Nach Kritik an Saudi-Arabien: Berlin pfeift BND zurück

(04.12.2015/dpa)

Die Bundesregierung ist verärgert über eine Warnung des Bundesnachrichtendienstes vor einer destabilisierenden Rolle Saudi-Arabiens in der arabischen Welt. In ungewöhnlich deutlicher Weise wies sie eine entsprechende Analyse des Auslandsgeheimdienstes am Donnerstag zurück. „Die in diesem Fall öffentlich gemachte Bewertung spiegelt nicht die Haltung der Bundesregierung wider“, erklärte ein Regierungssprecher. „Die Bundesregierung betrachtet Saudi-Arabien als wichtigen Partner in einer von Krisen geschüttelten Weltregion.“

Der BND spreche „sicher nicht für die deutsche Außenpolitik, schon gar nicht über Dritte“, hieß es auch aus dem Auswärtigen Amt. „Der BND soll die Bundesregierung mit Informationen versorgen und hoffentlich kluge Analysen liefern.“ Ohne eine konstruktive Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien werde es nicht gelingen, in Syrien und anderswo in der Region die politischen Fortschritte zu erzielen, die dringend gebraucht würden.

Am Mittwoch hatte der dem Kanzleramt unterstehende BND eine Analyse veröffentlicht, in der es unter anderem heißt: „Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt.“

Vor allem die Rolle des neuen Verteidigungsministers und Sohns von König Salman, Mohammed bin Salman, wird vom deutschen Auslandsgeheimdienst kritisch gesehen. Die wirtschafts- und außenpolitische Machtkonzentration auf den Vize-Kronprinzen „birgt latent die Gefahr, dass er bei dem Versuch, sich zu Lebzeiten seines Vaters in der Thronfolge zu etablieren, überreizt“.

Mit kostenintensiven Maßnahmen oder Reformen könne er den Unmut anderer Königshausmitglieder und der Bevölkerung auf sich ziehen. Zudem bestehe die Gefahr, dass er „die Beziehungen zu befreundeten und vor allem alliierten Staaten der Region überstrapaziert“.

König Salman und sein Sohn Mohammed wollten sich als „Anführer der arabischen Welt profilieren“, schreiben die BND-Analysten. Die seit Jahren von dem Land wahrgenommene ungünstige politische Entwicklung werde zum Anlass genommen, die außenpolitische Agenda Saudi-Arabiens „mit einer starken militärischen Komponente sowie neuen regionalen Allianzen zu erweitern“.

Ausschlaggebender Faktor im regionalen Hegemonialstreit mit dem Iran sei das abnehmende Vertrauen in die USA als strategische Schutz- und Ordnungsmacht in der Region, schreibt der Auslandsgeheimdienst. Dabei werde das Verhältnis Riads zu Teheran „durch eine hohe, von wechselseitigem Misstrauen und religiös-ideologischer Feindschaft verstärkte“ Bedrohungswahrnehmung geprägt. Die strategische Rivalität beider Länder wirke sich massiv in der Region aus. Hauptschauplätze der Einflussversuche seien dabei Syrien, Libanon, Bahrain und Irak.

Mit seinem Militäreinsatz im Jemen wolle Saudi-Arabien beweisen, dass es bereit sei, beispiellose „militärische, finanzielle und politische Risiken einzugehen, um regionalpolitisch nicht ins Hintertreffen zu geraten“, analysiert der BND.

Die Absetzung des syrischen Regimes von Präsident Baschar al-Assad stehe als vorrangiges Ziel des saudi-arabischen Engagements in Syrien weiterhin fest, schreibt der BND. Als übergeordnete regionalpolitische Leitlinie solle hierdurch der Einfluss Irans und die Unterstützung Syriens für die schiitische Hisbollah aus Libanon zurückgedrängt werden.

Es sei „ebenso mutig wie ungewöhnlich“, dass sich der Bundesnachrichtendienst derart kritisch über ein Land äußert, das „zumindest offiziell noch immer ein enger wirtschaftlicher und politischer Partner Deutschlands ist“, kommentiert die Welt den Vorgang. Deutschland werde einen Preis dafür zahlen müssen, mit solchen „Partnern“ wie Saudi-Arabien zu kooperieren. Der saudische König wähne sich auf einer Mission: „Die Herrschaft des Islam saudischer Auslegung nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch in Europa, in den USA. Der BND warnt davor. Zu recht. Denn die saudischen Fundamentalisten sind gefangen in ihrer dogmatischen Intoleranz – und damit keinesfalls unsere Freunde“, gibt die Welt zu bedenken.

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