Nach dem Missbrauchsskandal: Massenaustritte aus der katholischen Kirche

(06.04.2011/dpa)

Rund 180.000 Katholiken haben 2010 nach Recherchen der Zeit-Beilage Christ & Welt ihrer Kirche den Rücken zugekehrt. Das sind gut 50.000 Austritte und damit fast 40 Prozent mehr als im Jahr 2009. Damals lag die Zahl bei 128.800. Die Daten für 2010 beruhen auf einer Umfrage unter den 27 deutschen Bistümern, von denen 24 endgültige Zahlen nannten oder Schätzungen abgaben. Die drei Diözesen Freiburg, Hildesheim und Limburg machten keine Angaben.

Damit könnten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik mehr Katholiken als Protestanten aus der Kirche ausgetreten sein. Nach Schätzungen der Evangelischen Kirche Deutschlands werden die protestantischen Kirchenaustritte 2010 leicht unter 150.000 liegen.

„Der Anstieg der Kirchenaustritte im Jahr 2010 steht auch für einen Vertrauensverlust, den die Kirche besonders durch die Missbrauchsfälle erlitten hat“, sagte der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp in der Zeitung. „Das ist schmerzlich für uns, weil offenbar viele Menschen den Kirchenaustritt als ihre persönliche Form des Protests und der Abscheu vor diesem Skandal gewählt haben.“

Allein in Deutschlands größtem Erzbistum Köln verließen im vergangenen Jahr 15.163 Katholiken ihre Kirche. Dies entspricht einem Anstieg von 41 Prozent gegenüber 2009, als am Rhein 10.727 Katholiken austraten. In den bayerischen Bistümern Eichstätt, Augsburg, Bamberg, Würzburg und Passau stiegen die Austrittszahlen sogar um bis zu 70 Prozent. Auch die Bistümer Trier und Rottenburg-Stuttgart vermeldeten Austritte mit Zuwachsraten über 60 Prozent.

Im Januar 2011 war bekannt geworden, dass der  Skandal um Missbrauchsfälle in der Kirche auch im katholischen Österreich tiefe Spuren hinterlassen hat. Dort traten 2010 so viele Menschen aus der katholischen Kirche aus wie nie zuvor. Mit rund 87. 400 Menschen sei 2010 die Zahl der Ausgetretenen im Vergleich zum Vorjahr um 64 Prozent gestiegen, teilten die Diözesen im Januar mit.

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