Nach Massaker: Südafrikanischer Minenbetreiber kippt Ultimatum

(21.08.2012/dpa)

Nach nur einem Tag hat der Betreiber der südafrikanischen Lonmin-Platinmine sein Ultimatum an die streikenden Bergarbeiter wieder gekippt. Nach den tödlichen Ausschreitungen mit 44 Toten  hatte die britisch-südafrikanische Firma am gestrigen Montag den streikenden Kumpeln mit Kündigung gedroht, sollten sie nicht bis Dienstag die Arbeit wieder aufnehmen. Wie Firmensprecherin Sue Vey mitteilte, habe das Unternehmen  gemeinsam mit den Gewerkschaften entschieden, diese Woche keine Kündigungen auszusprechen. Man wolle sich darauf konzentrieren, den Betrieb zu stabilisieren.

Es seien inzwischen etwas mehr als ein Drittel der 28.000 Beschäftigten an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, fügte Vey hinzu. Für einen normalen Produktionsbetrieb sei dies aber nicht genug.

In der Mine westlich von Pretoria waren in der vergangenen Woche bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei 42 Arbeiter und zwei Polizisten getötet worden. Die Ausschreitungen gelten als die schlimmste arbeitsbezogene Gewalt seit dem Ende des Apartheid-Regimes 1994. Die Bergleute fordern eine Lohnerhöhung von derzeit 4.500 Rand (440 Euro) auf 12.500 Rand.

Der König des Thembu-Stammes, Buyelekhaya Dalindyebo, forderte die Streikenden bei einem Besuch in dem Bergwerk dazu auf, mit dem Management von Lonmin zu verhandeln. Die meisten Kumpel sind Thembu.

Unterdessen begann in dem Land am Kap eine einwöchige Staatstrauer, die von Präsident Jacob Zuma angeordnet worden war. Alle Flaggen in Südafrika wurden auf Halbmast gesetzt. Zuma hat eine Untersuchungskommission eingerichtet, die am Montag mit der Arbeit begann und ermitteln soll, wie es zu der Gewaltwelle kommen konnte. Geleitet wird die Kommission von Collins Chabane, dem Minister für Leistungsüberwachung, Evaluation und Verwaltung des Präsidialamtes.

„Wir müssen gegenseitige Beschuldigungen vermeiden. Wir müssen uns gegen jedwede Gewalt vereinen“, hieß es in einer Mitteilung des Präsidenten. Es sei wichtig, Frieden, Stabilität und Ordnung aufrecht zu erhalten. „Wir müssen sicherstellen, dass das Recht auf Proteste aufrechterhalten und verteidigt wird, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass dies nicht in illegale Aktionen abgleitet“, äußerte sich Präsidentensprecher Mac Maharaj zu den Vorgängen. Am Montag sollten auch die Gerichtsverfahren gegen 250 Minenarbeiter beginnen, die im Zusammenhang mit den Ausschreitungen festgenommen worden waren.

Die Situation war am vergangenen Donnerstag eskaliert. Die Polizei erklärte, sie habe sich gegen die mit illegalen Schusswaffen ausgerüstete Menge verteidigen müssen. Die Arbeiter bestreiten die Polizeiversion.

In der bestreikten und vom Unternehmen Lonmin PLC betriebenen Mine werden über zehn Prozent des weltweiten Platinbedarfs gefördert. In Südafrika befinden sich etwa 80 Prozent der weltweit bekannten Reserven des Edelmetalls, das unter anderem zur Herstellung von Katalysatoren, Laborgeräten und Schmuckwaren verwendet wird.

Die in Straßburg erscheinende Zeitung Dernières Nouvelles d’Alsace verglich die in den südafrikanischen Minen vorherrschenden Arbeitsbedingungen in einem Kommentar mit der Sklaverei: „In dieser Gesellschaft mit extremen Ungleichgewichten zwischen Arm und Reich besitzen die Weißen fast den gesamten Reichtum und kontrollieren die Hebel der Wirtschaft. Die Bergleute stehen nun in ihrer Schusslinie. Sie werden kaum klein beigeben, da sie nichts zu verlieren haben. Wer kein Leben hat, der fürchtet den Tod nicht. Ob sie Kohle, Platin oder Diamanten fördern: Ihre Arbeitsbedingungen sind in den letzten 100 Jahren nicht besser geworden. In Südafrika haben Bergleute ein miserables Leben mit einem miserablen Gehalt, das gerade ausreicht, um zu überleben. Das absolute Lumpenproletariat. An ihnen bereichern sich die Besitzer der mächtigen Minengesellschaften. Die Sklaverei existiert noch.“

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