperre, die Tag um Tag verlängert wird. Trotzdem versammelten sich Tausende von Angehörigen der Demokratiebewegung vor der Botschaft. Sie wurden brutal niedergeknüppelt.
Die Polizei nahm nach Angaben des Innenministeriums 174 Demonstranten fest. Ein von Radio Globo interviewter Arzt sagte, dass mindestens 18 Menschen wegen Verletzungen im Krankenhaus behandelt worden seien.
Nach Berichten lokaler Medien sollen sogar drei Personen getötet worden sein, heißt es in der NZZ-online weiter.
Der von Militärs und Teilen der Oberschicht am 28. Juni gewaltsam nach Costa Rica verbrachte Staatschef Zelaya war am Montag in die Hauptstadt Tegucigalpa zurückgekehrt.
Nachdem sich die Nachricht herumgesprochen hatte, versammelten sich nach Presseangaben über 20.000 Menschen vor der brasilianischen Botschaft, um den demokratisch gewählten Amtsinhaber zu unterstützen.
Das Putschisten-Regime hatte versucht, Zelayas Ankunft zu verschweigen, doch als unabhängige Medien trotzdem darüber berichteten, verbreitete sich die Nachricht wie im Flug.
Unterdessen forderte der von den Putschisten unrechtmäßig eingesetzte Übergangspräsident Roberto Micheletti die brasilianische Regierung auf, Zelaya den honduranischen Behörden auszuliefern. Gegen Zelaya war ein Haftbefehl erlassen worden.
Die konservative spanische Zeitung „ABC“ (Madrid) schreibt, die Rückkehr von Zelaya vergifte die Atmosphäre. „Seine Rückkehr mit der Unterstützung Brasiliens bedeutet eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes.“
Der liberale „Standard“ aus Wien fordert dagegen die EU auf, „null Toleranz“ für Putschisten zu zeigen und in Honduras baldige Wahlen durchzusetzen. Das forderte auch die US-Außenministerin Hillary Clinton unmittelbar nach der Ankunft des rechtmäßigen Präsidenten in Tegucigalpa.
Doch auch diese Position spielt letztlich den Zielen der Putschisten in die Hände. Für die organisatorische Durchführung der Wahlen, die für den 29. November vorgesehen sind, wären nach den honduranischen Gesetzen dieselben Militärs verantwortlich, die mit ihrem Putsch am 28. Juni die Verfassung des Landes mit Füßen getreten haben, schreibt die Junge Welt in ihrer Mittwochsausgabe.
Entsprechend fiel es Micheletti nicht besonders schwer Gesprächsbereitschaft zu signalisieren: „Ich bin bereit, mit Herrn Zelaya zu sprechen, immer und unter der Bedingung, dass er ausdrücklich die durch unsere Verfassung für den 29. November autorisierten Wahlen anerkennt“, sagte er in einer Erklärung, die am Dienstagabend von Außenminister Carlos López Contreras im Fernsehen verlesen wurde.
Honduras Putschisten rechtfertigen ihren Staatsstreich gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Zelaya mit der Behauptung, dieser habe verfassungswidrig versucht, sich mit einer Volksabstimmung eine weitere Amtszeit zu sichern.
Diese Version wird in Deutschland von dem FDP-Politiker und Vorsitzenden der „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“, Wolfgang Gerhardt, unterstützt: „Der Präsident Zelaya hat mehrfach versucht, die Verfassung zu verletzen, behauptete Gerhardt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk (13.08.2009).
Diesen Anschuldigungen widerspricht der Berliner Tagespiegel: „Zelaya wollte einen Bürgerentscheid darüber abhalten lassen, ob bei den Präsidentschaftswahlen im November ein Referendum über eine Verfassungsreform stattfinden solle. Diese hätte eine zweite präsidiale Amtszeit beinhaltet. Zelaya wollte aber nicht wieder antreten“.(14.09.2009)
Sollte die Präsidentenwahl unter der Regie der Putschisten durchgeführt werden, hätten diese ihr Hauptziel schon erreicht: die Verhinderung des Verfassungsreferendums.
In der Jungen Welt heißt es daher: „Die formale parlamentarische Demokratie soll wiederhergestellt werden. Zelaya darf während der ihm verbleibenden Monate im Amt noch den Regierungschef spielen, während die traditionellen Eliten unter sich ausknobeln, wer ‚ganz demokratisch’ den unbotmäßig gewordenen Präsidenten ablöst. Nur von der Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung soll, bitteschön, nicht mehr die Rede sein. Damit hätte der Putsch sein Ziel erreicht, denn es ging ja gerade darum, den Weg zu einer partizipativen Demokratie zu blockieren“.
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(1) http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/fuer_zelaya_wird_es_immer_u ngemuetlicher_in_brasiliens_botschaft_1.3645192.html
vergleiche: HINTERGRUND-Artikel vom 6. Juli 2009, "Honduras: Deutsche Partner der Putschisten "
Geheimer EU-Bericht: Georgien ist schuld am Kaukasuskrieg
(21.09.2009/Der Spiegel/hg)
Die Regierung Georgiens ist der Verursacher des blutigen Krieges mit der nach Unabhängigkeit strebenden Provinz Südossetien.
Die von der EU eingesetzte unabhängige Expertengruppe zur Untersuchung des Konflikts ist nach Informationen des „Spiegel“ vom 21.09.2009 zu diesem Ergebnis gekommen. Moskau wird allerdings eine Teilschuld zugesprochen.
Das Nachrichtenmagazin beruft sich auf Diplomaten in Brüssel, die mit dem Inhalt des geheimen Dossiers vertraut sein sollen.
Am 7. August 2008 eröffnete der georgische Präsident Michail Saakaschwili mit dem Artilleriebeschuss der südossetischen Hauptstadt Tschinwali einen blutigen Krieg, der erst durch die massive Intervention russischer Truppen am 12. August beendet wurde.
Während des Krieges hatten NATO-Staaten und weite Teile der EU zunächst mehr oder weniger offen Partei für die Seite der georgischen Regierung ergriffen und ohne nähere Prüfung der Kriegsursachen die russischen Truppen zum alleinigen Aggressor und Hauptschuldigen an dem zerstörerischen Waffengang erklärt, bei dem auf beiden Seiten viele Zivilisten ums Leben kamen.
Die internationale Kommission unter Leitung der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini wolle den Bericht noch bis kommende Woche unter Verschluss halten.
Sie möchte die brisanten Ergebnisse zunächst dem UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York erläutern, so der Spiegel. Erst dann beabsichtige man, die Botschafter der 27 EU-Staaten in Brüssel sowie die Regierungen in Tiflis und Moskau zu informieren.
Die Reaktion des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili ist schon jetzt wenig diplomatisch. Laut Spiegel schimpft er auf „einige Idioten, die sagen, wir hätten den Krieg begonnen“. Die georgische Regierung fürchte, dass der Bericht die Chancen auf eine baldige Aufnahme Georgiens in die NATO weiter schmälern könnte.
Bundeswehr-Massaker: Oberst Klein hat „auf eine Warnung der Menschen vor Ort verzichtet“(1)
(21.09.2009/FTD/Spiegel/hg)
Der Offizier habe es abgelehnt, in der Nähe der entführten Tanklastwagen befindliche Zivilisten vor der Bombardierung zu warnen, berichtete der Spiegel in seiner Montagsausgabe.
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins hätten die Besatzungen der mit der Bombardierung der beiden entführten Tanklaster beauftragten der F-15-Jagdbomber Klein und seinen Fliegerleitoffizier in Kundus gefragt, ob sie mit ihren Jets nicht zunächst im Tiefflug über die Tanker donnern sollten, um Taliban-Kämpfern und Zivilisten eine Chance zur Flucht zu geben.
Klein lehnte angeblich ab, so der Spiegel. Außerdem habe der Bundeswehr-Oberst gegenüber den Bomberpiloten wiederholt falsche Angaben gemacht.
Ihre Fragen, ob eine akute Bedrohung, ein sogenannter "imminent threat", vorliege und die eigenen Truppen Feindberührung ("troops in contact") hätten, habe der Oberst mehrfach durch seinen Fliegerleitoffizier mit einem knappen "confirmed" bestätigen lassen, berichtete Spiegel-online schon am Samstag. (2)
Bei dem von der Bundeswehr befohlenen Angriff sind 100 Menschen getötet und viele weitere zum Teil sehr schwer verletzt worden. Darunter sollen sich bewaffnete Männer befunden haben, nachweislich aber auch zahlreiche Zivilisten – inklusive mehrerer Kinder.
Zunächst hatte die Financial Times Deutschland in ihrer Ausgabe vom vergangenen Freitag berichtet, nach Informationen aus NATO-Kreisen habe der deutsche Oberst Georg Klein behauptet, die Bundeswehr sei "im direkten Feindkontakt" ("Troops in Contact") gewesen, als er die Unterstützung durch die US-Luftwaffe anfordert habe.
Auf die Rückfrage des Isaf-Kontrollzentrums in Kabul "Was für eine Art Kontakt?" soll Klein geantwortet haben: „Sichtkontakt“, berichtete die Financial Times Deutschland unter Berufung auf Informationen aus NATO-Kreisen schon am Freitag.(3)
Dabei seien im Vorfeld der Bombardierung Einheiten der Afghanistan-Schutztruppe Isaf oder der Bundeswehr nicht einmal in der Nähe der beiden entführten Tankzüge gewesen.
Ohne Feindberührung und akute Bedrohung hätte Klein den Befehl zum Luftangriff aber nicht eigenmächtig erteilen dürfen, so der Spiegel. Sind eigene Kräfte nicht akut bedroht, dann müsse nach den geltenden NATO-Regularien das Isaf-Hauptquartier in Kabul mit einbezogen werden. Bestünde die Gefahr ziviler Opfer, dann könne nur die zuständige NATO-Kommandozentrale im niederländischen Brunssum einen Bombenabwurf freigeben.
Der Spiegelbericht war am Montag auch Thema auf der Regierungspressekonferenz in Berlin. Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums,Thomas Raabe, wollte den Bericht des Spiegel nicht bestätigen und verwies zum wiederholten Male auf die noch nicht abgeschlossenen NATO-Untersuchungen: „Wir gehen davon aus, dass der Bericht noch eine Weile dauern wird“, sagte der Ministeriumssprecher eine Woche vor der Bundestagswahl.
(1) Der Spiegel/39/2009, S. 24
(2) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,650011,00.html
(3 ) http://www.ftd.de/politik/international/:luftschlag-in-afghanistan-neue-vorwuerf e-gegen-deutschen-oberst/50011721.html
Effektivere Bedrohung: Obamas neue Raketenpläne
(18.09.2009/dpa/hg)
Der von US-Präsident Barack Obama am Donnerstag erklärte Verzicht auf die Stationierung eines sogenannten Raketenschutzschilds in Tschechien und Polen ist keine Abrüstungsinitiative, sondern zielt vielmehr auf eine Effektivierung der US-Raketenwaffensysteme.
Die heute in großen deutschen Medien zu lesenden Schlagzeilen wie „Obama verzichtet auf Raketenabwehr in Europa“ (1), „Aus für US-Raketenschild“ (2 ) oder „Obama – Raketenabwehrschild auf Eis gelegt“ (3) führen daher in die Irre.
Obama hatte am Donnerstag (17. September) in Washington angekündigt, er wolle ein neues, effektiveres und billigeres System stationieren lassen. Hintergrund hatte über diese Pläne schon Anfang September berichtet. (4)
Russlands Präsident Dmitri Medwedew begrüßte den Schritt trotzdem. Russland hatte durch die geplante „Raketenabwehr“ die eigene Sicherheit bedroht gesehen. Kurz nach der Wahl Obamas im vergangenen November hatte der russische Präsident Medwedew angekündigt, im Falle der Stationierung der US-Raketen im Gegenzug in der Ostsee-Exklave Kaliningrad Iskander-Raketen stationieren zu wollen.
Nach den neuen US-Plänen sollen Raketen vom Typ SM-3 („Standard Missile 3“) ab 2011 zunächst auf Schiffen eingesetzt werden. In einer zweiten Phase, etwa 2015, solle es moderne, landgestützte SM-3 Raketen geben.
Konsultationen mit Verbündeten über eine Stationierung hätten bereits begonnen, angefangen mit Polen und Tschechien, fügte US-Verteidigungsminister Robert Gates hinzu. Dessen ungeachtet hatte sich der polnische Präsident Lech Kaczynski über den Verzicht der US-Regierung auf den Raketenabwehrschild in Mitteleuropa besorgt gezeigt. Der Außenexperte der CDU im Europaparlament, Elmar Brok, sagte am Donnerstag im Gespräch mit Handelsblatt.com: „Wir müssen jetzt einen Bruch innerhalb Europas verhindern, indem wir die Sicherheit Polens und Tschechiens auf andere Weise garantieren“ Brok schlug vor, dass die NATO Süd- und Osteuropa Schutz gewähren solle.(5)
Der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin sagte am Donnerstag im russischen Staatsfernsehen, die Korrektur der Abwehrpläne sei nicht als ein Zugeständnis an Russland zu werten. Und der als kremlnah geltende Politologe Sergej Markow erklärte: “Vermutlich wollen die USA mit einem Verzicht diese Spaltung der Allianz überwinden.“
Trotzdem gerät der US.Präsident innenpolitisch unter Druck. Die Republikaner im US-Kongress warfen ihm vor, gegenüber Russland eingeknickt zu sein. Der Präsident „belohnt Russland für dessen spalterische Politik und Aktionen“, sagte der republikanische US-Abgeordnete Howard McKeon auf einer Pressekonferenz zusammen mit anderen Republikanern.
Weiterhin muss der Iran als Vorwand für die neuen Raketenpläne herhalten. Barack Obama erklärte, die Entscheidung für das neue System basiere auf zwei Aspekten: Zum einen betrachteten die Geheimdienste seit neuestem vor allem die iranischen Kurz- und Mittelstreckenwaffen als Hauptbedrohung. Zum anderen gebe es Fortschritte in der US- Abwehrtechnologie. Auch NATO-Sprecher James Appathurai sprach von einer „wachsenden Bedrohung durch Raketen des Irans“.
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad erklärte dagegen in einem am Donnerstag veröffentlichen Interview des US-Senders NBC, Atomwaffen „sind nicht Teil unserer Programme und Pläne“.
Mohammed el-Baradei, der scheidende Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hat diese Äußerungen in seinem bislang jüngsten Bericht zum iranischen Atomprogramm der Sache nach bestätigt. Gegenüber dem „Bulletin of the Atomic Scientists“ erklärte er, dass die Gefahr eines iranischen Atomwaffenprogramms übertrieben worden sei: „Die Vorstellung, dass wir morgen aufwachen und der Iran präsentiert uns seine Atombombe, ist eine Vorstellung, die durch Fakten nicht begründet werden kann.“(6)
Selbst Israels Verteidigungsminister Ehud Barak sagt heute im Blick auf den Iran: „Ich sehe niemanden, der dazu in der Lage ist, Israel vor eine existenzgefährdende Situation zu stellen“, berichtet dpa.
(1.) http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article1189376/Obama-verzichtet-auf-Raketenabwehr-in-Europa.html
(2) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,649562,00.html
(3) http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/raketenschild-obama-raketenabwehrschild-auf-eis-gelegt_aid _436553.html
(4) Rick Rozoff: Das Pentagon strebt nach globaler militärischer Überlegenheit. Die USA und die NATO könnten mobile Abfangraketen in Europa stationieren. Hintergrund, 8. September 2009, http://www.hintergrund.de/20090907488/globales/kriege/das-pentagon-strebt-nach-globaler-milit%C3%A4risc her-%C3%9Cberlegenheit.html
(5) http://www.handelsblatt.com/politik/international/obama-abkehr-von-raketenschild-erzuernt-polen;2457990
(6) http://www.hintergrund.de/20090908489/politik/welt/baradei-h%C3%A4lt-angst-vor-iran-f%C3%BCr-%C3%BCb ertrieben.html
Bundesregierung gesteht heimliche Bespitzelung von Abgeordneten
(18.09.2009/nd/hg)
Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion bestätigt die „Sonderbehandlung“ der Partei Die Linke. Alle Abgeordneten der Fraktion werden vom deutschen Inlandsgeheimdienst ausgeforscht. Über keine andere Fraktion des 16. Deutschen Bundestages hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) so eine Sachakte angelegt. (1)
Wenn die Regierung den Verfassungsschutz gezielt auf Abgeordnete der Linken, deren Mitarbeiter sowie Beschäftigte in Wahlkreisbüros ansetze, missbrauche sie ihre Machtposition, empört sich die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke. Auch Rechtsexperten sehen die Unabhängigkeit von Abgeordneten und des Parlaments gefährdet.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Recherche liegen über 27 Abgeordnete in der Sachakte Informationen vor, die über die Angaben aus dem Amtlichen Handbuch des Bundestages hinausgehen. Von der Beobachtung sind ausnahmslos alle Abgeordneten der Linken betroffen sowie einzelne Mitarbeiter der Fraktion. Auch die Tätigkeit der Wahlkreisbüros könne „im Einzelfall“ vom Geheimdienst überwacht werden, heißt es in der Antwort.
Laut Regierung sei es dabei nicht ausgeschlossen, dass sich in der Sachakte des BfV im Einzelfall auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene Informationen befinden. Das kritisiert Ulla Jelpke: „Der Verfassungsschutz nutzt gegen Die Linke auch verdeckte Methoden und führt damit einen bislang undenkbaren Angriff auf das Parlament durch.“
„Bisher behauptete die Bundesregierung, es würden ausschließlich „öffentlich zugängliche Quellen“ genutzt, um die „Sachakte“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zu führen. Nun räumt die Bundesregierung ein: ‚Dies schließt jedoch nicht aus, dass sich in der Sachakte des BfV auch im Einzelfall mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene Informationen befinden.’ Diese könnten entweder ‚im Rahmen einer auf andere Beobachtungsobjekte abzielenden Informationsbeschaffung des BfV oder im Rahmen der Beobachtungstätigkeit der Länder angefallen’ sein“, erklärt die Linke in einer Presseerklärung.
Über die Erkenntnisse ebenjener Landesbehörden schweigt sich die Bundesregierung jedoch weiter aus. Wenn deutsche Geheimdienste Gespräche von Abgeordneten abhören oder ihre Briefe heimlich mitlesen, wird die Unabhängigkeit des Parlaments mit Füßen getreten.
Brisant ist überdies die Information, dass mehrere ausländische Geheimdienste „Fraktionen und Abgeordnete des Deutschen Bundestages beobachten“. Dies geschehe „mit offenen und verdeckten Maßnahmen.“ Es wäre spannend zu erfahren, ob hierunter auch angeblich „befreundete“ Dienste sind“. (2)
(1) http://www.neues-deutschland.de/artikel/155842.volksvertreter-un-heimlich-bespitzelt.html
(2) http://www.linksfraktion.de/pressemitteilung.php?artikel=1279739586
Afghanistan: Blutige Gefechte der Bundeswehr und gigantischer Wahlbetrug
(16.09.2009/dpa/tw)
Bei zwei Angriffen des afghanischen Widerstands auf die Bundeswehr sind am Mittwochmorgen in der Provinz Kundus acht deutsche Soldaten verletzt worden, davon einer schwer.
Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums hatte sich zunächst eine deutsche Patrouille ein etwa 40 Minuten langes Feuergefecht mit aufständischen „Taliban“ geliefert. Ein dabei schwer am Kopf verletzter deutscher Soldat wurde mit einem Hubschrauber nach Masar-i-Scharif verbracht.
Er soll zu einem noch unbekannten Zeitpunkt nach Deutschland ausgeflogen werden. Nur kurze Zeit nach diesem Gefecht habe es in derselben Region einen weiteren Schusswechsel gegeben. Luftunterstützung sei angefordert worden – scharf geschossen habe sie aber nicht. Die sieben leicht verletzten Soldaten bleiben nach derzeitigem Stand in Afghanistan, hieß es aus dem Verteidigungsministeriums.
Wie der Verwaltungschef des Distrikts Ali Abad, Habibullah Muhtaschim, mitteilte, wurden bei den Gefechten auch vier Aufständische getötet oder verletzt. Die Bundeswehr erklärte hingegen, es sei nicht bekannt, ob es zu Verlusten auf der Gegenseite gekommen sei. Erst am Dienstag war in Nordafghanistan ein Bombenanschlag auf deutsche Soldaten verübt worden, bei dem niemand zu Schaden kam
Ob es sich bei den Anschlägen um gezielte Vergeltungsaktionen für das von der Bundeswehr am 4. September befohlene Massaker an 69 mutmaßlichen Kämpfern und mindestens 30 Zivilisten handelt, (1) die sich in unmittelbarer Nähe von zwei entführten Tanklastwagen aufhielten, ist zur Stunde noch unklar.
Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums Thomas Raabe war jedenfalls bemüht, den Verbleib der Bundeswehr in dem von einer internationalen Streitmacht unter Führung der USA besetzten Land auch mit den jüngsten Schießereien zu rechtfertigen: „Dies alles zeigt, dass die Lage gefährlich und angespannt bleibt“, sagte er am Mittwoch.
Die deutschen Soldaten hätten es „als sehr wohltuend empfunden“, dass Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sich sofort hinter sie gestellt habe.
Trotz der immer heftiger werdenden Gefechte unter Beteiligung der Bundeswehr lehnte es Kanzlerin Angela Merkel in der Mittwochausgabe des Hamburger Abendblattes weiterhin ab, von einem Krieg in Afghanistan zu sprechen. „Wir sprechen mit gutem Grund von einem Kampfeinsatz der Bundeswehr, denn Krieg ist rechtlich eine Auseinandersetzung zwischen Staaten, und wir kämpfen nicht gegen Afghanistan, sondern unterstützen die gewählte Regierung“, sagte sie.
Um die Legitimität der amtierenden und vermutlich auch künftigen Präsidenten Hamid Karzai ist es freilich nach den Präsidentschaftswahlen schlecht bestellt.
EU-Wahlbeobachter haben in Afghanistan nämlich eine Wahlfälschung gigantischen Ausmaßes aufgedeckt. Demnach sind bei der Präsidentschaftswahl mehr als ein Viertel der Stimmen entweder nachweislich gefälscht worden oder stehen unter Verdacht, gefälscht worden zu sein.
Betroffen seien 1,5 Millionen der bislang veröffentlichten 5,5 Millionen Stimmen, sagte die stellvertretende Missionschefin Dimitra Ioannou am Mittwoch in Kabul. „Sie müssen alle überprüft werden.“
1,1 Millionen davon entfielen auf Amtsinhaber Hamid Karsai, 300.000 auf seinen wichtigsten Herausforderer, Ex-Außenminister Abdullah Abdullah. Nach bisheriger Auszählung hat der zunehmend in der Kritik stehende Präsident bereits im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreicht.
Der Chef der EU-Beobachter, Philippe Morillon, sagte: „Wir haben versucht, vor massivem Betrug abzuschrecken. Wir waren nicht erfolgreich.“
Die von den Vereinten Nationen unterstützte Beschwerdekommission (ECC) hatte am Dienstag angeordnet, die Stimmen in fast jedem zehnten Wahllokal müssten neu ausgezählt und überprüft werden. Betroffen sind die Stimmzettel aus 2516 der mehr als 26 000 Wahllokale. Der ECC liegen mehr als 2.000 Beschwerden vor.
Dessen ungeachtet teilte die Wahlkommission (IEC) am Mittwoch mit, Amtsinhaber Hamid Karsai habe nach dem vorläufigen Endergebnis die absolute Mehrheit erreicht. Er habe bei der Abstimmung vor knapp vier Wochen 54,6 Prozent der Stimmen gewonnen. Sein wichtigster Herausforderer Abdullah Abdullah komme auf 27,8 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung habe 38,7 Prozent gelegen.
(1) Die Zahlen stammen von einer offiziellen Untersuchungskommission der afghanischen Regierung. Die Ermittlungen von drei weiteren Unersuchungskommissionen der NATO der UNO und des Roten Kreuzes liegen noch nicht vor.
Polizei-Übergriff auf Demonstranten hat Nachspiel für das Opfer
(16.09.2009/dpa/fr/hg)
Das Video hatte sich rasant im Netz verbreitet, jetzt hat der Polizeieinsatz während der Berliner Demonstration "Freiheit statt Angst" am vergangenen Sonnabend ein Nachspiel. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch sollen im Innenausschuss des Berliner Senats am nächsten Montag Stellung nehmen, ob gegen Demonstranten am Wochenende unverhältnismäßig vorgegangen wurde.
In der Frankfurter Rundschau erhebt der Anwalt des verletzten 37-jährigen Demonstranten schwere Vorwürfe. Die Darstellung der Polizei sei falsch, sagte der Jurist Johannes Eisenberg. Er sprach von der Misshandlung seines Mandanten und befürchtet eine Verdunklungsgefahr durch die Polizei. Die Berliner Polizei wolle laut Eisenberg „ganz offensichtlich die Vorfälle verdunkeln, statt sie aufzuklären. Erste Beweise seien schon verschwunden. Zudem sei sein Mandant nach der Festnahme im Gefangenentransporter weiter misshandelt worden.“ (1)
Während die Beamten behaupten, der 37-Jährige habe die Polizisten gestört und einen Platzverweis erhalten. Dem sei er nicht gefolgt.
"Diese Darstellung ist falsch", szitiert die Frankfurter Rundschau Johannes Eisenberg, "hier werden die Schläger gerechtfertigt." Das zeige klar, dass die Polizei den Vorfall gar nicht aufklären wolle. "Egal was vorher passiert ist, dieser Gewalteinsatz war übertrieben."
Ganz anders die Version des betroffenen Demonstranten. Er hat gesehen, wie Polizisten eine Frau geschlagen hatten und wollte sich die Dienstnummern der Beamten notieren (in dem Video zu sehen). Der ebenfalls in dem Video deutlich zu erkennende Zettel mit den Notizen ist nun verschwunden, sagt Eisenberg.
Der Pressesprecher der Berliner Polizei bestätigt, dass man nichts über den Verbleib der Notiz wisse, dass aber danach gesucht werde.
Die prügelnden Beamten wurden nicht etwa – zumindest vorläufig – vom Dienst suspendiert, sondern „sind derzeit im Innendienst eingesetzt”, bestätigte Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch. Gegen das geprügelte Opfer wurde von der Polizei Strafanzeige wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte erstattet. Das Verhalten der Beamten entschuldigte Glietsch schon vor Abschluss der Untersuchungen mit dem Standard-Einwand: “Für die Beamten war es möglicherweise eine Stresssituation, wie sie in solchen Einsätze immer wieder entsteht.” (2)
(1) http://www.fr-online.de/top_news/?em_cnt=1949481&
(2) http://blogs.taz.de/ctrl/2009/09/15/freiheit_statt_angst_polizeipraesident_dieter_glietsch_ueber_die_polizeiattacke_am_sonnabend/
„Freiheit statt Angst“: Polizei prügelt Radfahrer krankenhausreif
(14.09.2009/dpa/tw)
Im Verlauf der friedlichen Demonstration von über 20 000 Menschen gegen den Ausbau des Überwachungsstaates, Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren kam es am Sonnabend (12.09.2009) in Berlin zu einem schweren Polizeiübergriff. Zu der Demonstration hatten Gewerkschaften, Parteien, Bürgerinitiativen, Menschenrechtsorganisationen und Berufsverbände aufgerufen.
Ein auf dem Internetportal „Youtube“ veröffentlichtes Video* zeigt nun, wie ein Radfahrer von einem Polizisten am Hemd gezogen und ins Gesicht geschlagen wird. Danach wird der Mann von mehreren Beamten zu Boden gezerrt und getreten. „Der 37-Jährige erlitt bei seiner Festnahme Verletzungen im Gesicht und kam zur Behandlung in ein Krankenhaus“, sagte ein Polizeisprecher gegenüber dpa.
Mitarbeiter des Landeskriminalamts würden nun wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt in den eigenen Reihen ermitteln und hätten eine Strafanzeige gestellt. Auf dem Video ist zu sehen, dass mindestens ein weiterer Teilnehmer während dieses Vorfalls leicht verletzt wurde und eine blutende Nase davon trug.
Die Polizei gab an, sich massiv von einem Mann gestört gefühlt zu haben, der in dem Video als Radfahrer zu erkennen ist. Ihm sei wiederholt ein Platzverweis erteilt worden, dem er aber nicht nachgekommen sei. Daraufhin hätten ihn die Beamten festgenommen.
Die Videobilder sind mit den Polizeiangaben allerdings nur schwer in Einklang zu bringen. Sie zeigen, wie der Mann von einem Polizisten gerade in dem Moment attackiert wird, als er sich von der Gruppe von Polizisten entfernt. Vorher hatte er sich Notizen gemacht.
Im Begleittext zum Video hieß es, der Radfahrer wollte Anzeige gegen einen Beamten erstatten, der zuvor einen Freund „unter unfreundlichen Umständen festgesetzt“ hatte. Ob der 37-Jährige Anzeige erstatten wollte, konnte der Polizeisprecher dpa am Sonntag noch nicht bestätigen.
Die IG Metall Jugend und ver.di Jugend bezeichneten das „brutale Vorgehen der Polizei als eine Schande für den demokratischen Rechtsstaat“. Sie verlangten die sofortige Einsetzung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses durch die Bundesregierung.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele stellte die Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes infrage. „Die Demo war absolut friedlich, wie es friedlicher nicht hätte sein können“, sagte Ströbele dem Kölner Stadt-Anzeiger in der Ausgabe vom Montag. Er selbst habe über mehrere Stunden den Demonstrationszug begleitet, „ohne dass es irgendeine Aggression gegeben hätte“.
Das Organisationsteam der Demonstration zeigte sich am Sonntag bestürzt über den Polizeiübergriff und fordert seine „lückenlose Aufklärung“. In seiner Pressemitteilung heißt es:
„Es gibt Erkenntnisse darüber, dass Polizisten auf die rechtmäßige und legitime Frage nach ihrer Dienstnummer mit Gewalt reagiert haben. Aus unserer Sicht ist es nicht hinnehmbar, dass der Staat uns Bürger immer mehr überwacht, aber nicht bereit ist, seine Organe transparent agieren zu lassen.
Es liegen uns auch weitere Hinweise und Informationen vor, über zumindest unverhältnismäßiges Vorgehen der Polizei. Diese werten wir derzeit aus.
Ebenso hat sich die Polizei vielfach nicht an die Absprachen mit uns als Organisatoren der Demonstration gehalten, insbesondere haben sie sich nicht an die Zusage gehalten, die Demonstranten nicht zu filmen. Ebenso ist es für uns nicht akzeptabel, dass entgegen der Absprache systematisch Teilnehmer der Demonstration durchsucht wurden.“(1)
(1) Quelle: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Pressemitteilung_13.9.
* Das Video ist auf der Hintergrund-Startseite (Mitte unten) zu sehen.
Magna will in Deutschland 4000 Stellen streichen
(14.09.2009/dpa/hg)
Die designierte neue Opel-Mutter Magna wird in Deutschland 4000 Stellen streichen. "Wir haben immer von 10.500 Stellen in Europa gesprochen, davon sind stark 4000 Stellen in Deutschland betroffen", sagte Magna-Chef Siegfried Wolf am Montag in Frankfurt. Diese Zahlen seien seit Ende Mai bekannt. Im Zuge der Übernahme solle nur ein Werk geschlossen werden, nämlich der Standort im belgischen Antwerpen.
Wolf rechnet in den kommenden ein bis zwei Wochen mit der Unterzeichnung des Vertrags. Der endgültige Abschluss des Geschäfts, der unter anderem noch die Zustimmung von EU-Gremien bedarf, könne bis Mitte oder Ende November erfolgen.
Der Magna-Chef warf dem Ländervertreter in der Opel-Treuhand Falschaussagen vor. Er wies Angaben des Treuhänders Dirk Pfeil zurück, wonach rund 600 Millionen Euro der deutschen Opel-Hilfen nach Russland fließen sollten: "Das ist unrichtig. Die 600 Millionen Euro Investitionsumfang werden vor allem aus dem operativen Cash-Flow aus Russland bezahlt."
Allerdings müsse NewOpel eine Unterstützung von 170 Millionen Euro nach Russland überweisen. Dies habe aber schon längst festgestanden. Wolf wehrte sich vehement gegen Medienberichte, die dem Zulieferer im Verhandlungspoker Lügen vorwarfen. "Magna lügt nicht, das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen."
Jean Ziegler unterstützt den Widerstand gegen den Westen
(10.09.2009/tw)
„Verdrängtes Bewusstsein wird Gedächtnis, wird historische Kraft“, so lautet die kurze und prägnante Formel, in die Jean Ziegler die revolutionären Prozesse in Lateinamerika fasst. Der ehemalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung war am 10. September 2009 nach Berlin gekommen, um sein neues Buch „Der Hass auf den Westen“ (1) im Haus der Pressekonferenz vorzustellen.
Schon der Titel der Streitschrift macht deutlich, dass es dem Autor darauf ankommt, die Gemüter aufzurütteln. Ziegler reiht sich aber nicht in die Phalanx all jener Autoren ein, die hierzulande die Angst vor den Anderen, den Völkern des Südens schüren. Denn er sieht den „vernunftgeleiteten Hass in den Ländern des Südens“ nicht nur als Bedrohung, sondern Chance für den sozialen Wandel. Dieser diene einer „neuen historischen Kraft“ in Lateinamerika als Motivationsressource, um das in der Kolonialzeit verwundete Gedächtnis zu überwinden, eine eigene gesellschaftliche Identität auszubilden und mit der „kannibalistischen Weltordnung des Westens“ zu brechen.
Hoffnung verbindet Ziegler vor allem mit lateinamerikanischen Staaten wie Venezuela und Bolivien. So habe Evo Morales, der erste indianische Präsident Boliviens, mit seiner Politik der Vergesellschaftung von Konzerneigentum und Großgrundbesitz innerhalb weniger Jahre in einem der ärmsten Staaten der Welt einen bemerkenswerten Fortschrittsprozess in Gang gesetzt: „Evo Morales macht aus Bolivien ein blühendes Land.“
In den westliche Medien würden solche Entwicklungen nicht genügend gewürdigt. Hier sei der gleiche Ethnozentrismus am Werke wie in der Politik: Die westlich-kapitalistische Herrschaftsstruktur werde als Universalkultur ausgegeben, um die weltweite Durchsetzung von Profitinteressen zu rechtfertigen. „Wenn der Westen redet, redet er immer im Namen der Menschheit.“
Der emeritierte Professor der Universität Genf und Berater des UNO-Menschenrechtsrats hat dagegen eine Botschaft, die den Interessen der militanten Verfechter der westlichen Vorherrschaft diametral entgegensteht: „Wir müssen die Widerstandsbewegungen unterstützen, die mit dem Westen brechen“, das ist die zentrale Botschaft mit der Jean Ziegler dieser Tage an die Öffentlichkeit tritt.
Unter „dem Westen“ versteht der Autor von streitbaren Bestsellern wie „Die Schweiz wäscht weißer“ und „Das Imperium der Schande“ das kapitalistische Weltsystem, wie es von Immanuel Wallerstein beschrieben worden ist.
„Die kannibalistische Weltordnung des Kapitalismus ist die Inkarnation des Westens“, so Jean Ziegler.
Vorgestellt wurde der Schweizer Soziologe von dem Vorsitzenden des Vorstands CARE Deutschland-Luxemburg und der CDU-Politikerin Rita Süßmuth, die Zieglers Buch ohne Abstriche als wichtigen Beitrag lobte, den Dialog des Westens mit den Ländern des Südens aufzunehmen. Diese kämen in dem Buch nämlich „als eine sprechende Seite, nicht als bloß als eine analysierte“ vor. Ein großer Teil der Entwicklungszusammenarbeit erfolge nach wie vor unter falschen Prämissen.
Zum Schluss ihres einleitenden Vortrags schlug die ehemalige Bundesministerin und Präsidentin des Deutschen Bundestags selbst scharfe Töne an und kritisierte die Politik der Bundesregierung. „Ich habe große Zweifel, dass wir über die Finanzkrise schon hinweg sind. Öffentliche Gelder werden schon wieder privatisiert.“ Süßmuth forderte die Politik dagegen auf, über „radikale Lösungsansätze“ nachzudenken.
(1) Jean Ziegler: Der Hass auf den Westen. Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren. München 2009
Genmanipulierter Leinsamen entdeckt
(10.09.2009/dpa/hg)
In vielen EU-Ländern ist höchstwahrscheinlich genmanipulierter Leinsamen verkauft worden. In Baden-Württemberg entdeckten Lebensmittelprüfer in zahlreichen Proben Spuren der verbotenen Lein-Saat. «Wir gehen davon aus, dass es sich nicht nur auf Deutschland beschränkt, sondern ganz Europa betroffen ist», sagte Landesagrarminister Peter Hauk (CDU) am Donnerstag in Stuttgart. Die Körner stammten vor allem aus Kanada. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die Länder auf, die Gen-Körner so schnell wie möglich aus dem Handel zu nehmen.
«Diese gentechnisch veränderten Leinsamen sind in Deutschland nicht zugelassen», sagte Aigner der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Deshalb müssen sie vom Markt genommen werden. Dafür gibt es klare rechtliche Regelungen, für deren Umsetzung die Bundesländer zuständig sind.» Die Länder sollten unverzüglich handeln. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit rief die Länder zu erhöhter Aufmerksamkeit im Rahmen der Kontrollen auf.
Die Experten im Südwesten hatten die Proben im Bäckereigroßhandel, im Einzelhandel und in Drogeriemärkten erhoben. Leinsamen ist in Lebensmitteln wie Backwaren oder Müsli enthalten. Aus Leinsamen wird auch Leinöl hergestellt, das als hochwertiges Speiseöl gilt. Beanstandet wurde Leinsamen aus Handel und Weiterverarbeitung. Wohin die Leinsamen bundesweit gelangten, ist noch offen.
Hauk will ein europaweites Importverbot für kanadischen Leinsamen erwirken. 16 von 41 Proben des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Freiburg enthielten die gentechnisch manipulierte Sorte «CDC Triffit». Nur 0,05 bis 1 Prozent der Saat bei den beanstandeten Proben stamme von der manipulierten Sorte. Ihr kommerzieller Anbau ist nach Angaben des Ministeriums auch in Kanada seit 2001 verboten. In Europa war die Sorte nie zugelassen worden. Alle beanstandeten Proben stammten aus konventionellem Anbau.
Der Verband Deutscher Großbäckereien in Düsseldorf bestätigte die Funde und zeigte sich empört. «Diese Leinsaat ist zwar gesundheitlich unbedenklich, gleichwohl stellt ihre Lieferung einen klaren Verstoß gegen die strikten Lieferbedingungen der Großbäckereien und gegen das geltende EU-Recht dar», sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Martell. Unter den Mitgliedern des Verbandes sei der Ärger groß, denn die Großbäckereien hätten sich verpflichtet, beim Backen keine gentechnisch veränderten Stoffe zu verwenden.
Für die FDP-Bundestagsfraktion ist die Sache kein Grund zur Sorge, sie warnte, Ängste zu schüren. Denn, so die FDP, die zuständige Behörde in Kanada habe die Unbedenklichkeit des Leinsamens für Ernährung und Anbau festgestellt. Linksfraktion und Grünen- Fraktion halten Gentechnik in der Landwirtschaft für unsicher. Die Gentechnik-Industrie sei nicht in der Lage, Verunreinigungen zu vermeiden, sagte Grünen-Verbraucherpolitikerin Ulrike Höfken. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert ein weltweites Anbauverbot von Gen-Pflanzen. Aigner hatte in diesem Jahr den Anbau von Genmais MON 810 des US-Konzerns Monsanto wegen unklarer Folgen für die Umwelt verboten.
Aktionstag der Friedensbewegung: Schluss mit dem Krieg! – Strafanzeige gegen Verteidigungsminister Jung
(09.09.2009/hg)
In einer Presseerklärung rufen Friedensorganisationen für den heutigen Mittwoch zu bundesweiten Aktionen auf. "Wer immer noch behauptet, dass es sich beim Bundeswehreinsatz in Afghanistan um einen ‘Stabilisierungseinsatz’ handelt, wer immer noch leugnet, dass sich Deutschland in Afghanistan in einem Krieg befindet, lügt sich in die eigene Tasche und belügt die Bevölkerung.
Die Eskalation der Gewalt im Krieg gegen Afghanistan wurde mit dem Bombardement bei Kundus erneut sichtbar. Für den Tod der 125 Menschen, darunter eine größere Anzahl Zivilpersonen, ist die Bundeswehr und die militärische Führung, also Verteidigungsminister Jung verantwortlich. Die Politikerreden, der NATO-Einsatz richte sich gegen Terroristen und sei für das Leben und Überleben der Menschen in Afghanistan notwendig und von den Menschen dort erwünscht, erweisen sich als Schwindel. Dass bei dem verheerenden Bombenangriff ausschließlich ‘Taliban’ getötet worden seien, glaubt außer dem Verteidigungsminister niemand. Franz Josef Jung ist zu einem Sicherheitsrisiko geworden – für die afghanische Bevölkerung und für die Bundeswehr. Der Minister muss sofort zurücktreten.
Die Lage in Afghanistan wird immer desolater und kritischer. Es gibt mehr Opfer in der Zivilbevölkerung als je zuvor. Die Inkaufnahme ziviler Opfer bei dem von der Bundeswehr am vergangenen Freitag angeforderten NATO-Luftangriff hat noch einmal vor Augen geführt, dass der Kriegseinsatz der Bundeswehr und der NATO gegen das Kriegsvölkerrecht verstößt und das Gegenteil von dem bewirkt, was die Politiker behaupten.
In diesem Jahr sind schon über 800 Zivilisten durch die NATO umgebracht worden. Krieg ist kein Mittel, den Afghanen Frieden, Demokratie und Menschenrechte zu bringen. Bomben und Granaten verursachen im Gegenteil immer neue Gewalt und weitere Zerstörung.
Die ausschließliche Konzentration auf zivile Hilfe, auf Entwicklungszusammenarbeit und Diplomatie eröffnet einen Ausweg aus der afghanischen Sackgasse. Der sofortige Abzug der Bundeswehr ist ohne Alternative.
Humanitäre Hilfsorganisationen wie caritas, Welthungerhilfe, medico, Kinderhilfe Afghanistan u.a. klagen seit Jahren darüber, dass die Verquickung von ziviler Hilfe und militärischem ‘Schutz’ die zivile Hilfe verunmöglicht. Der Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO) kritisiert schon länger, dass sich die humanitäre Hilfe ‘im Windschatten militärischer Interventionen’ einzuordnen hat. Der Verband fordert eine strikte Trennung von militärischen Aktionen und humanitärer Hilfe. Auch der Vorsitzende der Welthungerhilfe nannte vor wenigen Tagen die ‘zivil-militärische Zusammenarbeit’ einen ‘Sündenfall’ und forderte deren strikte Trennung.
Wenn es aber richtig ist, dass zivile Hilfe nur dort ankommt und wirklich hilft, wo kein Militär ist, dann ist es nur konsequent, wenn sich das Militär ganz aus Afghanistan verabschiedet. Dies entspricht im Übrigen dem eindeutigen Mehrheitswillen der Bevölkerung in Deutschland, wie zahlreiche Umfragen immer wieder bestätigten. Der Bundestag sollte – in Abkehr seiner bisherigen Politik – die Initiative ergreifen und sich endlich für ein Ende des Bundeswehreinsatzes einsetzen. Dies entspräche dem Willen der Bevölkerung." (1)
Angekündigt sind bisher folgende Protestaktionen oder Mahnwachen:
Berlin, Brandenburger Tor, 18 Uhr
Bonn, Friedensplatz, 17 Uhr
Bremen, Marktplatz, 17 Uhr
Frankenberg, Wettiner Kaserne, 16 Uhr
Frankfurt am Main, Katharinenkirche, Hauptwache, 18 Uhr
Hamburg, Ida-Ehre-Platz, Mönckebergstraße, ab 17.30 Uhr
Heilbronn, Kiliansplatz, ab 17.30 Uhr
Kassel, Opernplatz, 17 Uhr
Mainz, Leichhof, 16–20 Uhr
München, Odeonplatz, 17.30 Uhr
Oldenburg, Brunneneck (Ecke Achternstr./Langestr.), 15 Uhr
Strafanzeige beim Generalbundesanwalt
Der Hamburger Rechtsanwalt Armin Fiand hat Strafanzeige gegen Franz Josef Jung und den Kommandeur des deutschen Bundeswehrkontingents Georg Klein erstattet. Er wirft beiden ein Kriegsverbrechen im Sinne des § 11 VStGB (Völkerstrafgesetzbuch) vor.
Friand fordert in seiner Klage weiter, dass der Bundesanwalt sofort eigene Ermittlungen vor Ort in Afghanistan anstellen solle, da sonst wichtige Beweimittel beiseite geschafft oder "umfrisiert" würden. (2)
Quellen:
(1) Quelle der Presseerklärung: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/bewegung/afgh/09-09-baf.html
(2) aus der e-Mail an die Redaktion Hintergrund
Atomlager Gorleben: Schwarz-gelbe Bundesregierung Kohl „schönte“ wissenschaftliche Gutachten
(09.09.2009/dpa/hg)
Scheibchenweise kommt die Wahrheit ans Licht, werden die Fakten offenbar, die einem Kreis von Eingeweihten längst bekannt waren: Wann immer es möglich war, hat die Bundesregierung in den achtziger Jahren mit mehr oder weniger sanftem Druck die Hand jener Wissenschaftler geführt, die im Staatsauftrag die Eignung von Gorleben als Endlager- Standort für stark strahlenden Atomabfall beschreiben und bewerten sollten. Nicht alle haben diesem Druck nachgegeben, aber viel zu wenige haben sich widersetzt.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute, dass neue Dokumente belegen: die CDU/FDP Regierung unter Helmut Kohl hat im Jahr 1983 massiv Einfluss auf Wissenschaftler ausgeübt, die die Eignung von Gorleben als atomares Endlager prüfen sollten.
Nach einem der Süddeutschen vorliegenden Schriftverkehr drängten die Ministerien für Forschung und für Inneres unter den Ministern Heinz Riesenhuber (CDU) und Friedrich Zimmermann (CSU) die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zum Umschreiben eines maßgeblichen Gutachtens. Dies gehe aus einem Fernschreiben hervor, das das Forschungsministerium am 13. Mai 1983 an die Fachbehörde sandte.
Damals war ein wegweisender Bericht in der Schlussphase. Er sollte die Ergebnisse zu Gorleben zusammentragen und letztlich klären, ob der Salzstock auch unter Tage erkundet werden soll. Die PTB, Vorläuferin des Bundesamtes für Strahlenschutz, zeichnete für den Bericht verantwortlich. Die beiden Ministerien hätten über die Zukunft Gorlebens jedoch offenbar bereits entschieden, schreibt die Zeitung. Unter anderem sei die Gefahr, dass radioaktive Substanzen ins Grundwasser gelangen könnten, in dem Bericht heruntergespielt worden.
Damit gebe es erstmals einen Beleg für die Einflussnahme der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung auf die Vorbereitungen zu Gorleben, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Erst vor kurzem waren zwei Fassungen des Berichts aufgetaucht. Die frühere der beiden geht dabei deutlich kritischer mit Gorleben um als die spätere. Helmut Röthemeyer, damals Abteilungsleiter in der PTB, hatte schon im Frühjahr in einem Zeitungsinterview geklagt, die Behörde habe seinerzeit unter massivem Druck der Politik gestanden.
Exponierter Obama-Berater legt sein Amt nieder. Er hatte eine neue Untersuchung des 11. September gefordert.
(07.09.2009/dpa/rn)
Der Umweltberater von US-Präsident Barack Obama, Van Jones, ist nach massiver Kritik aus dem republikanischen Lager und einer gezielten Medienkampagne zurückgetreten. FoxNews hatte ihn als Antikapitalisten und Terroristenfreund beschimpft, der „unpatriotisch“ das Land in den Kommunismus führe.
Vor allem wegen seiner Unterschrift unter eine Petition im Jahr 2004 war Van Jones unter schweren Beschuss geraten. In der Petition des 9/11-Truth-Movement wird eine Untersuchung gefordert, die klären soll, ob die Regierung von Präsident George W. Bush alles getan habe, um die Terrorangriffe vom 11. September 2001 zu verhindern und ob sie möglicherweise eine Mitschuld trifft. Die öffentliche Kritik an dieser Unterschrift reichte aus, um Jones zum Einknicken zu bewegen. Er ruderte schleunigst zurück und entschuldigte sich: Er habe die Petition nicht aufmerksam durchgelesen.
Doch der verbale Beschuss ging weiter: Jones habe anstelle des derzeitigen neoliberalen Kapitalismus einen Kapitalismus mit „ökologisch-menschlichem“ Antlitz gefordert und – das hoben konservative US-amerikanische Medien immer wieder hervor – Jones sei in den neunziger Jahren Mitglied der Bürgerrechtsbewegung Standing Together to Organize a Revolutionary Movement gewesen.
In der Regierung Obama war es Jones Aufgabe, die Schaffung von Arbeitsplätzen in umweltfreundlichen Branchen vorzubereiten. In der US-amerikanischen Öffentlichkeit ist der Afroamerikaner Jones als engagierter Umweltberater Obamas sehr bekannt.
Jones begründete seinen Schritt mit einer „bösartigen Schmierenkampagne“ des politischen Gegners. Die Republikaner versuchten mit der Kritik an ihm lediglich, von wichtigen Reformvorhaben abzulenken, meinte Jones in einem Schreiben. „Sie setzen Lügen und Verzerrungen ein, um davon abzulenken und zu spalten.“
Anti-Atom-Demo in Berlin: Mehr als 50 000 Menschen protestierten vor dem Brandenburger Tor
(07.09.2009/dpa/hg)
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl forderten am vergangenen Samstag in Berlin über 50 000 Menschen den Ausstieg aus der Atomenergie. Sie waren in mehr als 100 Bussen und Sonderzügen aus ganz Deutschland angereist. Rund 400 Landwirte hatten sich mit Traktoren auf den Weg gemacht. Die Demonstration begann am Mittag am Hauptbahnhof, führte durchs Regierungsviertel und mündete am Brandenburger Tor in einer Großkundgebung.
Dort sprachen der Lüchow-Dannenberger Bauer Fritz Pothmer, der IG Metall-Gewerkschafter Ingo Hummel, BUND-Chef Hubert Weiger und die Berliner Pröpstin Friederike von Kirchbach zu den Demonstrierenden. Die zahlreich vertretenen Bundespolitiker von SPD und Grünen hatten dagegen Redeverbot. Die Bauern und Bürgerinitiativen wollten sich von der Politik nicht zu Wahlkampfzwecken missbrauchen lassen.
Überraschend groß war der Anteil junger Menschen im Demonstrationszug. Schüler- und Schülerinnen, junge Linke und Grüne, die Antifa, Gewerkschafter, Bauern und besorgte Bürger zogen fröhlich durch die Berliner Mitte. Großeltern hatten ihre Enkel mitgebracht – und umgekehrt.
Die martialisch ausgerüstete Polizei mit ihren Greiftrupps in Uniform und Zivil war als Drohkulisse am Straßenrand überpräsent, konnte die gute Stimmung unter den Demonstrierenden jedoch nicht trüben.
Zentrales Thema des gegenwärtigen Anti-Atomprotestes ist die von Unionspolitikern immer wieder angefachte Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke sowie die ungeklärte Frage der Endlagerung des strahlenden Mülls.
Der niedersächsische Salzstock Asse hat sich als ungeeignet erwiesen. Dort sind von 1967 bis 1978 schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert worden. Seit Jahren dringt Wasser ein. Die Fässer liegen kreuz und quer verschüttet. Inzwischen weiß man auch, dass dort dreimal so viel Plutonium lagert wie lange Zeit angenommen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will nun wieder prüfen lassen, ob Gorleben als Endlager in Frage kommt. Seit dem „Atomkonsens“ aus dem Jahr 2000 waren entsprechende Untersuchungen auf Eis gelegt worden. Bundesumweltminister Gabriel (SPD) bezeichnete den Standort Gorleben dagegen „tot für ein Endlager“. Er will in anderen Gebieten – etwa in Bayern und Baden-Württemberg – Alternativen für ein Endlager prüfen. Die dortigen unionsgeführten Landesregierungen lehnen das strikt ab.
Die Demonstrierenden in Berlin stehen all diesen Plänen fassungslos gegenüber. „Eigentlich sind die Trecker, mit denen wir heute hier sind, nicht zum Demonstrieren gebaut und werden auf den Höfen dringend gebraucht – gerade jetzt in der Kartoffelernte“, rief der 25 Jahre alte Landwirt Fritz Pothmer in sein Mikrofon. „Aber wir können nicht anders, der politische Irrsinn zwingt uns.“
"Wir lassen uns nicht für den Krieg instrumentalisieren" – Offener Brief von Psychotherapeuten, Psychologen und Ärzten an Verteidigungsminister Jung
(01.09.2009/ippnw)
Über 200 Ärzte, Psychologen und Psychotherapeuten haben sich anlässlich des morgigen (1. September 2009) Anti-Kriegstages in einem Offenen Brief an Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung gegen eine Instrumentalisierung für den Krieg in Afghanistan ausgesprochen. "Wir Ärzte und Psychotherapeuten lehnen die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan ab", heißt es in dem Schreiben. Der Krieg selbst sei bereits Ursache schwerer Traumatisierungen in der afghanischen Bevölkerung und nun auch zunehmend bei deutschen Soldaten im Kriegseinsatz. Die Politik erwecke den Eindruck, ein posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS) lasse sich per Psychotherapie dauerhaft beheben.
Die Forderung, Therapie ohne kritische Hinterfragung des politisch-militärischen Kontextes zu betreiben, sei darüber hinaus mit ihrem Verständnis von ärztlicher und psychotherapeutischer Arbeit nicht vereinbar. „Den Aufruf des Verteidigungsministeriums, uns an der Behandlung von traumatisierten Soldaten zu beteiligen und uns damit für die Kriegsführung der Bundesregierung instrumentalisieren zu lassen, weisen wir daher zurück“, betonen die UnterzeichnerInnen.
Hintergrund der Initiative der Ärzteorganisation IPPNW ist ein Aufruf im letzten Bundesmitgliederbrief der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung, in dem die Bundeswehr qualifizierte externe Psychotherapeuten zur Behandlung traumatisierter Soldaten sucht. Beigelegt ist ein Formblatt, in dem sich der Therapeut bereit erklären soll, kurzfristig einen Therapieplatz zur Verfügung zu stellen, nebst der Aufforderung, "den Aufgaben der Bundeswehr in ihren Auslandseinsätzen nicht ablehnend" gegenüberzustehen.
Presseerklärung des IPPNW – "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung" vom 31.08.2009
Bundesverteidigungsministerium gibt "erfolgreichen Abschuss einer Reihe von Terroristen" bekannt – General Ramms erwägt NATO-Abzug aus Afghanistan
(31.08.2009/rn)
In seiner aktuellen Ausgabe zitiert der Spiegel in einem Artikel unter dem Titel "Bedingt einsatzbereit in Afghanistan" aus einem internen Bericht der Bundeswehr: "Die prinzipiell sinnvolle Bewaffnung verkommt zu reiner Show, den Soldaten wird eine falsche Sicherheit vorgegaukelt."
Im Kreuzfeuer der Kritik steht danach das gepanzerte Patrouillenfahrzeug "Dingo", das aus seiner Bordkanone "nur in Fahrtrichtung" schießen kann, nicht aber auf Angriffe von der Seite oder von hinten reagieren.
Zu den Vorwürfen nahm heute (31.08.2009) auf der Bundespressekonferenz in Berlin der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Thomas Raabe, Stellung. Dem Vorwurf mangelnder Ausrüstung und Leistungsfähigkeit der Bundeswehr trat er entgegen: "Ich möchte einfach den Hinweis geben, dass wir seit Anfang des Jahres bereits eine ganze Reihe von Gefechten hatten und gerade der "Dingo" in diesen Gefechten sehr gut bestanden hat und wir auch nachweisen können, dass mit diesen Waffen eine ganze Reihe von Terroristen erschossen wurden."
Wie Raabe den Beweis antreten will, dass es sich bei den Getöteten um "Terroristen" handelte, wurde er von den anwesenden Medienvertretern nicht gefragt.
Ebenfalls in der neuen Ausgabe berichtet der Spiegel: "US-Diplomaten haben führenden CDU-Politikern bereits angekündigt, Obama warte mit Rücksicht auf Angela Merkel nur noch die Wahl am 27. September ab. Dann werde er fordern, dass auch die Deutschen mehr Kampftruppen an die Front schicken."
Derweil schwindet die Akzeptanz immer größerer Teile der afghanischen Bevölkerung für die Militäroperationen der NATO-Truppen. In einem Interview mit dem ARD-Hörfunkstudio Südasien erklärte der deutsche General Egon Ramms, Befehlshaber des NATO Allied Joint Force Command in Brunssum, dass ohne die Unterstützung der afghanischen Bevölkerung für das" internationale Engagement" in Afghanistan die NATO einen Abzug aus dem Land erwägen müsse. "Die Bedrohung liegt da, dass es den Taliban möglicherweise gelingt, uns die Bevölkerung zu entwinden", sagte er während einer Reise durch Afghanistan. "Wenn wir die Unterstützung der Bevölkerung nicht gewinnen, müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, ob wir das Land nicht verlassen müssen." (dpa, Interview am 31.08.2009)
Ganz anders bewertet Bundespräsident Horst Köhler die Situation. Bei einem Besuch des Gefechtsübungszentrums der Bundeswehr Letzlingen am vergangenen Freitag warb er für die deutsche Kriegsbeteiligung: "Wir alle, vor allem in der Politik, haben die Aufgabe, den Einsatz in Afghanistan zu erklären. Soldaten haben unser aller Anerkennung und Dank verdient".
Kranke als Goldesel: Ärzte kassieren Kopfgeld für Patienten
(31.08.2009/dpa/rn)
Deutschlands Ärzte haben eine neue Einkommensquelle entdeckt: Die Einweisung von Patienten ins Krankenhaus gegen "Zusatzhonorar". Faktisch ist das verboten, tatsächlich lässt eine juristische Grauzone solchen Praktiken Spielraum. (1)
Ärzte und Patientenvertreter haben davor gewarnt, dass immer mehr Mediziner Geld für die Einweisung von Patienten in Krankenhäuser nehmen. "Das sind nicht mehr nur Einzelfälle wie vor zwei oder drei Jahren", sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Rudolf Kösters, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Montag. Immer öfter setzten Ärzte – teils in Vereinen organisiert – Krankenhausleitungen unter Druck nach dem Motto: "Geld oder Patient."
Patienten, die von ihrem Arzt eine Empfehlung für die beste Klinik erwarten, wissen nicht, dass sie im wahrsten Sinne "verkauft" werden, und zwar an das Krankenhaus, das dem Arzt das meiste Geld dafür bietet. (2)
Standesorganisationen äußern juristische und ethische Bedenken, sehen aber keine Möglichkeit, wirksam dagegen vorzugehen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, sieht den Grund für solche Zahlungen in der fortschreitenden Kommerzialisierung der Medizin. "Da halten die Ehrenkodexe nicht mehr", zitiert die FAZ.
"Dass niedergelassene Ärzte von Krankenhäusern Prämien für die Einweisung von Patienten erhalten, und das offenbar im großen Stil, ist ein unfassbarer Skandal", sagte der Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Auf diese Praxis machte die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) aufmerksam. Vor allem in Ballungsräumen sei die Konkurrenz unter den Kliniken groß. Die Häuser versuchten zunehmend, Ärzte für Patienten mit bestimmten Diagnosen zu bezahlen.
Doch die umstrittene Prämienpraxis betrifft nicht nur Urologen oder Orthopäden, sie geht offenbar quer durch alle Fächer.
Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe sagt, Geld für eine Einweisung zu nehmen, sei "total verboten". Die Musterberufsordnung für Ärzte untersagt, "für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren". Angesichts der vom Gesetzgeber verlangten und geförderten Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor scheint die Regel nicht so klar zu sein, wie sie klingt. Es gebe "zahlreiche juristisch abgeklopfte Konstrukte, Kooperationen zwischen Zuweisern und Kliniken so zu gestalten, dass eine pauschale Zahlung gerechtfertigt und legal erscheint", zitiert die FAZ Oliver Hakenberg, den Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik Rostock.
Die Geldforderungen sollen dabei oft mit Leistungen kaschiert werden. Je Patient könnten dem Blatt zufolge Hunderte von Euro anfallen.
(1) Süddeutsche Zeitung 30.08.2009
(2) Frankfurter Allgemeine Zeitung 31.08.2009
Oskar Lafontaine: „Ackermann ist der deutsche Bundeskanzler“
(27.09.2009/dpa/hg)
Falls die Partei Die Linke bei der Landtagswahl in Thüringen am kommenden Sonntag , den 30. August, gemeinsam mit der SPD eine Mehrheit erringt und dabei das bessere Ergebnis erzielt, beansprucht sie den Posten des Ministerpräsidenten.
Das betonten die Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi und Oskar Lafontaine am Donnerstag in Berlin auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz zur aktuellen Lage
„Wenn wir stärker sind als der Koalitionspartner stellen wir den Ministerpräsidenten“, sagte Gysi im Haus der Bundespressekonferenz: „Auch dann, wenn die Linke nur eine Stimme mehr bekommt als die SPD.“ Spitzenkandidat der Linken in Thüringen ist Bodo Ramelow.
Zuvor hatte sein SPD-Konkurrent Christoph Matschie einer Juniorpartnerschaft mit der laut Umfragen stärkeren Linken nach der Wahl mehrfach eine rigorose Absage erteilt. „Es wird mit Stimmen der SPD keinen Linke-Ministerpräsidenten in Thüringen geben.“, sagte er MDR INFO (17.08.2009)
Im Zentrum der Pressekonferenz stand der Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise. Insbesondere Lafontaine erhob schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Die von ihr vorgelegten Gesetzesentwürfe seien „völlig unzureichend“. Die Deregulierungen der vergangenen Jahre müssten zurückgenommen werden. Er nannte in diesem Zusammenhang die Hedgefonds-Zulassung und das Austrocknen der Steueroasen.
Bislang sei aber keine einzige nachhaltige Regelung zur Bekämpfung der Krisenursachen und zur Regulierung des Finanzsektors umgesetzt worden:.„Bei uns bestimmen die Banken wie die Steuergelder eingesetzt werden, um die Bankenkrise zu überwinden. Überspitzt gesagt: Die Richtlinien der Politik hat letztlich Herr Ackermann festgelegt.“
Es sei daher „kein Zufall“, dass der Deutsche-Bank-Chef ins Kanzleramt zum Abendessen eingeladen worden sei. „Ackermann ist der deutsche Bundeskanzler.“
Die Journalisten forderte Lafontaine auf, darüber zu berichten, welche Forderungen der Linken heute selbst von „Säulenheiligen“ des Neoliberalismus, etwa dem Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn vertreten werden: „Die Wirtschaftsweisen übernehmen unsere Vorschläge. Also müsstet Ihr doch sagen: So schlecht können die doch nicht sein – die Wirtschaftsweisen.“
Als die drei zentralen sozialpolitischen Forderungen der Linken nannte Lafontaine die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, die Veränderung von Hartz-IV durch die Erhöhung des Schonvermögens und die Einführung eines Mindestlohns von 10 Euro.
Gregor Gysi sagte, er habe den Eindruck, dass die Bundesregierung eine Entscheidung bei Opel bis nach der Bundestagswahl hinauszögern wolle, um danach den Autobauer in die Insolvenz gehen zu lassen. Er könne verstehen, dass der Betriebsrat nervös werde. Er warf der Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, an der jetzigen Situation der GM-Tochter eine Mitschuld zu haben.
Im Hinblick auf die Bundestagswahl im September bezeichnete Gysi das Ergebnis der Linken als das einzige, von dem eine gesellschaftspolitische Veränderung ausgehen könne. Alle anderen Parteien stimmten in den wesentlichen Punkten überein und hätten sich zu einer Konsenssoße verbunden. Am Ergebnis der Linken würden sich daher alle anderen orientieren.
In Richtung Sozialdemokratie sagte er: „Die SPD muss eins auf die Mütze kriegen, damit sie sich verändert, damit sie sich wieder sozialdemokratisiert.“
Begleitgesetz zum Lissabonner Vertrag wird gegen demokratische Einwände durchgeboxt
(26.08.2009/dpa/hg)
In einer Sondersitzung des Parlaments zeichnete sich am Mittwoch eine breite Mehrheit für die neuen Begleitgesetze zum EU-Reformvertrag von Lissabon ab. Mit Ausnahme der Linkspartei, die einen eigenen Gesetzesentwurf vorlegt, tragen alle Fraktionen die Gesetzespläne mit.
Die Karlsruher Richter hatten in ihrem Urteil vom 30. Juni 2009 enge Grenzen für eine Ausweitung der EU-Kompetenzen gezogen. Zwar bestünden zum EU-Vertrag keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, doch wurde das EU-Begleitgesetz insoweit für verfassungswidrig erklärt, als die Beteiligungsrechte des Bundestages und des Bundesrates nicht ausreichend sind.
Dem soll der vorliegenden Entwurf Rechnung tragen. Die CSU drängt zusätzlich auf einen Entschließungsantrag, der nicht nur die gesetzlichen Vorgaben, sondern auch die Urteilsbegründung des Verfassungsgerichts zur Richtschnur der EU-Politik erklärt.
Der Bundestagspräsident soll gegenüber dem Präsidenten des Europa-Parlaments erklären, dass für Deutschland der Lissabon-Vertrag nur nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gilt. 15 von 27 EU-Ländern hätten bereits zusätzliche Stellungnahmen zum Vertrag gegenüber der EU abgegeben, erklärte der CSU-Abgeordnete Hartmut Koschyk in der Debatte.
Die SPD hält nichts von diesem Vorstoß ihres Koalitionspartners. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann warf der CSU vor, mit einer weiteren Festlegung den deutschen Handlungsspielraum in der EU einzuschränken. „Wir haben alle Versuche aus Bayern abgewehrt, mit imperativen Mandaten die Bundesregierung bei der Verhandlungsführung in Brüssel zu knebeln“, sagte Oppermann.
EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) hatte die CDU/CSU unmittelbar vor der Bundestagsdebatte vor einer Verschärfung des Gesetzentwurfs gewarnt. „Jetzt noch draufzusatteln wäre gefährlich. Der Abschluss der Ratifikation darf nicht gefährdet werden“, wird Verheugen in einer AFP-Meldung (26.08.2009) zitiert.
Die Kritik an Demokratiedefiziten des Lissabonner Vertrags ist in den Augen der SPD eine extreme Position.
Nachdem die CSU für die Expertenanhörung des Bundestages den Freiburger Völkerrechtler Dietrich Murswiek nominiert hatte, äußerte SPD-Europa-Experte Axel Schäfer gegenüber dem Trierischen Volksfreund (25.08.2009): „Die CSU macht sich mit dieser Nominierung Gauweilers extreme Position zu eigen“.
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi erinnerte dagegen in der Bundestagsdebatte daran, dass die Stärkung der Parlamentsrechte der Linken zu verdanken sei, die das Gericht angerufen hatte. Zugleich bekräftigte er die Forderung nach einer Volksabstimmung über den EU-Vertrag auch in Deutschland.
Die Begleitgesetze sollen am 8. September im Bundestag und am 18. September im Bundesrat endgültig verabschiedet werden, um die Abstimmung der Iren über den Lissabonner Vertrag noch im Sinne der Vertragsbefürworter zu beeinflussen.
Chomsky lobt Chávez und kritisiert US-Militärbasen in Kolumbien
(26.08.2009/tw)
Der US-amerikanische Linguist und politische Publizist Noam Chomsky (80) hat sich am Montag in der venezolanischen Hauptstadt Caracas für den sozialistischen Reformkurs der Regierung Hugo Chávez ausgesprochen.
Beim Empfang im Präsidentenpalast Miraflores lobte Chomsky seinen Gastgeber Hugo Chávez als einen Staatschef, der „eine andere Welt“ schaffen wolle, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. „Das Bewegende ist zu sehen, wie Venezuela gerade diese mögliche Welt schafft, und den Mann zu sehen, der diesen Wandel inspiriert hat“.
Chávez wiederum hob hervor, dass Chomsky einen bedeutenden Beitrag gegen die Hegemonialpolitik der USA geliefert habe: „Bei uns sind seine Thesen anerkannt“, zitiert amerika21.den Präsidenten Venezuelas.
Chomsky gilt als der einflussreichste Sprachwissenschaftler der Gegenwart.(1) Seit dem Vietnamkrieg ist er als scharfer Kritiker der US-amerikanischen Außen- und Wirtschaftspolitik weltweit bekannt.
Nachdem Chávez in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 20. September 2006 seinen Zuhörern eines von Chomskys Büchern zur Lektüre empfohlen hatte, wurde dieses in den USA zum Bestseller. (2)
Während seines Besuchs in Venezuela äußerte Chomsky scharfe Kritik an der Südamerika-Politik der US-Regierung. Das Abkommen zwischen den USA und Kolumbien über sieben US-Militärbasen auf kolumbianischen Boden gefährde den Frieden in der ganzen Region.
Auf dem kommenden Gipfeltreffen der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) müsse daher eine „unmissverständliche Stellungnahme gegen die Einrichtung der US-Militärbasen“ in Kolumbien verabschiedet werden.
(1) Chomsky ist Professor für Linguistik am Massachusetts Institut of Technology (MIT).
(2) deutscher Titel: Hybris – Die endgültige Sicherung der globalen Vormachtstellung der USA, Hamburg 2003
Nato im Bilde: „Arctic Sea“ war nie verschollen. Umstände bleiben mysteriös
(24.08.2009/tw)
Die NATO war an der Suche nach dem finnischen Holzfrachter „Arctic Sea“ maßgeblich beteiligt, heißt es in verschiedenen Presseberichten vom vergangenen Wochenende.
Entgegen offiziellen Verlautbarungen sei das Schiff „nie wirklich verschollen“ gewesen, gab die Süddeutsche Zeitung bereits am Samstag bekannt. Die NATO habe seinen Weg durch den Ärmelkanal, durch die Biskaya und vor der portugiesischen Küste stets verfolgt.
Am Montag vergangener Woche hatte Russland zunächst die Befreiung der 15köpfigen russischen Besatzung des Frachters „Arctic Sea“ bekannt gegeben. Erst einen Tag später hieß es, dabei seien acht mutmaßliche Piraten gefasst worden, die eine Millionen Euro Lösegeld hätten erpressen wollen.
Die russischen Seeleute werden derzeit vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB im früheren KGB-Gefängnis Lefortowo in Moskau verhört. Angehörige der Seeleute beklagen, dass sie bis heute keinen Kontakt zu ihren Verwandten hätten.
Mittlerweile hat der russische NATO-Botschafter Dmitrij Rogosin Spiegel-online (23.08.2009) bestätigt, dass er NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am 11. August über die Suche nach der „Arctic Sea“ informiert habe. Bereits am nächsten Tag bekam Russland vom westlichen Bündnis die Koordinaten des Aufenthaltsortes, die danach täglich präzisiert wurden.
Auch die EU-Kommission war informiert. „Wenn wir nichts gesagt haben, dann heißt das nicht, dass wir nichts wussten“, gibt das Nachrichtenmagazin eine Aussage des EU-Kommissionssprechers Martin Selmayr wieder.
Im Lichte dieser neuen Informationen erscheint der Fall mysteriöser denn je. Keines der mittlerweile kursierenden Gerüchte ist bisher bestätigt oder widerlegt worden. Weder dass die „Arctic Sea“ Drogen oder Waffen an Bord hatte, noch dass es sich bei den Festgenommenen um Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad handele, die den Schmuggel sowjetischer Marschflugkörper an den Iran aufdecken wollten.
Die mutmaßlichen Piraten selbst bezeichnen sich als friedliche Umweltschützer, „die in Seenot geraten waren“, heißt es auf Spiegel-online.
Rätselhaft ist vor allem, welches Interesse die Geheimdienste an dem Fall des vorgeblich verschwundenen Frachters hatten und warum diese einvernehmlich die Legende aufrecht erhielten, dass der Frachter verschollen sei.
Mit dem Fall „Arctic Sea“ seien Geheimdienste aus 20 Ländern beschäftigt gewesen, hatte EU-Kommissionssprecher Selmayr Spiegel-online mitgeteilt.
Israels skandinavischer Rundumschlag: Vorwürfe gegen Norwegen. Schwedische Journalisten dürfen nicht nach Gaza
(24.08.2009/tw)
Inmitten der sich weiter zuspitzenden Krise zwischen Israel und Schweden hat der israelische Außenminister Avigdor Lieberman nun auch gegen Norwegen implizite Antisemitismus-Vorwürfe erhoben.
Er sei erstaunt über die Entscheidung der norwegischen Regierung, den 150. Geburtstag des Schriftstellers Knut Hamsun (1859 – 1952) zu feiern, erklärte der ultrarechte Politiker am Sonntag vor Studierenden im Ariel University Center (1) einem Bericht der israelischen Tageszeitung Haaretz zufolge (2). Der norwegische Literaturnobelpreisträger des Jahres 1920 war ein bekennender Anhänger des Nazi-Regimes.(3)
Er verstünde nun auch das Verhalten der norwegischen Delegation auf dem Genfer Antirassismus-Gipfel der UNO im April (Durban-2-Konferenz), sagte Lieberman.
Während der israelkritischen Rede des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad hatten Delegierte westlicher Staaten aus Protest den Saal verlassen. Die Vertreter Norwegens schlossen sich dem nicht an. „Heute verstehe ich, dass das kein Zufall gewesen ist. Wie tief können Sie noch sinken“, wird Liebermans verbale Attacke auf die norwegische Regierung im österreichischen Kurier (24.08.2009) zitiert.
Am gleichen Tag war ein anderer skandinavischer Staat zum Ziel israelischer Vorwürfe geworden.
Ebenfalls am Sonntag hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die schwedische Regierung aufgefordert, einen israelkritischen Bericht der Zeitung „Aftonbladet“ zu verurteilen.
Der Artikel gab Anschuldigungen von Palästinensern wieder, ihren getöteten Verwandten seien im Jahr 1992 von israelischen Soldaten Organe entfernt worden.
Schwedens Ministerpräsident Frederik Reinfeldt wies die israelische Forderung mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit zurück.
Unterstützung findet seine Haltung bei der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Stockholm, Lena Posner: Bis zu den wütenden Reaktionen Israels habe der im Kulturteil des Blattes „versteckte“ Artikel „kein Aufsehen“ erregt, sagte Posner laut Süddeutsche Zeitung (24.08.2009).
Unterdessen kündigte das israelische Innenministerium an, die Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung des für den Artikel verantwortlichen Reporters für Israel einzufrieren. Zwei Reportern von „Aftonbladet“ wurde vom Regierungspressamt die Einreise in den Gaza-Streifen verweigert, berichtete das Blatt weiter.
Besondere Brisanz erhalten die wachsenden Spannungen zwischen Israel und Schweden nicht zuletzt dadurch, dass sie sich im Vorfeld einer für September geplanten Israel-Visite von Schwedens Außenminister Carl Bildts abspielen.
Möglicherweise handelt es sich um einen Versuch der israelischen Seite, die Agenda des anstehenden Besuchs in einem der rechtsgerichteten Regierung genehmen Sinne zu beeinflussen. Statt der von Helsinki kritisierten Siedlungspolitik oder der Lage in Gaza könnte die schwedische Haltung zum Aftonbladet-Artikel zum wichtigsten Tagesordnungspunkt werden.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Nach eigenen Angaben handelt es sich bei der Hochschule um eine dezidiert zionistische Institution. Vgl. http://www.ariel.ac.il/site/portals/english/
(2) Quelle: http://www.haaretz.com/hasen/spages/1109501.html
(3) In einem Nachruf auf Adolf Hitler pries er den Nazi-Führer einen „Kämpfer für die Menschheit“ und einen „Verkünder der Botschaft vom Recht für alle Nationen.“
Blackwater involviert in Mordprogramm der CIA
(21.08.2009/tw)
Im Jahr 2004 beschäftigte die CIA Söldner der privaten Sicherheitsfirma Blackwater (seit Februar 2009 ist Blackwater umbenannt in „Xe Services LLC“) in einem Geheimprogramm, das Terrorverdächtige gezielt aufspüren sollte und zu ermorden beabsichtigte, berichtete die New York Times am 20. August 2009. (1)
Die Verträge wurden nicht mit der Firma selbst, sondern mit einigen ihrer hochrangigen Mitarbeiter abgeschlossen, darunter auch der erst kürzlich des Mordes und der Kinderprostitution beschuldigte Blackwater-Gründer Erik D. Prince. (2)
Ob die Blackwater-Mitarbeiter eigenhändig Mordaktionen ausüben sollten oder ein entsprechendes Trainingsprogramm leiteten, ist laut NYT bis heute noch unklar.
Die Verbindungen zwischen dem Geheimdienst und dem Privatunternehmen sind jedenfalls ausgesprochen eng. Immer wieder soll Blackwater in den vergangen Jahren ehemalige hochrangige CIA-Mitarbeiter in seinen Reihen beschäftigt haben. Umgekehrt nutzt die CIA den Trainingskomplex der Sicherheitsfirma in North Carolina.
Blackwater war in den vergangen Jahren im Zusammenhang mit der Ermordung von Zivilisten in die Schlagzeilen geraten. Im September 2007 töteten bewaffnete Mitarbeiter der Firma 17 Zivilisten mitten im Zentrum von Bagdad. Erst in der vergangenen Woche berichtete die Los Angeles Times von einem Vorfall in Kabul, bei dem Passanten auf offener Straße von Blackwater-Bediensteten erschossen worden sind. (3)
Bisher noch unklar ist, ob Blackwater-Mitarbeiter in ein weiteres Killerkommando verwickelt sind, das der US-Journalist Seymour Hersh am 10. März 2009 enthüllt hat. Der Pulitzer-Preisträger berichtete auf einer öffentlichen Veranstaltung von der Bildung der Spezialeinheit Joint Special Operations Command (JSOC). Die Truppe war unter Präsident George W. Bush und Vizepräsident Richard Cheney gegründet worden, um im Ausland Auftragsmorde und Hinrichtungen durchzuführen. (4)
Quellen:
(1) http://topics.nytimes.com/topics/news/business/companies/blackwater_usa/index.html
(2) http://www.hintergrund.de/20090811460/globales/kriege/backwater-firmenchef -erik-prince-in-morde-und-kinderprostitution-verwickelt.html
(3) http://www.latimes.com/news/nationworld/world/la-fg-afghan-contractors13-2009aug13,0,4756623.story
(4 http://www.hintergrund.de/20090814467/globales/kriege/cheneys-killertruppe- und-das-gro%C3%9Fe-schweigen.html
CIA-Folter: FDP verhindert neuen BND-Untersuchungsausschuss
(21.08.2009/tw)
Vorerst wird es keinen neuen Untersuchungsausschuss zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der Bundesregierung im sogenannten "Krieg gegen den Terror" geben.
Die FDP-Fraktion hat einen entsprechenden Vorstoß der Grünen und der Fraktion Die Linke am Donnerstag abgelehnt, meldete dpa. Damit die notwendige Stimmenzahl für einen neuen Untersuchungsausschuss zustande käme, müsste die Opposition aber geschlossen dafür votieren.
Anlass waren jüngste Enthüllungen der New York Times, nachdem das weltweite CIA-Netzwerk der Foltergefängnisse von Frankfurt am Main aus geplant und organisiert wurde. (1)
Die Zeitung bestätigte damit entsprechende Erkenntnisse und Mutmaßungen des ehemaligen EU-Sonderermittlers Dick Marty. (2)
Der von den Fraktionen der Linken und der Grünen geforderte Untersuchungsausschuss soll herausfinden, ob die Bundesregierung von der Koordination des Foltersystems in Frankfurt durch die CIA wusste und warum sie nichts dagegen unternommen hat.
Dem im April 2006 eingesetzten alten BND-Untersuchungsausschuss hatte die Bundesregierung grundgesetzwidrig wichtige Unterlagen über die Mitwirkung des deutschen Auslandsgeheimdienstes am US-Krieg gegen den Irak 2003 vorenthalten, so ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.Juni 2009.
Nachdem der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele die FDP-Fraktion aufgefordert hatte, die Einsetzung eines neuen BND-Untersuchungsausschusses zu unterstützen, stellt sich der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, quer. „Die Neueinsetzung eines Untersuchungsausschusses kostet den Steuerzahler nur Geld“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Für den Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele ist das „überhaupt nicht nachvollziehbar.“
“Wer wie die FDP erst eine Fortsetzung des alten BND-Untersuchungsausschusses fordert und nun einen neuen plötzlich nicht mehr für notwendig hält, macht sich unglaubwürdig.“, kommentierte die 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Die Linke, Dagmar Enkelmann, die ablehnende Haltung der FDP-Fraktion in einer Pressemitteilung vom 20.08.2009. Der „Aufklärungswillen bei den Freidemokraten“ sei „von imaginären Regierungsträumen vernebelt", so Enkelmann weiter.
Quellen:
(1) Vgl. http://www.hintergrund.de/20090818469/politik/inland/enth%C3%BCllungen-%C 3%BCber-cia-folterzentrale-in-frankfurt-a.-m.html
(2) Der Bericht von Dick Marty: http://assembly.coe.int/CommitteeDocs/2006/20060606_Ejdoc162006PartII-FINAL.pdf
Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag soll durchgepeitscht werden
(19.08.2009/tw)
Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von CDU, CSU, SPD und der Bundesländer ist offensichtlich nicht gewillt, die Mitspracherechte für Bundestag und Bundesrat in EU-Fragen in einem nennenswerten Umfang zu stärken, wie es das Verfassungsgericht will.
Allem Anschein nach soll das Gesetz so schnell als möglich verabschiedet werden, um das Referendum in Irland am 2. Oktober 2009 über den Vertrag von Lissabon im Sinne der Vertragsbefürworter beeinflussen zu können.
Die Linke und mehrere andere Kläger wie der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler hatten wegen eklatanter Demokratiedefizite beim höchsten deutschen Gericht Beschwerde gegen den Lissabon-Vertrag eingelegt.
Die Karlsruher Richter billigten den Vertrag in ihrem Urteil vom 30. Juni 2009 zwar grundsätzlich, forderten aber eine deutliche Verbesserung der demokratischen Partizipation des Bundestages und der Länderkammer auf dem Gesetzeswege.
Von einer Stärkung der Rechte des Parlaments ist in dem nun vereinbarten Gesetzesentwurf freilich nicht mehr viel zu sehen.
Weder verbindliche Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten noch Volksabstimmungen in „Zukunftsfragen Europas" sind in dem Entwurf vorgesehen.
Verzichtet wurde desgleichen auf eine von der CSU gewünschte Klarstellung, dass der Lissabon-Vertrag nur im Einklang mit der Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht Anwendung für Deutschland finden kann.
Auch der Parlamentsvorbehalt bei Militäreinsätzen der EU fand keinen Eingang in die Vereinbarung.
Die CSU habe sich mit keiner ihrer Forderungen durchgesetzt, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag den SPD-Verhandlungsführer Thomas Oppermann. Sie waren schon am Montag nicht mehr Gegenstand der Verhandlungen, berichtete die Süddeutsche Zeitung (17.08.2009).
Der Wissenschaftliche Beirat des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac kritisierte das Gesetzgebungsverfahren als „undemokratisch und intransparent“.
Erforderlich sei „eine öffentliche Diskussion, die sich nicht auf das Abnicken von Gesetzesvorlagen der Bundesregierung durch die Mitglieder des Bundestages beschränkt“, heißt es in in einer von der Saarbrücker Online Zeitung (SOZ) am Montag dokumentierten Erklärung.
Das aber liegt offensichtlich nicht im Interesse der Vertragsbefürworter in CDU/CSU, SPD, FDP und bei den Grünen.
Einzig die Fraktion Die Linke kündigte Widerstand an gegen das Vorhaben dieser ganz großen Koalition. „Die Bundesregierung muss nachbessern, sonst riskiert sie erneute Verfassungsklagen“, erklärte der europapolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Diether Dehm, am Dienstag. Seine Partei behalte sich einen erneuten Gang nach Karlsruhe vor und denke darüber nach, einen eigenen Gesetzesentwurf einzubringen.
Der Bundestag soll am 26. August in erster sowie am 8. September in zweiter und dritter Lesung über das Gesetz entscheiden, der Bundesrat am 18. September.
Damit könnte das Gesetz zum 1. Oktober in Kraft treten. Das ist genau einen Tag vor dem irischen Referendum.
Neues vom HRE-Untersuchungsausschuss: Jörg Asmussen und Jochen Sanio in Bedrängnis
(19.08.2009/tw)
Staatssekretär Jörg Asmussen muss vor dem HRE-Untersuchungsausschuss aussagen. Er soll den Gläubigerbanken des maroden Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) Milliarden von Euro zugeschoben haben.
Er bereitete die Zulassung von Hedgefonds in Deutschland vor und half, die Verhaltensregeln für Banken, Investmentfonds und Beteiligungsgesellschaften zu lockern.
Die Vertreter von FDP, Grünen und Linken im Untersuchungsausschuss kritisieren, dass ausgerechnet ein Beamter, der die Zulassung von Zockerpapieren mit betrieben habe, heute der oberste Krisenmanager der Republik sei.
Asmussen hat die Gesetze mit erarbeitet, die Entscheidungen aber trafen Angela Merkel, Peer Steinbrück und Hans Eichel, meint die Süddeutsche Zeitung (19.08.2009).
Assmussen hat eine Blitzkarriere hingelegt. In nur zwölf Jahren ist er im Bundesfinanzministerium vom Referenten zum Staatssekretär aufgestiegen.
Dabei hat er seit Jahren Ämter ausgeübt, die fast notwendig Interessenkonflikte implizieren.
So war Asmussen als Ministerialdirektor Chef der Abteilung “Nationale und Internationale Finanz- und Währungspolitik” im Bundesfinanzministerium und fungierte zur gleichen Zeit als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats der BaFin, also jener Aufsichtsbehörde, die in Deutschland die Banken beobachtet und prüft.
Im Zusammenhang mit der der IKB-Pleite stand schon im Jahr 2007 in Frage, ob Asmussen seinem Dienstherrn Peer Steinbrück über riskante Spekulationen der IKB auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt berichtet hat.
Auch der Chef der deutschen Bankenaufsicht, Jochen Sanjo, gerät vor dem HRE-Untersuchungsausschuss in Bedrängnis.
Bislang hatte er steif und fest behauptet, die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers sei von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und der Bundesbank nicht vorhersehbar gewesen.
Nun liegen dem manager-magazin.de (18.08.2009) Informationen vor, die besagen, dass sich Bundesbank und Finanzaufsicht bereits im März 2008 bei der Hypo Real Estate (HRE) erkundigt haben, wie viel Kapital die mittlerweile verstaatlichte Bank im Falle einer Pleite der US-Investmenbank Lehman-Brothers verlieren würde.
"Mit der Pleite einer US-Investmentbank musste gerechnet werden und wurde zumindest aufseiten der Bundesbank auch gerechnet", sagte Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag und Mitglied im HRE-Untersuchungsausschuss.
Jochen Sanio scheint zu jener Sorte von Verantwortungsträgern zu gehören, die im Ernstfall lieber den Kopf in den Sand stecken, als Nachforschungen anzustellen oder gar die Öffentlichkeit zu informieren.
Schon ganz zu Beginn der Bankenkrise hat er sich gescheut, durch die BaFIn volle aufsichtsrechtliche Transparenz herstellen zu lassen, berichtete das Springer-Blatt €uro im September 2007:
„Die Lage ist so ernst, dass ich mich nicht, was sonst ganz schnell geschähe, trauen würde, meine Erkenntnisse etwa durch die Anordnung einer Sonderprüfung vertiefen zu wollen“, soll Sanio damals gesagt haben. (1)
Quelle:
(1) http://www.finanzen.net/nachricht/BaFin_Praesident_fuerchtet_volle_Transparenz_bei_Banken_588931
FDP-nahe Stiftung unterstützt Putschisten in Honduras
(18.08.2009/ hg/tw)
Die Aktivitäten der FDP-nahen „Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit“ (FNF) in Honduras sollen Gegenstand einer Untersuchung des Deutschen Bundestages werden. Das fordert die Fraktion Die Linke.
Grund ist die „Zusammenarbeit der FNF mit führenden Unterstützern des Putsches“, sagte die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion, Heike Hänsel.
Man wolle herausfinden, „zu welchen Zwecken die FNF die ihr vom Entwicklungsministerium überlassenen Steuergelder in Honduras verwendet und ob die Verwendung der FNF-Mittel in Honduras den Zielen der Förderrichtlinien des BMZ entsprechen.“ (1)
Honduras Putschisten rechtfertigen ihren Staatsstreich gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Zelaya mit der Behauptung, dieser habe verfassungswidrig versucht, sich mit einer Volksabstimmung eine weitere Amtszeit zu sichern.
Diese Version wird in Deutschland von dem FDP-Politiker und FNF-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt unterstützt: „Der Präsident Zelaya hat mehrfach versucht, die Verfassung zu verletzen. Es gibt oberste Gerichtsentscheidungen gegen ihn. Er hat versucht, auf Gerichtsbesetzungen Einfluss zu nehmen. Er hat eine Abstimmung vorgehabt, um seine Amtszeit zu verlängern, die der Verfassung klar widerspricht“, behauptete Gerhardt vergangene Woche im Gespräch mit dem Deutschlandfunk (13.08.2009).
Die Anschuldigungen gegen Zelaya sind falsch, weiß dagegen der Tagesspiegel: „Zelaya wollte einen Bürgerentscheid darüber abhalten lassen, ob bei den Präsidentschaftswahlen im November ein Referendum über eine Verfassungsreform stattfinden solle. Diese hätte eine zweite präsidiale Amtszeit beinhaltet. Zelaya wollte aber nicht wieder antreten.“ (14.09.2009)
Nach dem Putsch ist die Pressefreiheit in Honduras massiv eingeschränkt worden. Mehrere Menschen wurden getötet und Mitglieder ehemaliger Todesschwadronen sitzen wieder in entscheidenden Positionen, berichtet das Berliner Blatt.
Monika Knoche, die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion die Linke, bezeichnete Gerhards Äußerungen daher als haarsträubend.
Am 28. Juni war der demokratische gewählte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, von Soldaten festgenommen und gewaltsam nach Costa Rica geschafft worden.
Kurz darauf streute die „Friedrich-Nauman-Stiftung“ das Gerücht, Zelaya wolle mit „Hilfe seiner Verbündeten Chávez und Ortega“ „notfalls auch mit militärischer Gewalt zurück an die Macht“.
Die Stiftung bestritt zunächst, dass es sich überhaupt um einen Putsch gehandelt habe. Honduras Präsident habe „selbst in hohem Maß zu seiner Amtsenthebung beigetragen“. Seine Absetzung sei „auf der Grundlage der Verfassung erfolgt“.
Damit stellt sich die FNF gegen die Meinung der UN, der EU, der Organisation Amerikanischer Staaten und selbst der USA, die das Putschisten-Regime bis zum heutigen Zeitpunkt nicht anerkennt.
Dem von der Stiftung zu Rate gezogenen Menschenrechtsbeautragen Ramon Custodio war von den USA wegen seiner Verwicklung in den Putsch das Visum entzogen worden. Dänemark und Schweden haben ihm aus dem gleichen Grund Hilfsgelder gestrichen.
Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ und die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN (2) haben das Honduras-Engagement der FNF ebenfalls scharf kritisiert.
Das Internetportal amerika21.de initiierte am 25. Juli 2009 einen Appell, der Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) dazu auffordert, die gewählte Regierung von Präsident Manuel Zelaya zu unterstützen und sich von der von der Unterstützung der Friedrich-Naumann-Stiftung für den Militärputsch in Honduras zu distanzieren.
(1) BMZ, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(2) FIAN, das FoodFirstInformations- und Aktions-Netzwerk
Quelle:
http://www.brot-fuer-die-welt.de/presse/index_954_DEU_HTML.php?ck=413
vergleiche: HINTERGRUND-Artikel vom 6. Juli 2009, "Honduras: Deutsche Partner der Putschisten"
Weiter Rätselraten um Frachter «Arctic Sea»
(18.08.2009/dpa)
Auch nach dem Wiederauftauchen des wochenlang verschollenen Frachters «Arctic Sea» mit 15 russischen Seeleuten an Bord liegen die Hintergründe des Verschwindens weiter im Nebel. Am Montag hatte das russische Verteidigungsministerium mitgeteilt, der Frachter sei in der Nähe des westafrikanischen Inselstaats Kap Verde aufgespürt worden. Die Besatzung sei in Freiheit, gesund und werde nun an Bord einer russischen Fregatte verhört, teilte Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow in Moskau weiter mit. Warum das Schiff, das angeblich Holz im Wert von einer Million Euro von Finnland nach Algerien bringen sollte, zwischenzeitlich unauffindbar war, sagte er nicht.
Der russische Präsident Dmitri Medwedew, der von Serdjukow persönlich über die Entwicklung informiert wurde, versprach volle Aufklärung und wies den Verteidigungsminister an, die Presse ausführlich zu informieren.
Nach wie vor unklar ist, warum die «Arctic Sea» von ihrem Kurs abgekommen war und ob die finnische Reederei Lösegeld gezahlt hat. Der Direktor der Reederei Solchart Management Ltd., Viktor Matwejew, bestätigte das glückliche Ende der mysteriösen Irrfahrt. «Wir sind froh, dass die vollständige Besatzung in Sicherheit ist», sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa in Helsinki.
Die «Arctic Sea» war laut Medien am 24. Juli von acht bewaffneten Männern überfallen worden, die sich als Drogenfahnder ausgegeben hatten. Die mutmaßlichen Piraten sollen die russischen Seeleute zeitweise in ihrer Gewalt gehabt, nach zwölf Stunden aber das Schiff ohne Beute wieder verlassen haben. Den letzten Funkkontakt mit dem Schiff hatte die britische Küstenwache am 28. Juli, als der Frachter den Ärmelkanal durchquerte. Seither schossen Spekulationen ins Kraut, es könne um Waffen- und Drogenschmuggel gehen oder eine Beteiligung der Mafia geben. Sogar ein Untergang des Schiffs wurde nicht ausgeschlossen. Zuletzt beschäftigte sich auch die EU-Kommission mit dem rätselhaften Fall.
Rund 20 Länder hatten nach der 98 Meter langen «Arctic Sea» gesucht. Russlands NATO-Botschafter Dmitri Rogosin sprach von einer «glänzenden» Rettungsaktion. Das russische Kriegsschiff «Ladny» der Schwarzmeerflotte habe die Männer der «Arctic Sea» an Bord genommen. Laut Rogosin war die Situation «ernst». Russland habe aber erneut gezeigt, dass es jedem seiner Bürger Schutz gewähren könne, wo auch immer sich dieser befinde. Rogosin dankte ausdrücklich der NATO für ihre Hilfe bei der nervenaufreibenden Suche.
US-Folter-Psychologen unter Beschuss
(14.08.2009/nyt/hg)
Die Psychologen Jim Mitchell, 58, und Bruce Jessen, 60, waren maßgebliche Architekten des während der Amtszeit George Bushs etablierten Foltersystems der CIA, so sieht es die New York Times in einem zweiteiligen Bericht am vergangenen Mittwoch/Donnerstag (Printausgabe).
Bei genauerer Betrachtung erscheinen sie eher als willige Vollstrecker der CIA.
Seit 2002 entwickelten die Psychologen für ihren Auftraggeber das wichtigste Verhörprogramm in der Geschichte des US-amerikanischen „Anti-Terrorkampfs“.
Die ehemaligen Angehörigen der US-Air Force waren auf der Suche nach lukrativen Geschäftsfeldern, als sich ihnen nach dem 11. September 2001 die CIA als zahlungskräftiger Kunde anbot.
Obwohl sie niemals selbst ein Verhör durchgeführt hatten und über keinerlei Fachwissen in Sachen „islamistischer Terrorismus“ verfügten, verkauften sie der CIA sieben Jahre lang Verhörschulungen im Umfang von mehreren Millionen Dollar. Ihre 2005 gegründete gemeinsame Firma „Mitchell Jessen and Associates” beschäftigte 60 Angestellte..
Ihre Kenntnisse über Foltertechniken erwarben die Psychologen im Rahmen von Überlebenstrainings der US-Streitkräfte.
Nach dem Koreakrieg bemühte sich das US- Militär, seine Soldaten durch spezielle Simulationsübungen auf Befragungstechniken vorzubereiten, die ihnen im Falle einer Gefangenennahme durch zukünftige Feinde drohten.
Zu diesem Zweck führt die Air Force seit 1966 in der Umgebung der Stadt Spokane im Bundesstaat Washington unter dem Namen SERE (1) in der Air Force Survival School ein Überlebenstraining durch. Wesentlicher Bestandteil des Trainingsprogramms ist die Simulation von Verhörsituationen, in denen die Übungsteilnehmer die Rolle von Kriegsgefangenen und ihre Trainer die der feindlichen Verhörspezialisten übernahmen.
In den achtziger Jahren machten Jessen und Mitchell als SERE-Psychologen die Trainer mit speziellen Verhör- und Foltermethoden vertraut. Seitdem galten sie als Fachleute für dieses Gebiet.
Nach den Anschlägen vom 11. September wurden sie nach Thailand eingeflogen, um in einem geheimen CIA-Gefängnis die Wirksamkeit der von ihnen unterrichten Foltermethoden an dem Gefangenen Abu Zubaydah zu demonstrieren.
Abu Zubayda wurde damals als der dritte Mann in der Führungsebene von Al Qaida bezeichnet.
Mitchell und Jessen setzten Kälte und laute Rockmusik ein, um ihr Opfer am Schlafen zu hindern. Sie ließen seinen Kopf gegen die Wand schlagen und setzten ihn insgesamt 84mal dem Waterboarding aus. Das ist eine Foltermethode, mittels der beim Gefangenen die Empfindung des unmittelbar drohenden Ertrinkens hervorgerufen wird. Ein Tuch über Nase und Mund, das ständig mit Wasser übergossen wird, erschwert die Atmung ganz erheblich.
Die Folter endete erst dann, als Mitchell und Jessen befanden, dass aus dem Gefangenen keine weiteren Informationen mehr herauszupressen waren.
Nachdem sie auf diese Weise ihre Brutalität und Skrupellosigkeit unter Beweis gestellt hatten, wurden die Psychologen von der CIA mit zahlreichen weiteren Aufträgen versorgt, bei dem das von ihnen entwickelte Folterprogramm zur Anwendung kam.
Präsident George Bush hatte das „Verhörprogramm“ als gesetzeskonformes und wirksames Mittel zur Abwehr terroristischer Anschläge gelobt. Sein Amtsnachfolger Barack Obama stellte seine Zweckmäßigkeit in Frage und bezeichnete das Waterboarding ausdrücklich als Folter.
Mitchells und Jessens Verträge mit der CIA endeten abrupt im vergangenen Frühling. Am 9. April hat gab Präsident Obamas CIA-Direktor Leon E. Panetta seinen Mitarbeitern bekannt, dass die geheimen Gefängnisse seiner Behörde außer Dienst gestellt würden. Zudem dürften Verhöre künftig nicht mehr von Vertragspartnern der CIA durchgeführt werden.
Für die kommenden Wochen wird eine Entscheidung des Generalstaatsanwalt Eric H. Holder Jr. erwartet, ob die illegalen Folterpraktiken der CIA zum Gegenstand einer Untersuchung werden. In diesem Fall würde auch die Arbeit der Psychologen beleuchtet werden.
Ob dadurch mehr Licht auf die wahren Verantwortlichen für das Folterregime fallen würde, ist freilich zu bezweifeln.
Durch ein Strafverfahren und ein Urteil gegen Mitchell und Jessen könnte dem Veränderungsanspruch der Obama-Administration symbolisch entsprochen werden, ohne dass die höherrangigen Verantwortlichen aus Geheimdienst, Militär und Bush-Regierung überhaupt in die Schusslinie geraten.
(1) Survival, Evasion, Resistance, Escape; Überleben, Ausweichen, Widerstand, Flucht
Schriftsteller gegen Sicherheitsstaat
(14.08.2009/hg)
„Die einzige Gefahr, die vom Terrorismus ausgeht, ist die Art wie unsere Gesellschaft auf ihn reagiert.“ Das sagte der Schriftteller Ilija Trojanow („Der Weltensammler“) am vergangenen Mittwoch in Berlin. Der aus Bulgarien stammende Romancier war am 12.08.09 ins Haus der Bundespressekonferenz gekommen um mit seiner Kollegin Juli Zeh („Corpus Delicti“) für das gemeinsam verfasste Buch „Angriff auf die Freiheit“ zu werben.
In der scharfzüngigen und stilsicheren Polemik geht es um den derzeit grassierenden Sicherheitswahn, den Ausbau des Überwachungsstaats und den Abbau bürgerlicher Rechte. Zeh bedauerte, dass „seit dem 11. September das Tempo der Sicherheitsgesetzgebung zu- aber der Widerstand dagegen abgenommen habe.“
Neben dem Autoren-Duo saß die Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf dem Podium, die es nicht unterlassen konnte, ihre Partei als wahre Anwältin der Bürgerrechte zu loben. Trojanow und Zeh wollen ihren Essay dagegen vor allem als „Aufruf zum Widerstand“ verstanden wissen. Trojanow sieht darin keinen Bruch, sondern eine Fortführung seiner literarischen Arbeit: „Alle meine Bücher stellen die Machtfrage“. Auf die Frage, ob unter der gegenwärtigen Bedrohung präventiven staatlichen Handelns nicht doch notwendig sei, entgegnete Zeh: Sie hätten kein Handbuch für richtige Polizeiarbeit geschrieben. Die Gefahren des Terrorismus würden maßlos überschätzt. „Fahrzeughersteller werden nicht von der Polizei überwacht, obwohl es, gemessen an den Todeszahlen, naheliegender wäre, einen >Krieg gegen den internationalen Straßenverkehr< auszurufen“, schreiben die Autoren.
„Die allergrößte Gefahr geht von den Staaten aus“, fasste Trojanow die gemeinsame Botschaft auf der Pressekonferenz zusammen: .„In England werden jetzt schon die Antiterrorgesetze benutzt, um soziale Bewegungen zu zerschlagen. Wenn es ein mehr an Sicherheit vor Terroristen gibt, gibt es ein weniger an Sicherheit vor dem Staat.“ Juli Zeh ergänzte: „Die Gesetze meinen uns alle nicht nur die bösen Terroristen.“ Die studierte Juristin hatte bereits 2008 Verfassungsbeschwerde gegen den biometrischen Reisepass eingelegt.
Im aktuellen Bundestagswahlkampf engagiert sie sich für die SPD. Wie sich das mit ihrem beherztes Engagement gegen den präventiven Sicherheitsstaat verträgt, ist eine offene Frage. Die SPD hat als Regierungspartei nach dem 11. September die ersten Pakete sogenannter Anti-Terrorgesetze verabschiedet. „In der Großen Koalition beteiligt sich diese Partei immer wieder am Erlass von Gesetzen, die verfassungswidrig sind“, schreiben Zeh und Trojanow in ihrem aufrüttelndem Buch.
Ilija Trojanow und Juli Zeh: Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte. München 2009
Clinton gibt zu: USA haben Proteste im Iran unterstützt
(12.08.2009/tw)
Die USA haben „hinter den Kulissen eine Menge getan“ um die Protestbewegung im Iran zu unterstützen, gab US-Außenministerium Hillary Clinton in einem am Sonntag auf CNN ausgestrahlten Interview zu. So sei es einer Intervention Washingtons zu danken, dass der Twitter-Betreiber sein Vorhaben aufgegeben habe, seinen Dienst während der Straßenproteste zu Wartungszwecken abzuschalten. Die Demonstrierenden konnten auf diese Weise mit Handlungsanweisungen und Nachrichten aus unbekannter Quelle überschüttet werden.
Die öffentlich gezeigte Zurückhaltung der Obama-Regierung sei auf die Befürchtung zurückzuführen, dass eine offensichtliche direkte US-Einmischung von der iranischen Regierung dazu hätte benutzt werden können, um das Land gegen die Demonstranten hinter sich zu vereinen.
Für die Zukunft kündigte Clinton an, die Proteste auch weiterhin stärken zu wollen. Hinsichtlich der Gespräche um das iranische Atomprogramm machte Clinton unmissverständlich klar, dass die USA nicht bereit seien, „das Fenster für immer offen zu halten.“ Man habe „ein sehr robustes Set von Sanktionen“ vorbereitet.
Unterdessen hat sich herausgestellt, dass es sich bei der Nachricht, US-Vizepräsident Joe Biden habe Israel grünes Licht für einen Angriff auf die Atomanlagen des Irans gegeben, keineswegs um eine Falschmeldung handelt. In einer Erklärung aus den Reihen der Friedensbewegung heißt es: "Verbreitet wird immer noch die Falschmeldung, US-Vizepräsident Joe Biden habe Israel grünes Licht für einen Angriff gegen Irans Nuklearanlagen erteilt. Inzwischen hat sich Präsident Obama deutlich gegen ‘grünes Licht’ ausgesprochen." In Wirklichkeit hat Bidens in einem Interview mit abc NEWS (05.07.09) der israelischen Regierung tatsächlich einen Freibrief für einen Militärschlag gegen den Iran ausgestellt. Auf die Frage, ob sich die USA einem militärischen Vorgehen Isarels in den Weg stellen würden, antwortete Biden: „ Sehen Sie, wir können einer anderen souveränen Nation nicht diktieren, was sie zu tun und zu lassen hat, wenn sie einen Entschluss gefasst hat, wenn sie befunden hat, dass sie existenziell bedroht ist, dass ihr Überleben von einem anderen Staat bedroht wird.“
Quellen:
Biden-Interview: Luftpost. Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein, LP 171/09 – 06.08.09
CNN: FAREED ZAKARIA: Interview With Hillary Clinton. Ausgestrahlt am 9. August
Fadenscheinige Begründung
Das Verteidigungsministerium instrumentalisiert Pirateriebekämpfung für Verfassungsänderung
(12.08.2009/tw)
Angehörige der aus somalischer Geiselhaft frei gekommen Schiffsbesatzung der „Hansa Stavanger“ fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen. Er sei so verzweifelt gewesen, dass er „die Bundesregierung auf unterlassene Hilfeleistung“ verklagen wollte, sagte Christian Euskirchen der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ (05.08.09). Seit Ende April sei „vom Krisenstab nichts mehr zu hören“ gewesen. Euskirchens Sohn Frederik ist 2. Offizier an Bord der „Hansa Stavanger“, die seit dem 4. April in der Gewalt von Piraten war.
Äußerungen wie diese konterkarieren die Worte, mit denen der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums Dr. Thomas Raabe den erneuten Vorstoß seines Hauses zu begründen versuchte, der Bundeswehr künftig verstärkt Polizeiaufgaben zu übertragen und dafür das Grundgesetz zu ändern.
„Es geht schlichtweg darum, dass wir die Pflicht haben zu überlegen, wie wir unsere Bürgerinnen und Bürger am besten schützen können.“
Verteidigungsminster Franz Josef Jung (CDU) hatte am Tag zuvor der Bild am Sonntag (09.08.09) mitgeteilt:„Nach unserer Verfassung ist derzeit für eine Geiselbefreiung die Polizei zuständig. Bis aber die Polizei am Horn von Afrika einsatzfähig ist, hat sich die Lage längst verschärft.“ Er denke deshalb über eine Verfassungsänderung nach, „die der Bundeswehr den Zugriff dann ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann, da sie beispielsweise gar nicht am Ort des Geschehens ist.“ Spätestens nach der Bundestagswahl wolle er das Thema wieder auf die Tagesordnung setzen: „Und: Diese Diskussion ist nicht nur mit Blick auf das Ausland zu führen, sondern auch mit Blick auf bestimmte Situationen im Innern.“
Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sekundierte auf der Bundespressekonferenz vom 10.08.09, „dass es für den Schutz der Bürger notwendig ist, dass wir hier eine Klarstellung bekommen.“ Dabei sind die Kompetenzen von Bundeswehr und Polizei im In- und Ausland eindeutig geregelt.
Deutlich wird, wie sich Raabe die Rolle der Medien dabei vorstellt. Nicht als Instanz die das Handeln der Regierung kontrolliert, sondern als Wegbereiter und Stichwortgeber für deren konkrete Politik.
„Steter Tropfen höhlt den Stein. (…). Ich bin sicher, wenn es einen konkreten Fall gäbe und durch die Medien nachgewiesen werden könnte, dass deutsche Staatsbürger vielleicht besser hätten geschützt werden können, wenn es eine Klarstellung im Grundgesetz gegeben hätte, dann hätten wir eine ganz andere Debatte. Deshalb besteht die Pflicht, schon jetzt immer wieder darauf hinzuweisen, dass es für den Schutz der Bürger notwendig ist, dass wir hier eine Klarstellung bekommen.“
"Kenntnis nur wenn nötig" – Aussagen im Sauerland-Prozess
(10.08.2009/dpa/hg)
Der als Haupttäter angeklagte Fritz Gelowicz berichtete am Montag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht, wie aus einer geplanten Pilgerfahrt nach Mekka eine Reise in ein pakistanisches Ausbildungslager wurde. Dort, so erklärt er, habe er der "Islamischen Dschihad-Union die Treue geschworen und sei zum "Leiter der Operation Deutschand" bestimmt worden. Dass die Islamische Jihad-Union (IJU) ursprünglich vom usbekischen Geheimdienst für Operationen unter falscher Flagge ins Leben gerufen wurde, weiß Gelowicz dabei offensichtlich nicht.
Dazu der Prozeßbeobachter des SWR, Holger Schmidt : „’Etwas kam mir bald komisch vor’, sagte Gelowicz: ‘Viele Dinge, die wir lernten betrafen einen Anschlag in Europa. Nicht den Kampf dort’. Doch er fragte nicht nach. ‘Wer fragt, macht sich verdächtig’, erklärte er ein Jihad-Prinzip. Deshalb habe er nie nachgefragt. Das BKA habe ihm bestätigt, das sei ein wichtiges Prinzip und heiße beim BKA ‘Kenntnis nur wenn nötig’.
Bald aber sei der Moment gekommen, an dem er gefragt wurde, ob er in Europa einen Anschlag verüben würde. „Das sei leichter, als bei James Bond“, habe man ihm gesagt. Mit Adem Yilmaz habe er daraufhin beschlossen: „Wir machen das. Weil es keinen anderen gibt“. Sie seien nämlich die einzigen Kämpfer aus Deutschland oder Europa gewesen.
Zusammen mit Daniel Schneider und Atilla Selek ging dann die Planung los.
Übrigens war sich Fritz Gelowicz klar, dass er nicht der ideale Attentäter war: ‘Die Geheimdienste kannten uns ja schon ein bisschen’. Aber das habe man in Kauf genommen."
Bei ihrer Spähfahrt zur US-Kaserne in Hanau merkten sie, dass sie «sehr auffällig» vom Verfassungsschutz observiert wurden. Ein Informant habe Gelowicz dann berichtet, dass sowohl der türkische, als auch der amerikanische und der deutsche Geheimdienst auf die Gruppe aufmerksam geworden sei. Daraufhin hätten sie eine Pause eingelegt, bevor sie ihre Vorbereitungen fortgesetzt hätten.
Bundestagsabgeordnete verheimlichen Tätigkeit in Vereinen der Rüstungslobby
(10.08.2009/dpa/hg)
Insgesamt fünf Bundestagsabgeordnete haben verheimlicht, dass sie seit Jahren in Vereinen mitwirken, die der Rüstungslobby nahe stehen. Gemäß der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags müssen solche Tätigkeiten angezeigt und veröffentlicht werden.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sitzen die Mitglieder des Verteidigungsausschusses Elke Hoff (FDP), Rainer Arnold und Jörn Thießen (beide SPD) auch im Präsidium der Deutschen Gesellschafat für Wehrtechnik (DWT).
Die beiden SPD-Abgeordneten Gerd Höfer und Johannes Kahrs wiederum sind Mitglieder im Präsidium des Förderkreises Deutsches Heer (FKH).
Kahr ist zugleich Sprecher des rechten Seeheimer Kreises. Der ehemalige Panzergrenadier sitzt als Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages und im Haushaltsausschuss des Parlaments .Da klingt es nicht allzu überraschend, dass Kahrs Kreisverband Hamburg-Mitte Presseberichten zufolge im Jahr 2005 vom Rüstungskonzern Rheinmetall angeblich eine Parteispende unter der Veröffentlichungsgrenze von 10 000 Euro erhalten haben soll. Auch Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann sei kurz unter der Veröffentlichungsgrenze geblieben. Insgesamt sollen mehr als 60 000 Euro von der Rüstungsindustrie in Richtung Kahrs geflossen sein.
Da Vereine wie die DWT und der FKH von Rüstungsfirmen als Lobby-Plattform genutzt werden, um an lukrative Staatsaufträge zu kommen, muß die Mitgliedschaft in ihren Gremien für alle erkennbar sein, kritisiert dieOrganisation LobbyControl.
Angesichts der engen Verzahnung von Parlament und Lobbygruppen hat die Fraktion Die Linke den Bundestagspräsidenten dringend aufgefordert, die geltenden Transparenzregeln scharf durchzusetzen, anstatt Nachmeldungen stillschweigend zu Protokoll zu nehmen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, was ausgerechnet SPD-Politiker in einem Umfeld zu suchen haben, das politische Entscheidungen im Interesse von Rüstungsunternehmen zu beeinflussen versucht.
Quelle: http://bonner-wirtschaftsgespraeche.de/2009/08/10/bonn-rustungslobbyisten- im-verteidigungsausschuss-erschreckende-quote/
Georgiens Überfall auf Südossetien jährt sich
(07.08.2009/tw)
Am 7. August 2008 eröffnete der georgische Präsident Michail Saakaschwili mit dem Artilleriebeschuss der südossetischen Hauptstadt Tschinwali einen blutigen Krieg, der erst durch die massive Intervention russischer Truppen am 12. August beendet wurde.
Zuvor waren Russlands Versuche, den Krieg auf diplomatischem Wege zu beendigen, am Veto der USA im Sicherheitsrat der UNO gescheitert.
Dennoch griffen NATO-Staaten und weite Teile der EU zunächst mehr oder weniger offen Partei für die kriegführende georgische Regierung und erklärten ohne nähere Prüfung der Kriegsursachen die russischen Truppen zum alleinigen Aggressor und Hauptschuldigen an dem zerstörerischen Waffengang, bei dem auf beiden Seiten viele Zivilisten ums Leben kamen.
Eine von der Europäischen Union erst im November 2008 eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Ursachen und des Verlaufs des georgisch-russischen Kriegs bestätigt diese auch von den westlichen Medien verbreitete Version nach Informationen des Spiegel (1) nicht.
Die Mitglieder der Kommission, weiß das Nachrichtenmagazin, neigen mehrheitlich der Einschätzung zu, dass Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili den Krieg mit dem Angriff auf Südossetien am 7. August begonnen hat. Mit diesem Ergebnis stehen sie aber im Widerspruch zur Auffassung der Leiterin der Kommission, der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini, denn noch am Tag der Spiegel-Veröffentlichung zitiert die Presseabteilung der georgischen Regierung Tagliavini mit einer Erklärung, in der sie die Rechercheergebnisse des Spiegels als „fiktiv“ zurückweist. Sie verweist auf die bis heute noch nicht erfolgte Veröffentlichung des Kommissionsberichts, den alleine Sie gegenüber dem EU-Ministerrat verantworten wird. Ob die Ansichten eines Experten in den Bericht Eingang finden, obliege alleine ihr als Kommissionsleiterin. (2)
Immerhin: Für die Behauptung des georgischen Staatschefs, bereits am Abend des 7. August sei eine russische Kolonne mit 150 Panzern in Südossetien eingedrungen, fanden die Kommissionsmitglieder, so der Spiegel, keine Belege. Vielmehr habe Saakaschwili schon am Morgen des 7. August 12.000 Soldaten und 75 Panzer an der Grenze zu Südossetien zusammengezogen.
Bislang ist der Kommissionsbericht freilich noch nicht veröffentlich worden. Bereits Ende Juli sollte er dem Ministerrat der Europäischen Union vorgelegen haben. Nun wurde seine Veröffentlichung auf die zweite Septemberhälfte verschoben.
Auf diese Weise konnte verhindert werden, dass unangenehme Fakten über den NATO-Mitgliedschafts-Kandidaten Georgien ausgerechnet am Jahrestag des von ihm begonnen Krieges ans Licht der Öffentlichkeit kommen.
Unterdessen hat einem Bericht der Tageszeitung junge Welt (3) zufolge ein Freundeskreis um Piotr Luczak (Mitglied der Partei Die Linke) für Sonnabend, den 8. August, die Gründung der „Deutsch-Südossetischen Freundschaftsgesellschaft (DSOFG)“ angekündigt.
Quellen:
(1) Uwe Klussmann: Zerschmetterter Traum, DER SPIEGEL 25/2009 vom 15.06.2009, Seite 98, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=65717438&top=SPIEGEL.
(2) http://www.mfa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=30&info_id=10482 – Womöglich ist hierin der Grund zu sehen, warum eine Reihe der Experten schon vor der Veröffentlichung des Kommissionsberichts via Spiegel ihre Untersuchungsergebnisse öffentlich machen wollten.
(3) junge Welt, Freitag, 7. August 2009, S. 3
Verfassungsbruch – Verwaltungsamt hört mit
(07.08.2009/uj)
Das Bundesverwaltungsamt (BVA), das sich selbst als »zentraler Dienstleister« des Bundes bezeichnet, übernimmt bald die Schnüffelarbeit der Geheimdienste.
Seit einigen Tagen bündelt sich beim BVA die Abhörtechnik von Bundeskriminalamt und Bundespolizei, in absehbarer Zeit sollen Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst, Bundesnachrichtendienst sowie die Länderpolizeien hinzukommen. Wann immer sie Telefongespräche mithören, Faxe und E-Mails mitlesen wollen, beauftragen sie die Techniker des Kölner BVA. Schnüffeln als Dienstleistung.
Es gehe, behauptet Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), nur darum, die technische Durchführung von Überwachungsmaßnahmen zu bündeln. Mit den Inhalten der abgehörten Gespräche hätten die Techniker nichts zu tun. Was für eine fadenscheinige Lüge! Um das mal zu vergleichen: Würden Sie Liebesbriefe oder Ihre Steuererklärung auf dem Fahrersitz liegen lassen, wenn Sie das Auto in die Werkstatt bringen, im Vertrauen darauf, der Mechaniker werde sich strikt nur um den Motor kümmern und nicht nach links und rechts sehen? Wem der Vergleich zu holprig ist: Jeder, der schon mal einen Computerexperten an seinen Rechner gelassen hat, weiß, dass der bei der Fehlersuche nahezu zwangsläufig auch mit dem Inhalt gespeicherter Dateien in Berührung kommt. Der Bundesrechnungshof hat denn auch bestätigt, dass es, sobald die Abhörtechnik eine Reparatur braucht, für die Techniker notwendig ist, sich »in laufende TKÜ-Maßnahmen einzuschalten, sprich mitzuhören«. Der Rechnungshof hat auch herausgefunden, dass die Zentralisierung keineswegs Kosten spart. Das macht einen zu Recht misstrauisch.
Muss man wirklich betonen, dass Abhören keine »Dienstleistung« ist, sondern ein Grundrechtseingriff? Und dass sich die Problematik potenziert, wenn sämtliche Grundrechtseingriffe von Polizeien und Geheimdiensten von einer einzigen Behörde durchgeführt werden? Das ist, rein technisch, der Totenschein für das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten. Alle Abhörmaßnahmen unter einem Dach – d. h. fast zwangsläufig, dass auch die Ergebnisse des Abhörens geteilt werden. Soll es Zufall sein, dass der im März dieses Jahres eingesetzte neue Vizechef des BVA direkt aus der Zentralabteilung des Verfassungsschutzes kommt? Also ein Fachmann, wenn es ums Abhören und Schnüffeln geht. Die nächsten Geheimdienstskandale sind vorprogrammiert.
Der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar hat gestern erklärt, dass es für die Abhörzentrale keine rechtliche Grundlage gebe – Folgen hat seine Feststellung nicht. Was technisch geht, wird auch gemacht. Das ist ohnehin das Credo der Überwachungsfanatiker um Schäuble. Sie setzen auf den zentralisierten Kontrollstaat, dem weder verfassungsrechtliche noch technische noch operative Grenzen gesetzt sind.
Quelle:
Ulla Jelpke bei http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=1342 –
zuerst erschienen in junge Welt, 5.8.2009
Internationale Energieagentur IEA: Ölquellen versiegen in Rekordtempo
(06.08.2009/tagesanzeiger/hg)
Die viel gefürchtete Ölklemme komme doppelt so schnell wie bisher erwartet, warnt ein renommierter Experte. Das könnte der Weltwirtschaft eine substanzielle Krise bescheren.
Der schweizer Tagesanzeiger zitierte am 3. August den Chefökonom der International Energy Agency IEA in Paris, Fatih Birol. Nach seinen Erkenntnissen hätten die wichtigsten Ölfelder der Welt bereits jetzt ihren Zenit überschritten. Und es dürfte weniger als fünf Jahre dauern, bis eine Ölklemme die Wirtschaft fundamental erschüttert. Dabei ist Birol alles andere als ein notorischer Schwarzmaler.
Versiegende Ölquellen in Kombination mit einer steigenden Nachfrage werde die Preise in die Höhe treiben – was eine Erholung der Wirtschaft von der aktuellen Krise verhindern könnte, sagte Birol in einem Interview mit dem britischen Independent.
Bislang hatten Experten gewarnt, das Erdöl werde erst in zehn Jahren zu versiegen beginnen und damit eine Wirtschaftskrise auslösen. Laut Birols Prognose versiegt das Erdöl also doppelt so schnell wie bisher befürchtet. Seine Warnung ist eindringlich: "Wir müssen das Öl verlassen, bevor das Öl uns verlässt, wir müssen uns auf diesen Tag vorbereiten." Die Umstellung müsse sehr früh beginnen, denn sie werde Zeit und Geld in Anspruch nehmen.
Die Ölklemme gefährde nicht nur die Wirtschaft, sondern verändere auch die Kräfteverhältnisse in der Welt. "Die Marktmacht der wenigen ölproduzierenden Länder, vor allem des Nahen Ostens, wird sich in den nächsten Jahren markant vergrössern", so Birol. Im Moment beträgt der Marktanteil der Länder des Nahen Ostens 40 Prozent, in Zukunft werde er sich noch "massiv ausweiten".
Quellen:
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/konjunktur/lquellen-versiegen-in-Rekordtempo/story/20215219
Website der IEA http://www.iea.org/
http://www.independent.co.uk/news/science/warning-oil-supplies-are-running-out-fast-1766585.html
Millionen-Schadenersatz an HRE-Aktionäre
(06.08.2009/dpa/hg)
Nach Milliardenhilfen aus Steuergeldern für den maroden Konzern und einer Schlammschlacht mit den Alt-Aktionären drohen Bundesfinanzminister Steinbrück – also letzlich dem Steuerzahler – jetzt auch noch Schadenersatzzahlungen in Millionenhöhe. Aktionäre haben am Landgericht München Klagen gegen die HRE eingereicht und wollen Geld zurück – für die oft horrenden Verluste, die ihnen die einstige Dax-Aktie beschert hat. Nach den ersten drei Prozessen zeichnet sich ab: Ihre Chancen stehen gar nicht so schlecht.
Im bislang größten Verfahren um Forderungen von mehr als 300 Millionen Euro sprach sich das Gericht am Donnerstag überraschend für einen Kompromiss aus. Für Aktienkäufe im Januar 2008, so der Vorsitzende Richter Matthias Ruderisch, könnte die HRE den Schaden demnach vollständig ersetzen, für die rund fünf Wochen davor zu einem kleinen Teil. Er hält es für möglich, dass die HRE in dieser Zeit schon gewusst hat, dass sie von der US-Finanzkrise getroffen ist.
Offiziell mitgeteilt hat sie dies aber erst am 15. Januar 2008 und damit die Aktie auf Talfahrt geschickt. Mit einer ähnlichen Argumentation hatte Ruderisch einigen Aktionären bereits in vorangegangenen Verfahren Hoffnungen auf Schadenersatz gemacht und einem Kleinanleger schon rund 4.000 Euro zugesprochen.
Mehrere Kläger wollen ihre Kräfte nun bündeln und streben ein Musterverfahren nach dem sogenannten Kapitalanleger- Musterverfahrensgesetz (KapMuG) an. Darin geht es darum, zentrale Rechtsfragen bereits vorab von der nächsthöheren Instanz verbindlich entscheiden zu lassen. Das Landgericht legt diese Fragen auf Antrag von mindestens zehn Klägern dem Oberlandesgericht vor, danach folgt der Bundesgerichtshof (BGH). «Wenn das Musterverfahren vor dem BGH rechtskräftig abgeschlossen ist, gelten die BGH-Feststellungen für alle Kläger», sagt Andreas Tilp, der die Klagen von 40 Kapitalanlagefonds gegen die HRE vertritt, der «Wirtschaftswoche». Diesen Weg geht er auch als Anwalt in dem Massenprozess gegen die Telekom.
Damit steht der HRE eine jahrelange Prozesslawine ins Haus – und Steinbrück jede Menge Rechnungen für die Juristen. Formell richten sich die Klagen der Aktionäre zwar gegen die Hypo Real Estate. Eigentlicher Adressat aber ist der Bund, dem die Bank seit einigen Monaten mehrheitlich gehört. Sollten sich die Anleger tatsächlich mit ihren Forderungen durchsetzen, müsste Steinbrück die Rechnung wohl aus Steuergeldern bezahlen. Aus seinem Ärger über diesen Umstand macht er keinen Hehl. «Wenn die Bundesregierung dieses Institut nicht maßgeblich unterstützt hätte, dann hätten diese Aktionäre heute niemanden, den sie beklagen könnten, weil es diese Bank nicht mehr gäbe», schimpfte er in der vergangenen Woche.
Allerdings kann die HRE wiederum versuchen, die Männer zur Verantwortung zu ziehen, die Aktionärsvertreter für den Schlamassel verantwortlich machen: Allen voran den damaligen Chef Georg Funke, der die Bank bis Januar 2008 als Krisengewinner dargestellt hatte. «Es wäre Sache der HRE, die Ex-Vorstände zu verklagen», sagte Tilp. «Immerhin haben CDU und SPD gemeinsam beschlossen, Erfolgschancen von Klagen der HRE gegen Ex-Vorstände zu prüfen.» Bei Funke könnte sogar noch etwas zu holen sein. Seine Nobel-Villa in München soll er vor einigen Monaten für mehrere Millionen Euro verkauft haben.
Kabul unter Beschuss: Haben die Taliban Langstreckenraketen?
(04.08.2009/nzz/hg)
Amerikanische Botschaft nur knapp verfehlt – Raketenbeschuss auf Diplomatenviertel in Kabul
In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am Dienstagmorgen fünf Raketen eingeschlagen. Dabei wurde die amerikanische Botschaft nur knapp verfehlt. Laut den Behörden vor Ort dürften die Raketen von weit her abgeschossen worden sein.
Mindestens ein Kind wurde verletzt, wie Polizeichef Said Abdul Ghafar mitteilte. Ein Geschoss verfehlte nur knapp die amerikanische Botschaft und beschädigte das Haus eines hochrangigen Mitarbeiters des Innenministeriums, wie Offiziere und Augenzeugen berichteten.
Major Ghulam Rasul sagte, er glaube, dass die Raketen von weit her abgefeuert worden seien. Die Hauptstadt sei streng bewacht. Einschläge waren im Osten Kabuls nahe des internationalen Flughafens zu hören. Ein Polizeisprecher sagte, alle Sicherheitskräfte seien in Alarmbereitschaft. Nach dem Einschlag der Raketen waren auch Schüsse zu hören.
Die Schatten der Vergangenheit – wird der Waffenhändler Schreiber mit Enthüllungen den Wahlkampf beeinflussen?
(03.08.2009/dpa/hg)
Karlheiz Schreiber, Waffenlobbyist und millionenschwerer Parteienfinanzier, ist aus Kanada nach Deutschland ausgeliefert worden.
Die deutsche Justiz wirft ihm Unterschlagung und Steuerhinterziehung vor. Vor zehn Jahren ging Schreiber, der neben einem deutschen auch einen kanadischen Pass besitzt, nach Nordamerika, um sich dem Prozess vor eine deutschen Gericht zu entziehen. Seitdem dauert das Gerangel um seine Auslieferung.
Schon vor Jahren kündigte Schreiber aus Übersee an, wenn man ihn vor ein deutsches Gericht zitiere, würde er „plaudern“ und es würden Köpfe rollen. Gemeint sind damit seine ehemaligen „Geschäftsfreunde“, vor allem aus den Reihen der CDU/CSU. Schreiber hat all seine Kontakte und Geschäfte fein säuberlich mit Datum und Uhrzeit über die Jahre in seinen Notizbüchern dokumentiert. Ob sich darin tatsächlich der Stoff für einen späten Donnerhall verbirgt, wird vor allem aus Kreisen der Union nach außen bestritten.
Tief verstrickt mit den Christlich Unionierten und Sozialen war Schreiber gewiss – durch Geschäfte und Spenden in Millionenhöhe: Er gilt als Drahtzieher des 1999 aufgeflogenen Spendenskandals. Bereits 1991 soll er dem damaligen Schatzmeister Walther Leisler Kiep in der Schweiz eine Million Mark (rund 511 000 Euro) als Spende für die CDU übergeben haben. Das Geld stammte aus Panzergeschäften des Thyssen-Konzerns mit Saudi-Arabien.
Weitere Akteure der schmutzigen Geldgeschäfte
Helmut Kohl: Die prominenteste Figur der Affäre war der frühere CDU-Chef und Ex-Bundeskanzler. Er versicherte sofort, von einer Spende dieser Art nichts zu wissen. Kohl räumte jedoch ein, dass er über Jahre hinweg bis zu zwei Millionen Mark an Spenden gesammelt hatte, die nicht durch die Parteibücher gingen. Unter Hinweis auf sein gegebenes Ehrenwort verschweigt er die Namen der Spender bis heute. «Absurd» nannte Kohl Vorwürfe, er oder seine Regierung seien käuflich gewesen. Ermittlungen wegen Untreue-Verdachts gegen Kohl wurden 2001 gegen Zahlung einer Geldbuße von 300 000 Mark eingestellt.
Walter Leisler Kiep: Mit einem Ermittlungsverfahren gegen den CDU-Politiker nahm die Affäre im November 1999 ihren Lauf. Dabei flog auch ein System von CDU-Auslandskonten auf – alles Gelder, die in den Rechenschaftsberichten der Partei nicht auftauchten. Leisler Kiep gab den Erhalt der Spende zu und wurde zwei Jahre später zu einer Geldstrafe verurteilt.
Wolfgang Schäuble: Auch Kohls Nachfolger im Parteivorsitz geriet in den Spendenstrudel, was ihn schließlich das Amt kostete. Der heutige Bundesinnenminister musste einräumen, von Schreiber Bares entgegengenommen zu haben Geld, das nicht im Rechenschaftsbericht der Union auftauchte. Die damalige Schatzmeisterin Brigitte Baumeister widersprach heftig den Angaben Schäubles über den Verbleib des Geldes und verlor ebenfalls ihren Job. Ermittlungsverfahren gegen beide wegen Falschaussage im Bundestags-Untersuchungsausschuss wurden 2001 eingestellt.
Ludwig-Holger Pfahls: Als Rüstungs-Staatssekretär im Verteidigungsministerium nahm der damalige CSU-Politiker Schmiergeld von Schreiber an, das er nicht versteuerte. Vor einem Haftbefehl floh Pfahls rund um den Globus, bis er 2004 in Paris gefasst wurde. Ein Jahr später wurde er nach einem umfassenden Geständnis unter anderem wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Laut Kohl hatte Pfahls keinen Einfluss auf den Panzer- Export.
Jürgen Maßmann und Winfried Haastert: Auch die beiden Manager des Panzerherstellers Thyssen versorgte Schreiber mit Geld. Haastert erhielt wegen Untreue und Steuerhinterziehung ein Jahr und acht Monate, sein Kollege Maßmann zweieinhalb Jahre Haft.
Böse Zungen behaupteten in der Vergangenheit, die Auslieferung Schreibers sei nicht wirklich politisches Ziel, zu viel Parteiinterna und Schmierengeschäfte könnten während eines Prozesses gegen den Waffenlobbyisten an die Öffentlichkeit gelangen und vor allem der CDU/CSU schaden. Nun hat man geschickt den Prozeßbeginn auf die Zeit nach dem 27. September 2009, den Termin der Bundestagswahl, verlegt.
Das Schlachtfeld als Erlebnispark – Bundeswehr wirbt in Jugendmedien
(03.08.2009/hg)
Krieg als Ferienspaß verspricht die Bundeswehr 16-Jährigen, die in diesem Sommer an dem dreitägigen Geländespiel "Bundeswehr Adventure Games" teilnehmen. Gemeinsam mit dem Jugendmagazin BRAVO wirbt das Personalamt der Bundeswehr für das militante "Freizeitvergnügen".
"Seit 2007 führen Armee und Jugendmagazin das Spektakel gemeinsam durch – die Olivgrünen zahlen dabei allerdings drauf. Laut BRAVO-Pressesprecherin handelt es sich bei dem Gewinnspiel auf der BRAVO-Website um einen von der deutschen Armee bezahlten Promotion-Artikel in redaktionellem Gewandt. Das kleine Wort "Promotion" über dem Artikel soll dann auch darauf hinweisen, dass es sich nicht um einen normalen Artikel auf der bunten Website handelt. Dass sich die BRAVO durch die Werbung zum Steigbügel für die Rekrutierung Minderjähriger macht, wird von dem im Bauer-Verlag erscheinenden Jugendmedium nicht kritisch gesehen – bei den "Bundeswehr Adventure Games" gehe es um "Spaß und sportlichen Wettkampf", so die BRAVO-Sprecherin. Die Verantwortlichen der Bundeswehr waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, " schreibt Michael Schulze von Glaßer bei telepolis. (1)
Heute beginnen die laut BRAVO "tollen Tage im Ausbildungscamp der Einzelkämpfer" in der Luftlande- und Lufttransportschule der Bundeswehr im oberbayerischen Altenstadt.
(1) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30845/1.html
Blutiger Juli für die Briten in Afghanistan
(29.07.2009/dpa/hg)
An «Erfolg» denken die meisten Briten wohl nicht, wenn das Wort Afghanistan fällt. Seit Tagen werden sie stattdessen Zeugen, wie immer mehr Särge mit der britischen Flagge nach Hause gebracht werden. Das Königreich hat den Monat mit den meisten Opfern seit Beginn des Einsatzes vor fast acht Jahren hinter sich. Da klingt es fast wie Hohn, wenn Premier Gordon Brown das Ende der sogenannten Operation «Pantherklaue» gegen die Taliban verkündet und von einem Erfolg spricht. Aber trotz zur Schau gestelltem Optimismus fällt es der Regierung immer schwerer, den Einsatz zu rechtfertigen.
Auch wenn der Einmarsch nie so umstritten war wie der im Irak, wünscht sich nach dem «Bloody July» (blutiger Juli) die Mehrheit der Briten einen Abzug aus dem Land. Am gestrigen Dienstag zeigte eine neue Umfrage, dass 52 Prozent dafür sind, die rund 9.000 Soldaten sofort abzuziehen. 58 Prozent glauben zudem, dass die der vermeintliche Kampf gegen die Taliban mit militärischen Mitteln nicht zu besiegen sind.
Um den Einsatzwillen hochzuhalten, preist die Regierung immer wieder das Heldentum der Soldaten. Die fünf Wochen lange Offensive «Pantherkralle» in der Provinz Helmand habe die Taliban zurückgedrängt, sagte Brown. «Die Anstrengungen unserer Truppen in Helmand waren nichts weniger als heldenhaft.» Die Verluste seien «nicht umsonst» gewesen.
Auch das Militär spricht von «Sieg» und einem «extrem erfolgreichen» aber «sehr, sehr harten» Kampf. Der Kommandeur der Briten in Helmand, Brigadegeneral Tim Radford, verglich die Offensive gegen die Taliban in der Zeitung «The Times» bereits mit den Kämpfen in der Normandie im Zweiten Weltkrieg und denen bei den Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland.
Nach bisher 22 toten Briten im Juli in Afghanistan gerät die Regierung im eigenen Land immer mehr unter Druck, neue Lösungsansätze zu finden. Nach Medienberichten sind Washington und London über eine «Abzugs-Strategie» in Gesprächen.
Der «Guardian» kommentierte: «Die Regierung wünscht sich, erstens, dass die Gefechte in Helmand wirklich vorbei sind und zweitens, dass sich die Taliban jetzt zum Tee niedersetzen.»
Neue hohe Schadenersatzforderungen gegen HRE
(29.07.2009/dpa/hg)
Der verstaatlichte Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate wird mit neuen millionenschweren Schadenersatzforderungen konfrontiert. Mehrere institutionelle Anleger wollen in einem Musterprozess rund 200 Millionen Euro Schadenersatz einklagen, wie eine Sprecherin des Landgerichts München I am Mittwoch bestätigte. Nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» (Mittwoch) werfen sie dem Unternehmen vor, sie systematisch über die wahre Situation der HRE getäuscht zu haben. Am Donnerstag kommender Woche soll über ihren Schadenersatzantrag vor dem Landgericht München I verhandelt werden. Die Anleger hätten ihre Ansprüche an einen Juristen abgetreten, sagte die Gerichtssprecherin. Es handele sich um das bisher größte Verfahren in Sachen HRE, das zur Verhandlung anstehe.
Laut «SZ» verlangt der Jurist Christian Wefers aus Nordrhein- Westfalen für mehrere Kapitalanlagefonds aus Deutschland und anderen Ländern, die HRE-Aktien besitzen, in einem ersten Schritt mehr als 200 Millionen Euro Schadenersatz. Eine Aufstockung der Klage um mehrere hundert Millionen Euro sei absehbar. Zu den Fonds zählten auch Pensionsgesellschaften, die Vermögen von Anlegern verwalten, das als Altersvorsorge gedacht sei.
Wefers trete bei Gericht als Kläger auf, vertreten werde er von dem Tübinger Anleger-Anwalt Andreas Tilp, der bereits andere Musterverfahren führt. Sie sind davon überzeugt, dass die Anleger keine Aktien des Unternehmens gekauft und keinen Schaden erlitten hätten, wenn sie die prekäre Lage der HRE gekannt hätten, wie Tilp der Zeitung sagte: «Wir gehen von fortlaufenden Verstößen von Juli 2007 bis Oktober 2008 aus.»
Ein Sprecher des Unternehmens wollte sich dazu am Mittwoch nicht näher äußern. Er verwies lediglich darauf, dass bereits vier Verfahren rechtskräftig beendet worden seien und die jeweiligen Kläger ihre Klagen zurückgenommen hätten. Nur in einem Fall habe das Landgericht München einem Kläger für einen Teilbetrag Schadenersatz zugesprochen. Die HRE war dagegen in Berufung gegangen, weil sie die Entscheidung für «nicht nachvollziehbar und ohne jede Beweisaufnahme für unhaltbar» hält, wie der Sprecher erklärte.
Erst in der vergangenen Woche hatte das Landgericht München deutlich gemacht, dass HRE-Aktionäre in bestimmten Fällen auf Schadenersatz für die Kursverluste ihrer Anteile hoffen können. Für Aktienkäufe zwischen Ende November 2007 und dem 15. Januar 2008 gebe es gewisse Erfolgschancen, sagte der Vorsitzende Richter in einem Prozess um Schadenersatzforderungen. Dabei ging es allerdings lediglich um 15 Kläger, die jeweils Schadenersatz zwischen mehreren Tausend Euro und mehr als eine Million Euro fordern.
Die Hypo Real Estate war im Zuge der Finanzkrise in Existenznot geraten und musste mit mehr als 100 Milliarden Euro an Hilfen vor dem Untergang bewahrt werden. Da das Institut mittlerweile verstaatlicht ist, könnte die neue Klage die Steuerzahler zusätzliches Geld kosten, hieß es in dem Bericht.
US-Geheimdienste sollen weiter EU-Bankkonten ausspionieren
(27.07.2009/dpa/hg)
Unter massiven Vorbehalten aus Deutschland hat die Europäische Union den Weg für Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den USA über den umstrittenen Zugriff auf europäische Bankdaten freigemacht. Die Außenminister der 27 EU- Mitgliedsstaaten erteilten am Montag der Kommission das Mandat, das Abkommen über die weitere Nutzung der Finanzdatenbank Swift auszuhandeln. Vor allem deutsche Datenschützer und Politiker üben massive Kritik an dem Vorhaben. In den meisten anderen EU- Mitgliedsstaaten spielt das Thema in der Öffentlichkeit dagegen kaum eine Rolle.
Europa-Staatsminister Günter Gloser (SPD) versuchte am Rande des Treffens, die Wogen zu glätten. «Es geht heute nicht um eine Entscheidung in der Substanz, sondern es geht um ein Mandat für die Europäische Kommission, darüber, ein neues Abkommen zu verhandeln», sagte Gloser, der Außenminister Steinmeier vertrat. Luxemburgs Ressortleiter Jean Asselborn warnte: «Ich glaube, wenn man in die Freiheiten der Menschen eingreift, muss man sehr vorsichtig sein.» Das Mandat bedeute nicht, dass nun «alles schon beschlossen ist».
Der US-Geheimdienst CIA greift auch jetzt schon auf die Daten des belgischen Finanzdienstleisters Swift zurück. Mit dem neuen Abkommen sollen Sicherheitslücken im vermeintlichen "Kampf gegen den Terrorismus" vermieden werden, wenn der Swift-Hauptserver aus den USA in die Schweiz verlagert wird. Ziel des Umzugs war es eigentlich, die EU-Daten vor den US-Ermittlern zu schützen.
In Deutschland sorgt das Vorhaben bei Politikern aller Parteien – von der Linken bis zur CSU – für große Aufregung. Der Grünen-Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit bezeichnete Kommissionspräsident José Manuel Barroso als «Handlanger der USA». Der Zugriff von US-Terrorfahndern auf sensible, persönliche Bankdaten sei ein «eklatanter Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger», sagte er. «Das geplante neue Abkommen garantiert den Datenschutz in keiner Weise.» Es sei «ungeheuerlich», dass die Kommission das Abkommen «am Europäischen Parlament vorbei» aushandeln wolle.
Die Bundesregierung versicherte, dass man bei den Verhandlungen über einen solchen Zugriff strikt auf die Einhaltung von Daten- und Rechtsschutz achten werde. Wohltönende Worte, denn wie die Regierung das machen will, blieb unklar. Und wenn Berlin den beschworenen "Daten- und Rechtsschutz" in gleicher Weise missachtet wie bei der gesamten Gesetzgebung zur Totalüberwachung der Bevölkerung, ist den US-Diensten Tür und Tor zu deutschen Konten geöffnet.
US-Armee: Zahl getöteter Afghanen bleibt in Zukunft geheim
(27.07.2009/hg)
Laut Greg Julian, US-Militärsprecher, wird die US-Armee künftig keine Angaben zu den Zahlen getöteter "Aufständischer" in Afghanistan machen. Die Entscheidung geht laut Julian auf den neuen Oberkommandierenden der US-Streitkräfte in Afghanistan, General Stanley McChristal, zurück. (1)
Die Zahl der getöteten Afghanen, im US-Sprachgebrauch alles "Aufständische" oder "Taliban-Kämpfer" sei zuletzt zu einem Gradmesser des Konflikts am Hindukusch geworden. Kämpfe und Anschläge der Taliban in Afghanistan haben stark zugenommen, die USA entsenden deshalb Tausende zusätzliche Soldaten.
Im vergangenen Jahr wurden nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP knapp 3.800 "Aufständische" getötet. In diesem Jahr wurden bei Kämpfen bislang 2.310 "Aufständische "getötet. Die Zählung der AP stützt sich auf Angaben der US-Streitkräfte und Informationen der afghanischen Behörden.
Die Bekanntgabe der Zahlen lenke nur vom eigentlichen Ziel ab, so Julian, nämlich "die afghanische Bevölkerung zu schützen". Tatsache ist: Die Bekanntgabe der Zahlen schadet den USA und ihren Verbüündeten, den Krieg als "Freidensmission" in ihren Heimatländern zu verkaufen.
Quelle: http://www.examiner.com/a-2138267~US_military_stops_publicizing_Taliban_body_count.html
(1) In Hintergrund – Das Nachrichtenmagazin Heft 3/2009 ist ein erhellender Artikel "Cheneys Killertruppe und das
große Schweigen" von Horst Schäfer u.a. zur Rolle General Stanley McChristals. McChristal war bis zur Amtsübernahme als Oberkommandierender in Afghanistan am 15. Juni 2009 Chef der geheimen US-Killertruppe "Joint Special Operations Command" (JSOC).
Bundesverfassungsgericht: Behinderungen des BND-Untersuchungsausschusses sind grundgesetzwidrig
(23.07.2009/dpa/hg)
Das Bundesverfassungsgericht hat die Kontrollrechte des Bundestags gegenüber der Regierung deutlich gestärkt. Es erklärte die Behinderung des BND- Untersuchungsausschusses in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss für grundgesetzwidrig. Das Einschränken von Aussagegenehmigungen für Zeugen im Ausschuss sowie die teilweise Sperre von angeforderten Akten verletzten das Informations- und Untersuchungsrecht des Bundestags. Das Bundesverfassungsgericht gab einer Organklage von FDP, Grünen und Linksfraktion weitgehend statt. (Az: 2 BvE 3/07 – Beschluss vom 17. Juni 2009)
Nach den Worten des Zweiten Senats hat das parlamentarische Kontrollrecht besonders großes Gewicht, wenn es um die Aufklärung behaupteter Rechtsverstöße oder vergleichbarer Missstände im Verantwortungsbereich der Regierung geht. Aussagebeschränkungen und die Sperre von Akten könnten nicht durch pauschale Hinweise auf den «Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung» oder das «Staatswohl» gerechtfertigt werden. Die Regierung hätte dem Ausschuss «nachvollziehbar» darlegen müssen, warum bestimmte Beweismittel dem Ausschuss vorenthalten werden sollten.
Das Gericht beanstandete damit unter anderem die Aussagen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Ex-Bundesinnenministers Otto Schily (beide SPD) sowie Ernst Uhrlau, Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND). Deren Weigerung, auf bestimmte Fragen des Ausschusses zu antworten, sei nicht hinreichend begründet worden. Ob die Entscheidung Auswirkungen auf die inzwischen abgeschlossene Arbeit des Ausschusses hat, muss der Bundestag entscheiden.
Die Kläger hatten sich gegen Behinderungen des im April 2006 eingesetzten Ausschusses gewandt, und zwar bei der Aufklärung der Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri (2003/2004) sowie der Entführung und bis 2006 dauernden Inhaftierung des in Bremen geborenen Türken Murat Kurnaz in Guantánamo. Außerdem ging es um die Entführung und Inhaftierung des deutsch-syrischen Islamisten Haydar Zammar in Damaskus.
Nach den Worten des Zweiten Senats gehört die Befugnis, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments. Der Ausschuss dürfe frei von der Einwirkung anderer Staatsorgane entscheiden, welche Beweise er für erforderlich halte.
Zwar genieße der innerste Kern der Regierung – insbesondere die Erörterungen im Kabinett – hohen Schutz. Mit einem pauschalen Verweis auf die «interne Willensbildung» lässt sich laut Gericht aber eine Zurückhaltung von Informationen nicht rechtfertigen – sonst wäre eine parlamentarische Kontrolle unwirksam. Auch die sogenannte Präsidentenrunde, der die Nachrichtendienste, das Bundeskriminalamt sowie die Ressorts Innen, Verteidigung und Justiz angehören, ist laut Gericht nicht völlig tabu.
Auch der allgemeine Verweis auf das «Staatswohl» reicht dem Beschluss zufolge nicht – zumal «das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist». Mitteilungen über Kontakte mit ausländischen Geheimdiensten seien dem Ausschuss nicht ohne weiteres wegen einer angeblichen Gefährdung des Staatswohls entzogen.
Im Fall Kurnaz, so das Gericht weiter, habe die Regierung nicht hinreichend begründet, warum dem Ausschuss die Einschätzungen US- amerikanischer Geheimdienste zu dessen Gefährlichkeit vorenthalten worden seien. Dass dadurch die künftige Zusammenarbeit beeinträchtigt sei, liege jedenfalls nicht auf der Hand.
Vgl. die ausführliche Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.07.2009:
"Eingeschränkte Erteilung von Aussagegenehmigungen und Verweigerung
der Herausgabe von Unterlagen an BND-Untersuchungsausschuss zum Teil verfassungswidrig"
Aus der Geschichte nichts gelernt: Deutsche Soldaten "säubern" den Distrikt Char Darah von "missliebigem Gesindel"
(23.07.2009/rn)
Im Rahmen der bislang größten Militäroffensive der Bundeswehr gegen vermeintliche Taliban haben deutsche Soldaten gemeinsam mit afghanischem Militär einen "Unruhedistrikt" im Norden des Landes mit schwerem Geschütz und ausgedehnten Gefechten wieder "unter Kontrolle" gebracht. Der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammad Omar, teilte am Donnerstag mit, deutsche Truppen und afghanische Sicherheitskräfte hätten den Distrikt Char Darah am Vorabend von Taliban-Kämpfern und Al-Qaeda-Terroristen «gesäubert».
Der Provinzgouverneur berichtete, mindestens 13 Aufständische seien getötet und «zahlreiche» weitere verletzt worden. Was unter dem Begriff "Aufständische" subsumiert wird, zeigen die Erfahrungen aus NATO- und ISAF-Operationen in der Vergangenheit. Die "chirurgischen Eingriffe" entpuppten sich bei genauer Betrachtung als Massaker an der Zivilbevölkerung.
Deutschland ist nie weiter von einer "Friedensmission" entfernt gewesen, als nach dieser Schlacht. Das, was ein grausamer, völkerrechtswidriger Krieg ist, wird dennoch weiter von der Regierung und dem Verteidigungsminister als notwendiger Schutz vor "terroristischen Anschlägen" in Deutschland verklausuliert. Mit Landesverteidigung hat der Krieg am Hindukusch nichts zu tun.
Inland: Bundeswehr gegen aufständische Krisenverlierer?
Gestern, am 22. Juli, hatte Bundesverteidigungsminister Jung in einer Pressekonferenz erklärt, im Rahmen der Inneren Sicherheit müsse die Bundeswehr auch im Inland eingesetzt werden können. "Wenn die Mittel der Polizei zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands nicht mehr ausreichen, muss es möglich sein, die vorhandenen Mittel der Bundeswehr zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen". Auf beharrliches Nachfragen in der gestrigen Bundespressekonferenz, wie und wann ein solcher Einsatz nach Ansicht des Ministers zu erfolgen hätte, kapitulierte Jungs stellvertretender Pressesprecher, "Kapitän zur See" Christian Dienst, "ich zeige mich jetzt intellektuell leicht überfordert."
Ulla Jelpke von der Partei Die Linke vermutet hinter Jungs Vorstoß ein ganz anderes Kalkül: "Mit Landesverteidigung hat weder der Kriegseinsatz am Hindukusch etwas zu tun noch der bewaffnete Inlandseinsatz. Heutzutage, wo die Unionsparteien als Interessenvertreterin des Kapitals größte Sorge vor – dringend notwendigen – sozialen Unruhen haben, ist die Forderung nach bewaffneten Militäreinsätzen im Inland höchst problematisch. Einsätze der Armee gegen streikende oder rebellierende Arbeiter haben in der deutschen Geschichte leider Tradition."
23. Juli 2009 – Aktuelle Artikel und Meldungen zu Israel/Gaza im Hintergrund-Blog:
Die Realität hinter Obamas Bekenntnissen: Zerstörung der Bevölkerung in Gaza – von Sara Roy
Das Schweigen gebrochen? Eine Diskussion beginnt, und führende israelische Intellektuelle verlangen eine unabhängige Untersuchungskommission zu Gaza – von MEDICO international
Schluss mit „Yes we can“? – US-Amerikaner kündigen Obama die Gefolgschaft
(22.07.2009/hg)
Während deutsche Medien noch immer im Obama-Fieber schwelgen, hat sich der Hype in den USA offensichtlich gelegt und ist einer kühleren Betrachtung gewichen. Ein aktuelles Umfrageergebnis ergab, Obama ist nach sechs Monaten Amtszeit unbeliebter als sein Vorgänger Bush.
Eine Mehrheit der US-Amerikaner ist laut dieser Umfrage der Nachrichtenagentur AP wieder der Ansicht, dass sich die USA auf einem falschen Kurs befinden. Auch die allgemeine Zufriedenheit mit dem Präsidenten hat in den vergangenen Monaten abgenommen.
Nach einer Gallup-Umfrage liegt Obama nach einem halben Jahr mit seinen Zustimmungswerten nur auf Rang zehn der bisher zwölf US-Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg. (1)
(1) http://www.welt.de/politik/ausland/article4166364/Obama-nach-sechs-Monaten-unbeliebter-als-Bush.html
Somalia: Sollen französiche Kriegsschiffe und Hubschrauber die Agenten befreien?
(22.07.2009/hg)
Französische Hubschrauber und Kriegsschiffe sollen in Mogadishu und der 111 km südlich der Hauptstadt gelegenen Stadt Merka verstärkt operieren. Laut einem Bericht von shabelle.net, einem somalischen Hörfunkprogramm, bestätigen Augenzeugen die militärische Präsenz. (1)
Die Hubschrauber fliegen über und um den Präsidentenpalast in Mogadishu, Bewohner der beiden Städte äußerten sich besorgt über die Militäroperationen. Die Frage ist, ob Frankreich tatsächlich eine gewaltsame Befreiung der beiden von der Gruppe Al-Schabaab entführten Agenten plant.
Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner hatte gestern in Paris erklärt, dass er eine "gewaltsame Befreiung"der angeblichen "Militärberater" nicht ausschließe. (2)
(1) http://www.shabelle.net/
(2) dpa
Honduras: Vermittlungs-Gespräch erneut gescheitert
(20.07.2009/dpa/hg)
Die Gespräche über eine Einigung nach dem Putsch in Honduras sind am Sonntag ohne Einigung zu Ende gegangen. Die Delegation des Putschisten und selbsternannten "Präsidenten" Roberto Micheletti sagte, die neue Regierung könne insbesondere die Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya nicht akzeptieren.
Der Präsident von Costa Rica, Oscar Arias, der als Vermittler einen Plan zur Überwindung der Krise in Honduras vorgelegt hatte, warnte nach dem Gespräch vor einem Bürgerkrieg in dem mittelamerikanischen Land. Er gab den Kontrahenten noch einmal 72 Stunden, um die Verhandlungspapiere zu studieren.
Nach dem Abbruch der Gesprächsrunde warnte Arias vor der Gefahr eines Bürgerkrieges in Honduras. «Was geschieht, wenn ein bewaffneter Bürger nun auf einen Soldaten schießt, und was, wenn ein Soldat sein Gewehr auf einen bewaffneten Bürger abfeuert?», fragte der sichtlich enttäuschte Nobelpreisträger.
Der Plan von Arias sieht unter anderem die Bildung einer Regierung der nationalen Versöhnung unter Zelaya vor. Des weiteren schlug Arias vor, die für Ende November vorgesehenen Wahlen in Honduras auf Oktober vorzuziehen. Zudem soll es eine politische Amnestie für etwaige Vergehen im Zusammenhang mit der Staatskrise geben. Zelaya hatte zwar signalisiert, den Plan zu akzeptieren, allerdings nicht um jeden Preis und nur unter der Bedingung, dass in der zu bestimmenden Regierung keine an dem Staatsstreich beteiligten Personen vertreten seien.
«Wir werden weder unsere Werte noch unsere Prinzipien verletzen», sagte Zelaya. «Wir werden den Putschisten keine Zugeständnisse machen. Die Putschisten müssen bestraft werden, damit der ganzen Welt klar wird, dass so etwas nicht wieder passieren darf. Niemand kann uns das Recht nehmen, in unsere Heimat zu unseren Familien zurückzukehren.
Die Ablehnung durch die Micheletti-Delegation war dagegen eindeutig. Carlos López, Michelettis Chefdelegierter, sagte, der Sieben-Punkte-Plan sei nicht akzeptabel. Er stelle insgesamt eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes dar. «Die Vermittlung hat nicht verstanden, dass die Absicht, Herrn José Manuel Zelaya als Präsidenten einzusetzen, gegen das interne Recht der Republik gerichtet ist. … Das stellt einen Eingriff in die internen Angelegenheiten von Honduras dar», erklärte López vor der Presse.
Während die internationalen Verbündeten Zelayas unter der Führung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez alles tun, um Zelaya die Rückkehr in Präsidentenamt sofort zu ermöglichen, setzten vor allem die USA auf einen "Dialog". Die erste Gesprächsrunde bei Arias in dessen Residenz in Jan José war bereits in der vergangenen Woche ohne Ergebnis geblieben.
Vgl. Hintergrund-Artikel zu Honduras:
Honduras und eine nackte Frau in Venezuela
Die Rolle des Internationalen Republikanischen Institutes "IRI" beim Coup in Honduras
Honduras: Deutsche Partner der Putschisten
Honduras: Die Nichtigkeit des Coups
Afghanistan: Bundeswehr schießt auf Zivilisten – zwei Tote
(20.07.2009/dpa/hg)
Deutsche Soldaten haben am Sonntag im Norden Afghanistans zwei Zivilisten erschossen. Das Bundeswehr -Einsatzführungskommando Potsdam stellt den Vorfall so dar, dass angeblich ein mit sechs Afghanen besetzter Kleinlaster außerhalb des Stützpunkts in Kundus "mit hoher Geschwindigkeit auf eine Stellung deutscher Infanteriekräfte zugefahren" sei. Die Soldaten hätten Warnschüsse abgefeuert, der Fahrer des Wagens habe dennoch die Fahrt fortgesetzt. Daraufhin hätten die Soldaten gezielt auf das Fahrzeug geschossen, um es zum Halten zu bringen.
Dabei sei ein Jugendlicher getötet worden, drei weitere Menschen seien schwer verletzt worden. Einer der Verletzten erlag auf dem Weg in das Rettungszentrum des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus seinen Verletzungen. Nach Angaben der Bundeswehr mussten die Soldaten von einem Angriff ausgehen. Sie hätten ihre Waffen im Einklang mit den bestehenden Regeln eingesetzt. Zivile Opfer im Kampf gegen Aufständische sorgen immer wieder für massiven Unmut in der afghanischen Bevölkerung.
Unterdessen veröffentlichten die Taliban das Video eines vor knapp drei Wochen in Afghanistan gekidnapten US-Soldaten. In dem Film ruft der Soldat seine Landsleute unter anderem dazu auf, die US-Regierung zum Abzug der Truppen aus Afghanistan zu bewegen. Das Verteidigungsministerium in Washington bestätigte am Sonntag, dass es sich bei dem gezeigten Mann um den 23-jährigen Gefreiten Bowe Bergdahl aus dem Bundesstaat Idaho handelt.
Bei dem Hubschrauber-Absturz in Kandahar wurden nach Angaben der Internationale Schutztruppe ISAF mindestens 16 Menschen getötet und fünf weitere verletzt. Der zivile Hubschrauber vom russischen Typ «Mi-8» sei im Auftrag der ausländischen Truppen unterwegs gewesen und am Sonntag unmittelbar nach dem Start auf dem Flughafen der Stadt Kandahar verunglückt. Soldaten seien nicht zu Schaden gekommen, hieß es. Die Ursache des Absturzes werde untersucht.
Militärtribunale in Guantanamo werden fortgesetzt – Angeklagte boykottieren Anhörung
(18.07.2009/dpa/hg)
Weiterhin will die US-Regierung die Öffentlichkeit glauben machen, der 11. September 2001 sei das Werk "islamistischer Terroristen" gewesen. Fünf so genannte "Hauptdrahtzieher" haben am Donnerstag jedoch eine Anhörung vor einem Militär-Sondergericht im Gefangenenlager Guantánamo Bay boykottiert. Die Vorverhandlung, bei der es um die geistige Zurechnungsfähigkeit von zwei der Terrorverdächtigen gehen sollte, wurde daher zunächst verschoben, wie die Zeitung «Miami Herald» berichtete.
Das Fernbleiben war deshalb besonders problematisch, weil drei der Angeklagten als ihre eigenen Anwälte auftreten, darunter der als Chefplaner präsentierte Chalid Scheich Mohammed. Die beiden anderen wollen sich ebenfalls selbst verteidigen. Nun soll zunächst geklärt werden, ob sie dazu geistig in der Lage sind. Einer von ihnen ist Ramzi Binalshibh, dem die US-Militärermittler eine angebliche Verbindung zur Hamburger Al Qaeda-Zelle und Mohammed Atta vorwerfen. Nach Angaben einer ihm zugewiesenen Pflichtverteidigerin sind Binalshibh Psychopharmaka verschrieben worden, die etwa in Fällen von Schizophrenie verordnet werden.
Bereits am Mittwoch hatten Anhörungen im Fall von drei anderen Guantánamo-Angeklagten stattgefunden, darunter Omar Khadr, der 2002 im Alter von 15 Jahren in Afghanistan angeblich einen US-Soldaten getötet haben soll und bei den dortigen Verhören durch US-Geheimdienste schwer gefoltert wurde. Er ist der jüngste Häftling in Guantánamo Bay (vgl. Hintergrund-Artikel ). In allen drei Fällen beantragte die Anklage mit Blick auf das ungeklärte weitere Vorgehen gegen die Guantánamo-Insassen offiziell einen Aufschub des Verfahrens. Die Richter in zwei der Anhörungen stimmten bereits zu, während nach Medienberichten die Entscheidung im Fall Khadr zunächst noch ausstand.
US-Präsident Obama hatte kurz nach seinem Amtsantritt im Januar vollmundig einen vorläufigen Stopp der Militärtribunale und eine Überprüfung aller einzelnen Gefangenen-Fälle verfügt, mittlerweile jedoch tritt er für eine Beibehaltung der Sondergerichte ein und will diese lediglich auf eine "juristische Grundlage" stellen.
Milliardenschulden zweier arabischer Wirtschaftsimperien bringen die Region ins Wanken
(18.07.2009/FTD)
Bisher galten Unternehmer aus dem Nahen Osten als Investoren mit fast unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten. Nun stecken zwei Unternehmensimperien aus Saudi-Arabien in tiefer Geldnot. Sie schulden 120 Banken weltweit mehrere Mrd. US-Dollar. Die Schieflage bedroht den gesamten arabischen Raum.
Die Zahlungsschwierigkeiten zweier Familienunternehmen in Saudi-Arabien bringen eine gesamte Region ins Wanken. Die Saad- und Algosaibi-Konglomerate versuchen seit Tagen, ihre Schuldenlast zu verringern und Anleger zu beruhigen. Für die Gläubigerbanken steht sehr viel Geld auf dem Spiel. Finanzinstitute aus dem Land selbst haben Kredite in Höhe von 4 bis 7 Mrd. US-Dollar ausstehen. Insgesamt geht es laut Analystenschätzungen um 15,7 Mrd. US-Dollar, rund 120 Banken wären von einem Kollaps der Firmen betroffen.
Die betroffenen Firmenimperien sind weit verzweigt – und eng miteinander verbunden. Die Familie der Gosaibis begann in der Landwirtschaft sowie Perlenzucht und verdient ihr Geld inzwischen im Finanzgewerbe, mit Immobilien, Schiffen und dem Abfüllen von Pepsi. Die Saad-Gruppe gehört dem ehemaligen Luftwaffenoffizier Maan al-Sanea, der in Kuwait geboren wurde. Er heiratete in die Gosaibi-Familie ein. Das Unternehmen ist nach seinem verstorbenen Sohn benannt und an zahlreichen Firmen weltweit beteiligt, unter anderem an dem britischen Hausbauer Berkeley.
Israels Soldaten brechen Schweigen über Gaza-Krieg
(16.07.2009/dpa)
Ende des Schweigens: Ein halbes Jahr nach dem Ende des Gaza-Kriegs haben israelische Soldaten schwere Vorwürfe gegen die eigene Militärführung erhoben, die ein brutales Vorgehen gegen palästinensische Zivilisten ermutigt habe. Die vor fünf Jahren gegründete israelische Organisation «Breaking the Silence» veröffentlichte am Mittwoch einen Bericht mit 54 anonymen Aussagen von Kampfsoldaten, die zur Jahreswende an der dreiwöchigen Militäroffensive «Gegossenes Blei» teilnahmen. Bei dem Einsatz, der am 18. Januar endete, waren mehr als 1.400 Palästinenser getötet und 5.000 weitere verletzt worden.
Die israelische Armee teilte mit, sie bedauere, «dass eine weitere Menschenrechtsorganisation Israel und der Welt einen Bericht vorlegt, der auf anonymen und allgemeinen Zeugenaussagen basiert, ohne ihren Hintergrund und ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen». Es handele sich um «Diffamierung und Verleumdung der israelischen Armee und ihrer Kommandeure». Menschenrechtler haben schon mehrfach über brutales Vorgehen der israelischen Armee während des Feldzugs berichtet.
In dem jüngsten Bericht wird über Zeugenaussagen berichtet, nach denen Häuser und Moscheen unötig zerstört und Phosphorbomben in dicht bevölkerten Gebieten eingesetzt worden sein sollen. Zudem wird über eine Atmosphäre berichtet, die Soldaten zu wildem, ziellosem Schießen ermutigt habe. Soldaten hätten auch grundlos auf Wassertanks geschossen und Computer, Fernseher und andere Gegenstände in privaten Wohnungen zerstört. In mehreren Aussagen hieß es, dass palästinensische Zivilisten als «menschliche Schutzschilder» eingesetzt wurden.
Die Kommandeure hätten den Soldaten vermittelt, dass sie ohne moralische Einschränkungen vorgehen könnten und das wichtigste sei, dass kein israelisches Leben verloren gehe. Einer der Soldaten erzählte, sein Kommandeur habe gesagt: «Keinem meiner Soldaten soll ein Haar gekrümmt werden, und ich bin nicht bereit, es einem Soldaten zu erlauben, sich selbst durch Zögern zu gefährden. Wenn Du nicht sicher bist – schieße!» Im Zweifelsfalle habe man getötet. «Die Feuerkraft war wahnsinnig.» Im Kampf in Wohngebieten sei «jeder der Feind, es gibt keine Unschuldigen». Ein Bataillonsführer sagte den Berichten zufolge: «Mein bester Arabisch-Dolmetscher ist mein Granatenwerfer.»
Ein anderer Soldat berichtete von «Hass und Freude am Töten» unter seinen Kameraden. «Man fühlt sich wie ein kleines Kind mit einem Vergrößerungsglas, dass Ameisen anschaut und sie verbrennt», sagte ein weiterer Soldat dem Bericht zufolge. «Ein 20-Jähriger sollte anderen Menschen nicht diese Dinge antun müssen.»
Michael Manekin von «Breaking the Silence» erklärte, die Zeugenaussagen bewiesen, «dass die unmoralische Art und Weise, auf die der Krieg geführt wurde, Schuld des Systems und nicht des individuellen Soldaten war». «Dies ist ein dringender Aufruf an die israelische Gesellschaft und Führung, einen unverschleierten Blick auf die Dummheit unserer Politik zu werfen.»
US-Militärtribunale nehmen Arbeit wieder auf – 11. September 2001 wird in Guantanamo "verhandelt"
(16.07.2009/dpa)
Die US-Militärtribunale im umstrittenen Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba haben am Mittwoch mit einer Reihe von Anhörungen ihre Arbeit wieder aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft beantragte im Falle von drei Angeklagten einen vorläufigen Stopp ihrer Verfahren für eine neuerliche Überprüfung, teilte ein Sprecher der Tribunale mit.
Am Donnerstag sollten fünf im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 angeklagte Terrorverdächtige vor Gericht wegen verfahrenstechnischer Anhörungen erscheinen. Darunter ist den Angaben zufolge auch der mutmaßliche Chefplaner Chalid Scheich Mohammed und Ramzi Binalshibh, der nach Ansicht von Ermittlern zur Hamburger El- Kaida-Zelle um den Anführer der Todespiloten, Mohammed Atta, zählte.
US-Präsident Barack Obama hatte kurz nach seinem Amtsantritt im Januar die Militärtribunale zunächst ausgesetzt. Im Mai hatte er sich jedoch für eine Wiedereinsetzung der Sondergerichte entschieden. Menschenrechtsorganisationen hatten den Schritt scharf kritisiert. US-Kommentatoren zufolge stellte sich Obama mit seiner Entscheidung auf die Seite des Militärs. Die Streitkräfte befürchteten erhebliche juristische Probleme, falls die Terrorverdächtigen vor normale Gerichte gestellt würden; einige Prozesse könnten dann mit Freisprüchen enden, hieß es. Obama will das Gefangenenlager bis zum Januar nächsten Jahres endgültig schließen.
Die CIA und Ex-Vize Cheney: Justizminister Holder will strafrechtliche Ermittlungen einleiten
(13.07.2009/dpa/hg)
Ex-Vizepräsident Dick Cheneys Geheimniskrämerei über CIA- und Abhörprogramme sorgen in Washington für heftigen Aufruhr, und Justizminister Eric Holder erwägt nun doch Ermittlungen gegen CIA-Mitarbeiter wegen Foltervorwürfen. Nie hat Obama einen Hehl daraus gemacht, er würde Vergangenes lieber auf sich beruhen lassen. Doch mittlerweile, stellt die «Washington Post» am Montag fest, muss die neue Regierung einräumen: Um eine Aufarbeitung des hässlichen Erbes von Bushs Anti-Terror-Politik kommt sie kaum herum.
Wieder einmal steht Cheney im Fokus, einer der entscheidenden Architekten von Bushs «Krieg gegen den Terror». Der ehemalige Vize ist inzwischen deutlich präsenter auf der politischen Bühne Washingtons als sein Ex-Chef. «Hat Cheney das Gesetz gebrochen?», fragte am Montag der US-Fernsehsender CNN. Für führende Demokraten ist die Sache klar: Er war es, auf dessen Anweisung dem Kongress ein CIA- Geheimprogramm vorenthalten wurde (Vgl. Hintergrund, aktuelle Kurzmeldung vom 10.07.2009). «Das ist ein großes Problem, weil das Gesetz hier sehr klar ist», meinte die demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, Dianne Feinstein. Auf Obama steigt nun der Druck, doch einmal genauer hinzuschauen.
Zu Zeiten der Regierung Bush war Cheney der vehementeste Befürworter von Verschwiegenheit bei Staatsangelegenheiten, vor allem im Zusammenhang mit Aktivitäten der Geheimdienste. Erst am Freitag hatte ein Regierungsbericht enthüllt, dass der Vize nur einen erwählten Kreis Einzelheiten über ein Abhörprogramm ohne Gerichtsbeschlüsse wissen ließ – «ein Grad von Geheimniskrämerei, der dem Bericht zufolge die Effektivität der Lauschangriffe als Mittel gegen den Terrorismus minderte», wie die «New York Times» scheibt.
Menschenrechtler haben Oberwasser. Seit Monate schon verstärken sie den Druck auf die Obama-Regierung, Misshandlungen von Gefangenen und anderen Rechtsverletzungen während der Bush-Ära auf den Grund zu gehen. Umso größer ihr Jubel, da Justizminister Holder nun offenbar erwägt, einen Ermittler zu berufen, der Foltervorwürfe gegen CIA- Agenten untersuchen soll – selbst wenn dies zu einem Konflikt mit Obama führen sollte. «Es ist an der Zeit, den schweren Menschenrechtsverstößen der letzten Regierung endlich auf den Grund zu gehen», sagt Jameel Jaffer von der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU. Strafrechtliche Ermittlungen seien ein «entscheidender Schritt, die moralische Autorität der USA im Ausland wiederherzustellen und Recht und Gesetz daheim Geltung zu verschaffen».
Wie weit Holders Ermittlungen tatsächlich gehen werden und ob die Obama-Administration es tatsächlich wagt, Mitglieder aus Bushs Kabinett strafrechtlich zu verfolgen, bleibt abzuwarten.
Hessen: Effektive Steuerfahndung staatlich unerwünscht? Psychiater erklärte Finanzbeamte für paranoid
(13.07.2009/dpa/fr)
Der Vorwurf wiegt schwer: Ein Psychiater soll dem Land mit Gefälligkeitsgutachten geholfen haben, unliebsame Steuerfahnder loszuwerden. Die Oppositionsparteien verlangen Aufklärung. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Der Psychiater soll die Steuerfahnder mit fragwürdigen Gutachten dienstunfähig geschrieben haben, lautet der von der hessischen Landesärztekammer erhobene Vorwurf, wie das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» berichtet. Die Praxis- und Büroräume des Mediziners seien bereits durchsucht worden. Das von der Kammer angestrengte Verfahren kann bis zur Erklärung der Berufsunwürdigkeit gehen.
Wegen interner Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern und der der Leitung der hessischen Finanzbehörde soll der Arzt in mindestens vier Fällen die Beamten für «dienstunfähig» erklärt haben. Die Diagnosen lauteten dem Bericht zufolge unter anderem auf «Anpassungsstörung» oder «paranoid-querulatorische Entwicklung». Die Steuerfahnder seien daraufhin gegen ihren Willen in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden. Der Mediziner erklärte laut «Spiegel», er habe seine Gutachten ordnungsgemäß und handwerklich sauber erstellt. Die Landesärztekammer werfe dem Arzt dagegen «Gefälligkeitsgutachten» und Missachtung der ärztlichen Sorgfaltspflicht vor.
Hintergrund ist eine länger zurückliegende Affäre in der hessischen Steuerverwaltung. Zahlreiche Steuerfahnder hatten sich gegen eine interne Verfügung aus dem Jahr 2001 gewandt, die Geldtransfers ins Ausland unter 500.000 Mark als steuerrechtlich unverdächtig einstufte und so die Verfolgung zahlreicher Steuerflüchtlinge untersagte. Einige Fahnder vermuteten dahinter die politische Absicht, durch eine wenig effektive Steuerfahndung für ansiedlungswillige Firmen attraktiver zu werden. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags hatte sich mehr als zwei Jahre lang mit den Vorwürfen beschäftigt. Das von den Medien kaum beachtete Ergebnis: CDU und FDP sahen Hessens Finanzminister Karlheinz Weimar entlastet, auch die Grünen erkannten keine Hinweise mehr auf politisch motivierte Steueramnestie. Nun steht Weimar erneut im Kreuzfeuer der Kritik. Linkspartei-Fraktionschefin Janine Wissler erklärte, Weimar sei als Finanzminister "nicht länger tragbar", sollte er den Verdacht nicht ausräumen können, "dass mutige Steuerfahnder mit Billigung der höchsten politischen Ebene kaltgestellt worden sind."
CIA täuschte US-Kongress jahrelang – "Bedeutsame Aktionen" vorenthalten
(10.07.2009 – dpa/hg)
Der US-Geheimdienst CIA hat Abgeordneten der Demokraten zufolge den Kongress jahrelang in die Irre geführt. Der neue CIA-Direktor Leon Panetta habe vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses ausgesagt, seine Behörde habe dem Parlament von 2001 bis zum vergangenen Monat «bedeutsame Aktionen» vorenthalten. Das teilten sieben Mitglieder des Ausschusses in einem am Mittwoch veröffentlichten Brief mit.
Einzelheiten über die jeweiligen CIA-Operationen wurden nicht bekannt. «Wegen Belanglosigkeiten würden wir aber nicht so vorgehen», sagte Gremiumsmitglied Rush Holt der «New York Times» am gestrigen Donnerstag zum Schritt der Abgeordneten, den eigentlich an Panetta gerichteten Brief vom 26. Juni zu veröffentlichen. Der CIA-Direktor hatte den Abgeordneten hinter verschlossenen Türen Rede und Antwort gestanden.
Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Silvestre Reyes, übte scharfe Kritik am Vorgehen der CIA. Sein Gremium sei in der Vergangenheit «in die Irre geführt worden, es wurde nicht umfassend unterrichtet und (in mindestens einem Fall) wurde es belogen».
Ein CIA-Sprecher unterstrich derweil, dass die Behörde ihrerseits die Initiative ergriffen habe, die Aufsichtsgremien über frühere Versäumnisse zu informieren. Der Geheimdienst und sein Chef Panetta «sind der Überzeugung, dass es entscheidend ist, den Kongress umfassend und zeitnah zu unterrichten».
Ob die neue Redseligkeit von Teilen der CIA auch neue Erkenntnisse zur Aufklärung des 11. September 2001 oder aktuelle Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan beisteuert, ist indes weiter ungewiss. Erstaunen erntete in der vergangenen Woche der CIA-Veteran Michael Scheuer, als er in einem Fox-Interview mit Genn Beck, Moderator und Sprachrohr der Neokonservativen, erklärte: “… die einzige Chance, die wir jetzt als Land noch haben ist, dass Osama Bin Laden eine große Waffe in die USA schleust und auch zündet. (…) Nur Osama kann einen Angriff ausführen, der die Amerikaner dazu zwingt von ihrer Regierung zu fordern, sie effektiv zu schützen, und zwar ständig und mit so viel Gewalt wie nötig.”
Scheuer ist der ehemalige Anführer jener CIA-Einheit, die angeblich das Phantom Osama Bin Laden fast ein Jahrzehnt lang gejagt hatte.
Reaktion auf Dresdner Mord an einer Muslimin: Teheran legte Protest beim deutschen Botschafter ein
(10.07.2009/dpa/hg)
Die tödliche Messerattacke auf eine Muslimin in einem Dresdner Gerichtssaal hat im Iran wütende Proteste ausgelöst. Bei einem "Trauermarsch" protestierten am Freitag Hunderte Menschen – meist Anhänger der iranischen Regierung – gegen den Umgang mit der Bluttat in Deutschland. Die Regierung in Teheran legte bei der deutschen Regierung Protest gegen "dieser unmenschlichen Tat" ein.
Die Demonstranten im Iran riefen "Nieder mit Deutschland", "Nieder mit Hosni Mubarak" oder "Märtyrerin des Hijabs" (islamischer Schleier). Sie trugen symbolisch die Attrappe eines Sarges von der Teheraner Universität zum Palästina-Platz im Zentrum der Hauptstadt.
In einer Protestnote, die dem deutschen Botschafter Herbert Honsowitz übergeben wurde, forderte der Iran laut Nachrichtenagentur Fars die Berliner Regierung dazu auf, die Rechte und die Sicherheit aller Minderheiten, einschließlich der Muslime, zu garantierten. Auch Italiens Botschafter Alberto Bradanini wurde ins Außenministerium einbestellt, weil die G-8-Staaten zu der Bluttat geschwiegen hätten. Italien hat derzeit den Vorsitz der G-8 inne.
Die schwangere Ägypterin Marwa S. war am 1. Juli mitten in einem Berufungsprozess am Dresdner Landgericht von dem Angeklagten mit mindestens 18 Messerstichen getötet worden. Gegen den Täter, einen aus Russland stammenden Deutschen (28), der in der Vorinstanz wegen Beleidigung der Ägypterin zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, wurde wegen Mordes Haftbefehl erlassen.
Die Tat hat bisher vor allem unter Muslimen in Deutschland sowie in der ägyptischen Heimat der aus Alexandria stammenden Marwa S. für Empörung gesorgt. Der in der arabischen Welt populäre ägyptische Autor Alaa Al-Alwani warf dem Westen in einem Beitrag für die «Süddeutsche Zeitung» (Freitag) Doppelmoral vor. Während etwa die bei den jüngsten Demonstrationen in Teheran getötete Neda, deren Bild um die Welt ging, stark betrauert werde, finde der Tod von Marwa S. kaum Beachtung. Muslim-Verbände in Deutschland haben der Bundesregierung vorgeworfen, nicht genug gegen Islam-Feindlichkeit zu tun.
Dresden: Apothekerin wurde Opfer eines „notorischen Ausländerhassers“
(06.07.2009)
Angeklagter tötet Zeugin mit 18 Messerstichen im Gerichtssaal. – Die 32-jährige Apothekerin Marwa E. lebte seit 2005 mit ihrem Mann Ali in Dresden. Sie arbeitete dort in einer Apotheke, er ist Stipendiat am renommierten Max-Planck-Institut.
Im August 2008 begegnete Marwa E. auf einem Dresdner Kinderspielplatz im Stadtteil Johannstadt dem 28-jährigen Alexander W. Nachdem sie ihn bat, auf einer Schaukel Platz für ihren Sohn zu machen, beschimpfte er sie unter anderem mit den Worten “Islamistin”, “Terroristin” und “Schlampe”. Marwa E. ist Ägypterin, Muslima und trägt Kopftuch.
Marwa E. wollte sich gerichtlich gegen diese Beleidigungen wehren. Es kam zu einer Verhandlung, in der Alexander W. vom Amtsgericht Dresden zu einer Geldstrafe von 780 Euro verurteilt wurde.
Gegen dieses Urteil ging die Staatsanwaltschaft in Berufung, weil ihr das Strafmaß als zu milde erschien und der Angeklagte sich uneinsichtig zeigte. Am 1. Juli begann die erneute Verhandlung vor dem Landgericht Dresden.
W., der zuvor nicht anwaltlich vertreten worden war, wurde nun Markus Haselier als Pflichtverteidiger beigeordnet. Die 12. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Tom Maciejewski hatte ihn dazu verpflichtet – wegen der Unfähigkeit des Angeklagten, sich selbst zu verteidigen, wie es hieß. (Sächsische Zeitung)
Weil Alexander W. in dem Strafverfahren am 1.Juli Marwa E. erneut massiv beleidigte, hatte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht auf eine Haftstrafe gedrängt. Nach einer Stunde eskaliert die Situation, gerade in dem Moment in dem Marwa E. ihre Zeugenaussage beendet hatte. Alexander W. stürzt sich auf Marwa E., sticht innerhalb von 30 Sekunden 18 mal auf sie ein. Er ruft dabei “Du hast kein Recht, zu leben”. Marwa E. ist zu diesem Zeitpunkt im dritten Monat schwanger, ihr dreijähriger Sohn wird Zeuge des Mordes und ihr Ehemann, der ihr zu Hilfe eilen will, wird ebenfalls lebensgefährlich verletzt und zudem noch versehentlich von einem Polizisten angeschossen. Er ist mittlerweile außer Lebensgefahr. Der dreijährige Sohn wird betreut.
Während viele Medienberichte noch über das (so offensichtliche) Motiv rätseln, ihre Artikel teilweise irreführend betiteln mit “Mord wegen Streit um Schaukel”, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am vergangenen Donnerstagabend im MDR-Fernsehen, der Täter sei ein “notorischer Ausländerhasser”. (FR-Online)
Der 72-jährige Ägypter Nabil Yacoub, ehemaliger Geschäftsführer des Dresdner Ausländerrats, gab der Sächsischen Zeitung gegenüber Aufschluss über die Hintergründe des Falles: „Die jetzt so schwer geschädigte ägyptische Familie hat seit vier Jahren in Dresden gelebt. Die Frau ist Apothekerin gewesen, ihr Mann Pharmakologe am Max-Planck-Institut. Er ist Stipendiat seiner Regierung. Der Anschlag macht bereits in Ägypten Schlagzeilen. Die Botschaft hat sich eingeschaltet.“ Auch die Frauen anderer Stipendiaten, die wie Marwa S. Kopftuch tragen, hätten bereits über Anfeindungen geklagt. „Wir wollten ihnen Mut machen, sich an die Behörden zu wenden, damit die Verwaltung Bescheid weiß“, sagte Yacoub. (Sächsische Zeitung)
Viele muslimische Frauen, die wegen ihrer Kleidung angefeindet oder diskriminiert werden, trauen sich nicht, sich damit an die zuständigen Stellen zu wenden. Deswegen versucht man in vielen Gemeinden, Ausländerbeiräten und Antidiskriminierungsstellen, diese Frauen dazu zu ermutigen, ihre Stimme zu erheben. Marwa E. hatte sich dazu entschlossen, sich nicht als “Terroristin” und “Islamistin” beleidigen zu lassen. In drei Monaten wollte sie zusammen mit ihrem Mann zurück nach Ägypten gehen.
Quelle:
http://www.musafira.de/2009/07/03/marwa-e-%E2%80%93-opfer-eines-anti-islamisch-motivierten-mordes/
Obama: Grünes Licht für Israels Bomben auf Iran
(06.07.2009/nzz/ap)
Wenn Israel glaube, dass ein Militärschlag nötig sei, könnten die USA «einem anderen souveränen Staat nicht sagen, was er zu tun hat». Mit diesen Worten begründet der amerikanische Vizepräsident Joe Biden die Haltung der USA, die sich einem allfälligen Militärschlag Israels gegen Iran nicht widersetzen würden.
Zustimmung nicht nötig
Israel könne für sich selbst entscheiden, was es in Bezug auf Iran oder einen anderen Staat tue. «Ob wir zustimmen oder nicht, sie sind berechtigt, das zu tun.» Die israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu hat bislang erklärt, das iranische Atomprogramm solle auf dem Wege der Diplomatie gestoppt werden, ein Militärschlag sei aber als ultima ratio nicht auszuschliessen.
Nun scheint die Regierung des amerikanischen Präsidenten Barack Obama dafür Grünes Licht zu geben. «Wenn die Regierung Netanyahu sich entschliesst, einen unterschiedlichen Ansatz zu verfolgen als den bisherigen, dann ist es ihr souveränes Recht», sagte Biden.
Bidens Beteuerung, die USA könnten nichts gegen eine eventuelle israelische Militäroffensive gegen Iran tun, scheint allerdings bewusst untertrieben: Israelische Kampfflugzeuge müssten zur Bombardierung von Atomanlagen in Iran wohl entweder über das Gebiet des Nato-Staats Türkei oder aber über den von den USA kontrollierten irakischen Luftraum fliegen.
Beide Flugrouten scheinen ohne vorherige Einwilligung Washingtons extrem unwahrscheinlich. Experten wenden zudem ein, dass Luftangriffe auf Atomanlagen das Programm bestenfalls um ein paar Jahre verzögern, nicht aber verhindern würden.
Quelle:
http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/usa_israel_militaerschlag_gruenes_licht_1.2914393.html
Aktuelle Meldungen Januar – Juni 2009