Russland und die Ukraine rücken zusammen

(22.o4.2010/dpa)

Die unter dem „orangenen Revolutionär“ und ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko abgekühlten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine erfahren mit einem drastischen Rabatt für Gaslieferungen und einem Militärabkommen einen Neustart. Durch Nachbesserungen an den erst vor einem Jahr vereinbarten Gasverträgen erhalte die Ukraine einen Nachlass von 40 Milliarden US-Dollar (30 Milliarden Euro) auf die nächsten zehn Jahre gerechnet, so der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch am Mittwoch. Die Vereinbarung mit Kremlchef Dimitri Medwedew bezeichnete er als „historisch“. Für die auf der ukrainischen Halbinsel Krim stationierte russische Schwarzmeerflotte einigten sich die Staatschefs zudem auf eine Verlängerung des Vertrags bis mindestens 2042.

Das bislang bis 2017 gültige Militärabkommen soll laut Medwedew um 25 Jahre mit Option auf weitere 5 Jahre verlängert werden. Die Pacht für die Flotte werde zum Teil mit dem Rabatt für Gas verrechnet. Medwedew räumte ein, dass es sich um ein Tauschgeschäft handele: Billigeres Gas gegen den längeren Pachtvertrag. Nach Angaben Medwedews senkt Russland den Gaspreis für die Ukraine von rund 330 US-Dollar für 1000 Kubikmeter auf etwa 230 US-Dollar. Diese Änderung sei „beispiellos“ sagte er bei seinem Besuch in der ukrainischen Stadt Charkow.

Die Anwesenheit der russischen Schwarzmeerflotte sichere nicht nur Arbeitsplätze, sondern sei auch ein Beitrag zur internationalen Sicherheit, sagte Janukowitsch. Rund 18.500 Seeleute und 34 Schiffe hat Russland auf der Halbinsel stationiert. Ein russischer Militärsprecher kündigte an, von 2011 an würden veraltete Schiffe auf der Krim durch modernes Kriegsgerät ersetzt. Der NATO- Gegner Janukowitsch hatte bereits nach seiner Wahl einen Beitritt seines Landes zur NATO abgelehnt und schaffte zur Freude Russlands alle Gremien für einen NATO-Beitritt ab.

Alexey Miller, Chef des russischen Energiekonzerns Gazprom, nannte die neuen Verträge auch für die Europäische Union vorteilhaft. Die Vereinbarungen würden Streitigkeiten wie in der Vergangenheit unwahrscheinlich machen, sagte Miller. Durch den „Gaskrieg“ zwischen Moskau und Kiew Anfang 2009, bei dem Russland dem Nachbarland den Gashahn abgedreht hatte, wurde auch die Versorgung der EU beeinträchtigt. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen nach Westen. Ein Viertel des in der EU verbrauchten Gases kommt aus Russland, davon strömen 80 Prozent durch die Ukraine.

Seit Janukowitschs Wahlsieg wurde die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder deutlich verstärkt. Moskau hofft auch auf Milliardenaufträge der Atombranche des finanziell angeschlagenen Nachbarlandes. Russland hat sich schon bereit erklärt, zwei Blöcke im ukrainischen Atomkraftwerk Chmelnizki zu bauen. Zudem will sich Moskau an der Sanierung des maroden Pipelinenetzes beteiligen.

Empört reagierte hingegen die ukrainische Opposition um die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko. „Janukowitsch verkauft die Ukraine, ihre nationalen Werte und Interessen“, schimpfte sie. Die Unabhängigkeit des Landes werde durch den neuen Vertrag gefährdet. „Anstatt Weltmarktpreise für Gas zu zahlen und selbstständig zu werden, kriecht man nun zurück in den Schoß Russlands“. Auch andere Oppositionspolitiker sprachen von einer „Kapitulation“ vor Russland.

Mit dem Rabatt für die Gaslieferungen hat das Land die dringend nötigen Spielräume für seine Wirtschafts- und Sozialpolitik erhalten. Ohne den russischen Rabatt hätten demnächst die Gaspreise für die Privathaushalte erhöht werden müssen. Vor allem aber kann mithilfe des Rabatts das Defizit im Haushalt für das laufende Jahr gesenkt werden, wie es zuletzt auch der Internationale Währungsfonds IWF gefordert hatte. Jetzt hofft man in der Ukraine, dass die zugesagten Milliardenhilfen des IWF bald fließen.

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