Präsidentschaftswahlen in Haiti: Stimmzettel werden neu ausgezählt
(10.12.2010/dpa)
Nach tagelangen, teils gewaltsamen Protesten auf Haiti hat sich die Wahlkommission am Donnerstagabend zur Neuauszählung der Stimmzettel der Präsidentschaftswahlen bereiterklärt. Die Kommission beschloss nach einer am Abend in Port-au-Prince verbreiteten Mitteilung, die Stimmzettel „umgehend und schnell“ neu auszuwerten, wie der Sender BBC berichtete. Bei der Neuauszählung sollen neben ausländischen Beobachtern auch die drei führenden Bewerber um das höchste Amt in Haiti anwesend sein.
Zuvor hatte sich die Lage in Haiti weiter zugespitzt. Bei erneuten Unruhen wurden am Donnerstag in Port-au-Prince mehrere Menschen verletzt. Wie Augenzeugen berichteten, kam es in der Nähe des Präsidentenpalastes zu einer Schießerei zwischen Anhängern und Gegnern von Präsident René Préval. Der Aufstand hatte sich am Dienstag an Wahlergebnissen entzündet, wonach der populäre Musiker Michel Martelly als Drittplatzierter aus dem Rennen um die Präsidentschaft ausgeschieden war. HINTERGRUND hatte berichtet.
Angesichts der zunehmenden Gewalt warnte Senatspräsident Joseph Lambert vor einem Bürgerkrieg. In Port-au-Prince herrscht der Ausnahmezustand. In vielen Straßen sind unzählige Barrikaden errichtet. Wie an den Vortagen kam es an vielen Stellen zu Schießereien. Hunderte von Demonstranten zogen plündernd und Steine werfend durch die Straßen. Es war nicht klar, ob es sich wie in den Vortagen um Anhänger des Oppositionskandidaten Martelly oder um Parteigänger des Regierungskandidaten Jude Celestin handelte.
Prévals Partei Inité rief ihre Anhänger auf, die von der Opposition errichteten Barrikaden zu entfernen. Dabei kam es offenbar zu den Zusammenstößen am Präsidentenpalast, bei denen Schusswaffen eingesetzt wurden. Seit Dienstagabend protestieren tausende Regierungsgegner in der Hauptstadt, aber auch in anderen Städten des verarmten Karibiklandes. Sie werfen Préval Wahlfälschung vor.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte sich am Vortag besorgt gezeigt. Er forderte eine Überprüfung der Wahl. Préval forderte die Menschen auf, Ruhe zu bewahren und die Stichwahl abzuwarten. In einer Rede an die Nation sagte aber auch er, die Ergebnisse seien nicht endgültig. Die US-Botschaft hatte zuvor bereits erklärt, Washington sei bereit, die Wahlergebnisse zu überprüfen und dem haitianischen Volk zu seinem Recht zu verhelfen.