"No pasarán" - Zehntausende Spanier skandierten den Schlachtruf der Internationalen Brigaden am vergangenen Wochenende
(26.04.2010/dpa)
Eine 1,5 Tonnen schwere Marmorplatte bedeckt das Grab des spanischen Diktators General Franco und noch immer wirft das Regime des «Generalísimo» düstere Schatten auf die spanische Politik. Für die Verbrechen der Franco-Diktatur (1939-1975) wurde nie ein Politiker oder Militär zur Rechenschaft gezogen. Der Untersuchungsrichter Baltasar Garzón wagte es, das Tabu zu brechen und Ermittlungen einzuleiten. Er musste seine Nachforschungen jedoch auf Geheiß der Gerichte einstellen.
Der «Tyrannen-Jäger», der 1998 den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet festnehmen ließ, ist nun selbst zu einem Gejagten geworden. Die Justiz legt dem 54-Jährigen zur Last, mit seinen Ermittlungen bewusst gegen das Amnestie-Gesetz von 1977 verstoßen und das Recht gebeugt zu haben. Bei einem Schuldspruch droht dem berühmtesten Richter des Landes ein 20-jähriges Berufsverbot.
Der Fall Garzón hat die Spanier in zwei Lager gespalten. Rechtsgerichtete und konservative Kräfte begrüßen das Vorgehen der Justiz. Sie waren schon immer dagegen gewesen, Vergangenheitsbewältigung zu betreiben und die Zeit des Bürgerkriegs aufzuarbeiten. Dagegen macht die Linke gegen das Vorgehen der Justiz mobil. Am Wochenende demonstrierten zehntausende Spanier für Garzón.
Angehörige von Opfern des Franco-Regimes forderten Klarheit über das Schicksal von mehr als 100.000 Franco-Gegnern, die gegen Ende des Bürgerkriegs (1936-1939) und in der Anfangszeit der Diktatur aus politischen Gründen ermordet worden waren. «Wo sind mein Vater und mein Onkel?», fragte eine Demonstrantin auf einem Plakat. Eine andere hielt ein Schild empor mit der Aufschrift: «Was geschah mit meinen Großeltern?» Sie sehen in dem Verfahren gegen den Richter einen zweiten Erfolg Francos nach dessen Sieg im Bürgerkrieg.
Die Pro-Garzón-Bewegung erhielt Unterstützung bei den großen Gewerkschaftsverbänden und bei Prominenten wie Filmemacher Pedro Almodóvar, dem Schriftsteller Juan Goytisolo oder der Schauspielerin Pilar Bardem. Sie hat auch längst die Grenzen des Landes überwunden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch protestierten gegen das gegen Garzón eingeleitete Verfahren ebenso wie die Nobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel (Argentinien) oder José Saramago (Portugal).
Auch große Blätter der Weltpresse zeigten wenig Verständnis für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid. «Die wirklichen Verbrechen bestehen in dem Verschwinden von Gegnern des Franco-Regimes, nicht in den Ermittlungen Garzóns», meinte die «New York Times». Die «Financial Times» befand: «Alles deutet darauf hin, dass ein mutiger Richter, der gegen Terroristen, staatliche Todesschwadronen, Korruption und Tyrannei angekämpft hat, aus dem Amt gedrängt werden soll.»
In Spanien hat Garzón mit seinen Ermittlungen nicht nur Anerkennung gefunden, sondern sich auch viele Feinde gemacht. Mancher Sozialist hat nicht vergessen, dass der Jurist Mitglieder der Regierung von Felipe González (1982-1996) vor Gericht stellen ließ, weil sie im Kampf gegen die ETA zu Mitteln des Staatsterrorismus gegriffen hatten. Die Konservativen sind auf den Richter nicht gut zu sprechen, weil er einen großen Korruptionsskandal in der Volkspartei (PP) aufdeckte. Richter-Kollegen werfen Garzón vor, sich in den Medien profilieren zu wollen und sich daher auf die spektakulärsten Fälle zu stürzen.
Gegen den Richter laufen derzeit genaugenommen drei Verfahren. Das erste betrifft die Ermittlungen zu den Verbrechen des Franco-Regimes. Im zweiten geht es um das – angeblich illegale – Abhören von Verdächtigen in der Korruptionsaffäre der PP und im dritten um angebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten bei Seminaren, die Garzón in New York abhielt. «Die Justiz jagt Garzón zu Lande, zur See und in der Luft», schrieb die Zeitung «El País».