Massaker am Kundus: Kanzleramt contra Guttenberg

(30.11.2009/dpa/hg)

Das für Verteidigungspolitik zuständige Referat im Bundeskanzleramt hat nach einem Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“ vom Montag den von der Bundeswehr angeforderten Luftangriff auf zwei Tanklastwagen in der afghanischen Provinz Kundus schon vor der Bundestagswahl am 27. September als militärisch unangemessen eingestuft. (1)

Das Referat sei zu einem anderen Schluss als Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gekommen. Dieser hatte den Luftschlag noch am 6. November als „militärisch angemessen“ bezeichnet und hinzugefügt: „Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen.“

Unter Berufung auf „Regierungskreise“ berichtete der „Kölner Stadtanzeiger“, dass die Experten des Kanzleramtes zu der Einschätzung gekommen seien, dass der Befehl von Oberst Georg Klein zum Luftangriff auf die Tanklaster bei Kundus am 4. September militärisch nicht angemessen war und es deshalb zu einem Gerichtsverfahren kommen werde.

Regierungssprecher Christoph Steegmans wollte die Angaben der Zeitung am Montag in Berlin nicht bestätigen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte: „Ich kenne keine Einschätzung des Kanzleramtes zu dieser Frage.“

Unterdessen sind im Bundeswehr-Feldlager im afghanischen Masar-i- Scharif T-Shirts mit einer menschenverachtenden Aufschrift im Bezug auf die verheerende Tankwagen- Bombardierung und das Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ aufgetaucht.

Auf den Shirts sollen zwei in unterschiedliche Richtungen fahrende Tanklaster zu sehen sein, darüber der englische Bibelvers „“Thou shalt not steal!“, Exodus 2.15“.

Der deutsche Chef des Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral Jürgen Setzer, hat den Verkauf nach Angaben eines Ministeriumssprechers umgehend stoppen lassen und den Bundeswehr-Angehörigen das Tragen der Shirts verboten.

Mittlerweile sei Setzer durch Brigadegeneral Frank Leidenberger abgelöst worden, schreibt Bild.de.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom Sonntag wurden die T-Shirts in einem nicht von Deutschen betriebenen Laden auf dem Lagergelände verkauft.

Bei dem Massaker am Fluss Kundus sind nach Angaben eines unabhängigen Rechercheteams um den Bremer Rechtsanwalt Karim Popal zahlreiche Kinder ums Leben gekommen. Insgesamt habe es 179 zivile Opfer gegeben und nur fünf tote Taliban gegeben. (2)

Am Donnerstag, den 3.12.09, wird im Deutschen Bundestag über die Verlängerung des von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnten Afghanistaneinsatzes abgestimmt.

Derweil haben 725 Künstler und Kulturschaffende einen Aufruf gegen eine weitere Verlängerung des Bundeswehrmandats unterschrieben. (3)

(1) http://www.ksta.de/html/artikel/1256137089840.shtml
(2) http://www.hintergrund.de/20091127540/politik/inland/tats%C3%A4chliche-opferzahlen-des-massakers-von-kun dus-bekanntgegeben-179-zivile-opfer-und-5-taliban.html
(3) www.Unruhestiften.de

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