Neuer alter Premierminister: Nawaz Sharif siegt in Pakistan

(13.05.2013/dpa)

Knapp 14 Jahre nach seinem Sturz durch einen Militärputsch in Pakistan steht Ex-Premierminister Nawaz Sharif vor der Rückkehr in das Amt des Regierungschefs. Bei der  Parlamentswahl gelang seiner Muslim-Liga (PML-N) nach vorläufigen Ergebnissen aus fast allen Wahlkreisen ein Erdrutschsieg. Eine absolute Mehrheit dürfte die konservative Partei aber verfehlt haben.

Nach vorläufigen Ergebnissen, die die Zeitung Dawn aus den Wahlkreisen erhob, gewann die PML-N 130 von 272 Sitzen. Die absolute Mehrheit von 137 Sitzen verfehlte sie demnach knapp. An zweiter Stelle lag die bisher regierende Volkspartei PPP mit 33 Sitzen, die ihre Hochburg in der zweitgrößten Provinz Sindh hat. Die PTI (Tehreek-e-Insaf/Bewegung für Gerechtigkeit) von Kricket-Legende Imran Kha gewann diesen Angaben zufolge in 29 Wahlkreisen. Am Sonntag hatte die PTI nach inoffiziellen Ergebnissen noch an zweiter Stelle gelegen.

Die islamistischen Parteien gehören zu den Wahlverlierern. Sie erhielten laut verschiedener Quellen nur 13 bis 15 Sitze und bleiben damit bedeutungslos.

Trotz Terrordrohungen der Taliban lag die Wahlbeteiligung am Samstag nach Angaben der Wahlkommission bei knapp 60 Prozent, was nach Medienberichten der beste Wert seit der ersten Parlamentswahl in Pakistan im Jahr 1970 war. Am Wahltag wurden mindestens 29 Menschen bei Anschlägen und Angriffen getötet, mehr als 90 wurden verletzt. Über 620 000 Sicherheitskräfte waren zum Schutz der Abstimmung eingesetzt.

Zahlreiche Wähler machten die PPP für die Energieknappheit, die Wirtschaftskrise und die schlechte Sicherheitslage verantwortlich. Es ist das erste Mal seit der Unabhängigkeit 1947, dass eine zivile Regierung die Macht an demokratisch gewählte Nachfolger übergibt. Etwa die Hälfte der Zeit war Pakistan vom Militär beherrscht. Sharif war im Oktober 1999 bei einem unblutigen Putsch vom damaligen Armeechef Pervez Musharraf gestürzt worden.

Sharif, der in den 90er-Jahren zweimal Premierminister war und der reichen Oberschicht angehört, sagte vor jubelnden Anhängern in seiner Heimatstadt Lahore: „Gott hat uns mit diesem Sieg gesegnet.“ Er bot den anderen Parteien Zusammenarbeit an, um die drängenden Probleme des Landes zu lösen. „Ich werde an jeden appellieren, sich nicht zu meinem Wohl, sondern zum Wohl von 180 Millionen Pakistanern mit mir an den Tisch zu setzen.“ PTI-Vizepräsident Asad Umar gratulierte Sharif.

Gleichzeitig kritisierte PTI-Chef Imran Khan Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung. „Im Punjab und in Sindh ist es zu Manipulationen gekommen“, sagte Khan in einer Videobotschaft. Auch die bisher regierende Volkspartei PPP kritisierte Wahlbetrug im Punjab. In der bevölkerungsreichsten Provinz hat die Muslim-Liga eine überwältigende Mehrheit der Wahlkreise erobert.

PPP-Generalsekretär Sardar Latif Khosa sagte der Zeitung Dawn zur Wahl im Punjab: „Es gab totale Manipulationen.“ Seine Partei werde bald Beweise präsentieren. Auch Imran Khan kündigte an, Einzelheiten zu den Manipulation in einem Bericht zu veröffentlichen. Einen Zeitpunkt dafür nannte er nicht. Die Wahlkommission, die die Abstimmung als „frei und fair“ bezeichnet hatte,  teilte mit, sie habe wegen der Vorwürfe ein Treffen für Montag einberufen.

Das größte lokale Wahlbeobachter-Netzwerk (Fafen) wertete die Abstimmung vom Samstag nach Medienberichten als „relativ fair“. Die Organisation lobte in ihrem Bericht ausdrücklich die Wahlkommission für ihre Arbeit und äußerte sich erfreut über „den allgemeinen Enthusiasmus für die Wahl“. Dennoch seien manche Bürger unter anderem wegen Gewalt, Wahlboykotts von Parteien in letzter Minute und „klarem Betrug“ ausgeschlossen gewesen.

Auch die Wahlbeobachter der Europäischen Union stellten der Parlamentswahl insgesamt ein positives Zeugnis aus. „In 90 Prozent der Wahllokale wurde der Prozess als zufriedenstellend oder gut beschrieben“, sagte der Chef der Beobachtermission, der deutsche EU-Abgeordnete Michael Gahler, am Montag in Islamabad. Unregelmäßigkeiten seien in rund zehn Prozent der Wahllokale festgestellt worden. Die meisten davon hätten in der Provinz Sindh gelegen, der Hochburg der abgewählten Volkspartei PPP. Die Wahl sei für Pakistan „ein Schritt nach vorne“ gewesen. Die EU-Beobachter besuchten 184 der 272 Wahlkreise.

Die USA und die Vereinten Nationen gratulierten Pakistan zu einer erfolgreichen Parlamentswahl. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach von einem „bedeutsamen Schritt nach vorne für die Demokratie in dem Land“.

US-Präsident Barack Obama begrüßte „diese historische, friedliche und transparente zivile Machtübergabe“ als „bedeutenden Meilenstein“ in Pakistans demokratischer Entwicklung. Seine Regierung freue sich auf die Zusammenarbeit mit der künftigen Regierung „als gleichwertige Partner“. Die Beziehung zwischen den USA und Pakistan sind angespannt, da die Vereinigten Staaten regelmäßig – und in Missachtung des Völkerrechts – bei „Anti-Terror-Einsätzen“ mit Kampfdrohnen Zivilisten auf pakistanischem Territorium töten.

Traditionell angespannt sind auch die Beziehungen zum indischen Nachbarn. Indiens Premierminister Manmohan Singh gratulierte Sharif und der PML-N über den Kurznachrichtendienst Twitter zum „überzeugenden Sieg bei den pakistanischen Wahlen“. Singh lud Sharif zu einem Besuch ein und drückte seine Hoffnung aus, „einen neuen Kurs für die Beziehung der beiden Länder zu entwerfen“.

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